II, Theaterstücke 9, (Der grüne Kakadu. Drei Einakter, 3), Der grüne Kakadu. Groteske in einem Akt, Seite 377


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9.4. Der gruene kakadu ZykLus
Zuhörerschaft. Herr Robert gab dem Paracelsus Stillen schon vor einem Jahre stattgefunden. Und seine geschrieben. Das sind die Register, die er beherrscht.
jenes düstere Kolorit, mit dem er Gestalten dieser Braut lernte der junge Mann bereits vor zwei Jahren Die Accente des Fuhrmanns Henschel werden ihm
Art wirksam auszustatten pflegt.
kennen und lieben. Ein unerhörter Grimm erfaßt den
immer fremd bleiben.
Vielleicht noch tieferen Eindruck machte das
Professor bei den stoßweise vorgebrachten Eröff¬
Das dritte Stück, das Schnitzler eine „Gro¬
zweite kleine Schauspiel: „Die Gefährtin“. Ein
nungen. Er reißt den Mann nach dem dunklen teske“ nennt, „Der grüne Kakadu“, ist ein eigen¬
Witwer, der alte Professor Robert Pilgram, kehrt
Fenster, weist auf den finstern Weg, der zum Fried¬
artiges Bild aus der Sturmzeit der großen Revolu¬
am Abend vom Begräbnisse seiner jungen Frau
hofe führt, und fragt mit schrecklicher Stimme:
tion. „Zum grünen Kakadu“ ist eine Schänke be¬
zurück, die plötzlich, an einem Herzschlag, gestorben
„Und Jene dort?“ Der Verführer weiß keine Ent¬
nannt, wo der Wirth den Gästen durch seine
war. Eine Freundin des Hauses erscheint in später
schuldigung und wird schimpflich aus dem Hause
Grobheit Unterhaltung bietet und eine gemiethete
Stunde, um den Mann zu bitten, daß er ihr ge¬
gejagt. Der alte Professor bleibt zurück, die Beute
Schauspielertruppe scheinbare Verbrecher darstellt, die
statte, aus dem Schreibtisch der Verstorbenen einige furchtbarer Aufregung. Bricht eine nur mühsam zu¬
erdichtete Schauerthaten erzählen. Die vornehmen
Briefe zurückzunehmen, welche eine Frau an die rückgehaltene oder schlummernde und wiederauflebende Herren und Damen vom Hofe kommen hierher, um
andere geschrieben und die Dinge enthalten sollen,
Liebe zur Gattin hervor oder ist es ein väterliches
durch die Anhörung der Geschichten von wüsten
die ein Dritter nicht zu wissen braucht. Der Witwer
Gefühl, welches sich darüber empört, daß die Ver¬
Gräuelthaten ihre abgestumpften Nerven anzuregen.
weiß wohl, daß es nicht die eigenen Briefe sind,
storbene zur Dirne gemacht worden war von einem
Ein junger Schauspieler erzählt so lebhaft, wie er
welche die Freundin sucht. Es sind die Briefe eines
unwürdigen Mann? Er weiß sich wohl nicht seine Frau auf einer Untreue ertappt und ihren
Mannes, eines Liebhabers, die sie aus dem Wege Rechenschaft darüber zu geben, aber die Freundin Liebhaber ermordet hat, daß alle Anwesenden die
räumen will. Er sagt es ihr ruhia, denn ihm ist sieht schärfer: es ist Liebe. Und sie heilt ihn ent¬
Geschichte für wahr halten und sich in ihrer Auf¬
nichts entgangen. Als alternder Mann hatte er das schlossen von seiner Liebe. Sie sagt ihm, die Ver¬
regung mittheilen, wie sie den Betrug des Weibes
junge Mädchen geheirathet im Bewußtsein, wohl nur
storbene, deren Vertraute sie gewesen, habe Alles ge¬
schon lange gekannt. Der schrecklich aufgeklärte
ein, zwei glückliche Jahre an ihrer Seite zu finden.
wußt. Sie wäre auf die Heirath ihres Liebhabers
Schauspieler ermordet nun den Liebhaber seiner
Es war, wie er es vorausgesehen. Nach dem Liebes¬
vorbereitet gewesen. Sie hätte die Sachs aber nicht Frau, der zufällig in der Spelunke erscheint, wirklich.
taumel kehrte er zur Arbeit, in seinen Beruf zurück.
tragisch genommen. Ein leichtblütiges Geschöpf mit
Der Lärm des Bastillensturms hallt in die Schlu߬
Sie ging ihrer Wege. Sie war zur Geliebten, nicht
leichtfertiger Lebensauffassung, ohne Skrupel und
szene hinein. Das Stück ist viel äußerlicher als die
zur Gefährtin geschaffen. Und da sie ihm nichts
ohne große Empfindungen — es wird nicht aus¬
beiden anderen, und litt auch dadurch, daß Sonnen¬
mehr sein konnte, war sie ihm wie eine Fremde.
drücklich gesagt, aber der Professor begreift endlich,
thal, der für den eifersüchtigen Akteur viel zu alt
Gleichmüthig sah er zu, wie sie sich einem Anderen
wen er geliebt hatte. Eine Gefährtin? Nein. Eine
ist, diesen nicht glaubhaft darzustellen wußte. Aber
zuwandte, bei dem ihre innerste Bestimmung wieder
Geliebte? Auch das nicht, auch darin hat er sich
es ist lebendig genug, um trotz alledem zu interessiren,
auflebte. Er würde sie freigegeben haben, wenn sie
getäuscht. Nur eine Diene, würdig des Liebhabers,
und so ließ die Aufnahme nichts zu wünschen übrig.
es verlangt hätte, er klagt ihre und seine Feigheit
dem sie sich hingegeben. Die Kur war hart, aber
Schnitzler hat sich unserer neuesten Vereinigung
an, daß es nicht zur vollen Klarheit zwischen ihnen
gründlich. Noch einmal blickt der Professor im Ge¬
„nichterscheinender" Bühnendichter nicht angeschlossen.
gekommen. Nach diesem Geständnisse erscheint der
mach der Todten um sich, dann geht er mit einem
Er dankte für den Beifall persönlich und wurde
Mann, den die Verstorbene liebte, ein Assistent des
Seufzer der Erleichterung von dannen. Man fühlt,
herzlich begrüßt. Wird ein Dramatiker ehrlich gerufen,
Professors, er hat einen Urlaub in Scheveningen
er wird überwinden, der Alp seines Lebens ist von
so macht es auch immer Vergnügen, ihn zu sehen
abgebrochen, um in das Trauerhaus zu eilen. Und
ihm genommen. Sonnenthal bot in der Rolle des
und auszeichnen zu können.
dann spricht er davon, nach Scheveningen zurück¬
Professors eine tiesergreifende Leistung. Halb Rai¬
Wien, 2. März.
K
zukehren, er hat sich dort verlobt. Oder eigentlich, sonneur, halb Gefühlsmensch, ein vornehmer Welt¬
es wurde dort eine Verlobung bekanntgemacht, die im mann durch und durch, ist die Rolle wie für ihr