aime von Bourbon ermächtigt, die Er¬
klärung des spanischen Deputirten Correo in den
Cortes bezüglich des Iulognito=Aufenthaltes des
Prinzen in Gerona und Valencia als unbe¬
gründet zu bezeichnen, da der Prinz seit
fünf Monaten Warschau nicht verlassen
habe.
Washington, 1. März. Der ehemalige englische
Lordkanzler Lord Herschell, der gegenwärtig als
Mitglied der englisch=amerikanischen handelspolischen
Kommission hier weilte, ist heute Früh gestorben.
Hamburg, 1. März. (Abendbörse.) Kreditaktien
232.10 (370.44). Still.
London, 1. März. (Schlußkurse.) Konsols
111.43, Lombarden 6.75, Neue Spanier 54.75, Italiener
94.75, ungarische Goldrente 100.—, vierperzentige Rupien
66.87, Canada Pacific 92.87, Chartered 2.12, Silber
27.50. Bessernd.
—
—
Theater, Kunst und Literatur. 1100
(Burgtheater.) In drei einaktigen Komödien von
Dr. Arthur Schnitzler ist gestern in Traum und Wirklich¬
keit, in Ernst und Scherz drei Stunden lang Ehe und
Treu gebrochen worden. Der Autor neigt in Bezug auf
Frauentugend und den Bestand ehrbarer Eben einem
starken Pessimismus zu, den er auch schon in früheren
Stücken zum Ausdruck brachte. Es stehen dem Dichter
dabei vermuthlich gewisse Gesellschaftskreise vor Augen,
die nicht allzu ausgedehnt sind, wie man zur Ehre der
Frauen annehmen darf, und wer mit seiner Beobachtung
auch über die engen Grenzen einiger Straßen und
der paar hundert Bekannten hinausstrebt, wird der
Skepfis des, dieses Lieblingsthema mit Geist und Grazie
variirenden Autors nicht ohne Einwand beipflichten. In
dem einaktigen Schauspiel „Paracelsus“ das den
Abend einleitete, gesteht die ehrbare Gattin eines Raths¬
herrn ihrem Gebieter zwei rein nur durch günstige Zu¬
fälligkeiten verhinderte Abentener ein, und der gute Ehe¬
mann vergibt ihr und preist die Vorsehung, die ihm
hoffentlich doch noch zu Hörnern verhelfen wird. Der
historische Theophrastus Bombastus Paracelsus macht dazu
seinen Hokuspokus, indem er mit Hypnose und Suggestion
Erinnerung und Gewissen der Frau kommandirt, Kunststücke,
die dem berühmten Wundermann und Charlatan damals wahr¬
scheinlich nicht auch schon bekannt und geläufig waren. Die
Gattin, die, wie gesagt, nicht ganz „reinlich und zweifelsohne“
ist, knüpft an die ihr durch jene Tries abgelockte Erzählung
von alter Liebe und frischer Gefahr, die für den Gatten
bestimmte schelmische Anerkennung: „Wenn Ihr mich wohl
behütet, dürft Ihr mir vertrau'n!“ damit auch die Baseler
Rathsfrauen — im Sinne der Schnitzler'schen Ungläubig¬
keit — nicht leer ausgehen. Herr Krastel gob den
Rathsherrn, Frau Schratt seine Gattin, und ein
Liebespaar zweiter Klasse sorgte für die legitimen Herzens¬
regungen. Herr Robert mochte an seinem Paracelsus
eine große Freude haben, denn der abenteuerliche Wunder¬
mann verführt zu dämenischen Mätzchen, bleicher Düster¬
keit und satanischem Humor. Aber leider verlor sich der
Darsteller wieder allzusehr in die hohle Deklamation, die
ermüdet, wenn der Dichter nicht dafür gesorgt hat, daß der
Mann rechtzeitig von der Bühne verschwindet. —Trotzdem
machten die hübschen und säuberlich ausgefeilten Verse
des Spieles eine gute Wirkung und man war leidlich zu¬
frieden. Besser gefiel die zweite einaktige Novität: „Die
Gefährtin“ — eine andere moderne Variation über
dasselbe kitzliche Thema. Das Stück beginnt unmittelbar nach
dem Begräbniß der Frau Professor Pilgram, die ihren Mann
mit seinem jüngeren Freunde hintergangen hatte. Der
Gatte wußte es, aber er ließ es geschehen, die jetzt Ver¬
storbene war längst nicht mehr seine Geliebte und nicht seine
Gefährtin, eines jener lebenden Anhängsel, die so neben
dem Mann hergehen, wenn sie nach zehnjähriger Ehe zur
Ersteren ungeeignet geworden sind, und zu beschränkt oder
gemüthlos sind, um zur Gefährtin zu avanciren. Es gibt
solche Frauen, aber vielleicht nicht so viele, wie Schnitzler
glauben machen möchte. Der Professor weiß Alles — er
empfindet keinen Schmerz darüber und auch nicht über
den Tod der Frau, die er soeben begraben hat. Was
ihn aber tüchtiger packt und unversöhnlicher erschüttert,
ist die Erfahrung, daß jener treubrüchige Freund
inzwischen eine Verlobung angebahnt hat und
daß er also die Ebebrecherin auch noch betregen
S
—
lassen sollen, denn er wird gerade nicht viel
gethan haben, um die zein Jahre erträglich zu machen.
Man weiß, wie dieser Schauspieler, der schon ganz und
gar ins Fach der gehörnten Ebemänner übertritt (so
rächt sich die ewige Gerechtigkeit an den gefeierten Lieb¬
habern von einsch, die Resignation und Trauer bankerotter
Gatten durch den rührenden, warmen Ton veredelt, wie er
diesen Schmerz dadurch in eine höhere Sphäre rückt und
jeden Schimmer von Lächerlichkeit verscheucht. Die Klassiker
des Ehebruchsdramas — die Franzosen — haben ihm
freilich schon stärkere Wirkungen geliehen, als er gestern
bei Schnitzler fand. Zeska war als verführerisches
Gegenspiel zu dem ernsthaften Grankopf durchaus an
seinem Platz. Das Stück ist reich an scharfpointirten,
gescheidten und sinnreichen Einfällen, interessant und
stimmungsvoll im Bau. Der Antor zeigt aber immer das
Bestreben, sich in Ueberraschungen zu überbieten und
Konflikte anzuhäufen. Auch in diesem Stücke kommt
immer wieder eine neue Enthüllung hinzu; dadurch
zerfällt die Einfachheit und die Harmonie in
ungleichwerthige Bruchstücke. Mit einem Schnitzler'schen
Ausflug auf das Gebiet des Humors schloß weniger er¬
freulich der Abend. „Groteske“ in einem Akt, nennt der
Verfasser die in der Pariser Revolutionszeit spielende dramati¬
sirte Anekdote vom Wirthshaus „Zum grünen Kakadu“
wo engagementloses Schauspielergefindel dem hohen Adel
in der Rolle von Spitzbuben und Verbrechern Possen vor¬
gankelt. Da verschwimmt nun Schein und Wirklichkeit
manchmal ineinander, und die vornehmen Herrschaften, die
dem Ulk zusehen, sind voll des Lobes über den Akteur
Henri, der als betrogener Ehemann und neuvermälter
Gatte einer Courtisane und Schauspielerin ergreifend
darstellt, wie er soeben den Liebhaber seiner jungen Frau,
einen Herzog, ins Jenseits befördert hat. Auch diese sehr
naturalistische Soloszene ist aber nur eine schauspielerische
Darbietung, die der Virtnose indes zur That werden läßt,
da er soeben die Nachricht erhält, daß seine leichtfertige
Schöne wirklich in den Armen des Herzogs lag. Er
tödtet ihn, soll im Namen des Gesetzes verhaftet werden,
aber inzwischen hat der Pöbel die Bastille gestürmt und
die Macht des Gesetzes an sich gerissen. — Die eigenartige
Komödie hat nicht so gut gefallen, wie das werthvollere
und in jedem Sinne schmackhaftere Mittelstück des
Abends; auch leidet der Einakter an überflüssigen Längen,
die mit Erzählungen und Schilderungen, Episoden=
werk und Anläufen, aus denen nichts wird, aus¬
gefüllt sind. Herr Sonnenthal spielte die
Hauptszene in der Schenke, zuerst als improvisirender:
Schauspieler, dann als wirklicher Rächer, ohne die
Wirkung, die er im vorangegangenen Stück erzeugte,
erreichen zu können. Sonst sind eine Menge Schau¬
spieler thätig, auf die alle nur ein Röllchen kommt,
und Herr Hartmann gab sogar die Karikatur eines
verliebten alten Gecken, eine Episode von minimalstems
Umfang. Man nahm auch den letzten Einakter nocht
gut auf und rief den Verfasser, der nach dem zweiten und
dritten Akt vor der Rampe erschien. Der Antor gehörts
nämlich nicht zu dem Tugendbund, den einige Wiener Autoren
zum Schutz gegen das Herausgerufenwerden — theilweise
in Ueberschätzung dieser sie persönlich bedrohenden Even¬
tualität — begründen zu sollen glaubten. p. r. 8.
Se
klärung des spanischen Deputirten Correo in den
Cortes bezüglich des Iulognito=Aufenthaltes des
Prinzen in Gerona und Valencia als unbe¬
gründet zu bezeichnen, da der Prinz seit
fünf Monaten Warschau nicht verlassen
habe.
Washington, 1. März. Der ehemalige englische
Lordkanzler Lord Herschell, der gegenwärtig als
Mitglied der englisch=amerikanischen handelspolischen
Kommission hier weilte, ist heute Früh gestorben.
Hamburg, 1. März. (Abendbörse.) Kreditaktien
232.10 (370.44). Still.
London, 1. März. (Schlußkurse.) Konsols
111.43, Lombarden 6.75, Neue Spanier 54.75, Italiener
94.75, ungarische Goldrente 100.—, vierperzentige Rupien
66.87, Canada Pacific 92.87, Chartered 2.12, Silber
27.50. Bessernd.
—
—
Theater, Kunst und Literatur. 1100
(Burgtheater.) In drei einaktigen Komödien von
Dr. Arthur Schnitzler ist gestern in Traum und Wirklich¬
keit, in Ernst und Scherz drei Stunden lang Ehe und
Treu gebrochen worden. Der Autor neigt in Bezug auf
Frauentugend und den Bestand ehrbarer Eben einem
starken Pessimismus zu, den er auch schon in früheren
Stücken zum Ausdruck brachte. Es stehen dem Dichter
dabei vermuthlich gewisse Gesellschaftskreise vor Augen,
die nicht allzu ausgedehnt sind, wie man zur Ehre der
Frauen annehmen darf, und wer mit seiner Beobachtung
auch über die engen Grenzen einiger Straßen und
der paar hundert Bekannten hinausstrebt, wird der
Skepfis des, dieses Lieblingsthema mit Geist und Grazie
variirenden Autors nicht ohne Einwand beipflichten. In
dem einaktigen Schauspiel „Paracelsus“ das den
Abend einleitete, gesteht die ehrbare Gattin eines Raths¬
herrn ihrem Gebieter zwei rein nur durch günstige Zu¬
fälligkeiten verhinderte Abentener ein, und der gute Ehe¬
mann vergibt ihr und preist die Vorsehung, die ihm
hoffentlich doch noch zu Hörnern verhelfen wird. Der
historische Theophrastus Bombastus Paracelsus macht dazu
seinen Hokuspokus, indem er mit Hypnose und Suggestion
Erinnerung und Gewissen der Frau kommandirt, Kunststücke,
die dem berühmten Wundermann und Charlatan damals wahr¬
scheinlich nicht auch schon bekannt und geläufig waren. Die
Gattin, die, wie gesagt, nicht ganz „reinlich und zweifelsohne“
ist, knüpft an die ihr durch jene Tries abgelockte Erzählung
von alter Liebe und frischer Gefahr, die für den Gatten
bestimmte schelmische Anerkennung: „Wenn Ihr mich wohl
behütet, dürft Ihr mir vertrau'n!“ damit auch die Baseler
Rathsfrauen — im Sinne der Schnitzler'schen Ungläubig¬
keit — nicht leer ausgehen. Herr Krastel gob den
Rathsherrn, Frau Schratt seine Gattin, und ein
Liebespaar zweiter Klasse sorgte für die legitimen Herzens¬
regungen. Herr Robert mochte an seinem Paracelsus
eine große Freude haben, denn der abenteuerliche Wunder¬
mann verführt zu dämenischen Mätzchen, bleicher Düster¬
keit und satanischem Humor. Aber leider verlor sich der
Darsteller wieder allzusehr in die hohle Deklamation, die
ermüdet, wenn der Dichter nicht dafür gesorgt hat, daß der
Mann rechtzeitig von der Bühne verschwindet. —Trotzdem
machten die hübschen und säuberlich ausgefeilten Verse
des Spieles eine gute Wirkung und man war leidlich zu¬
frieden. Besser gefiel die zweite einaktige Novität: „Die
Gefährtin“ — eine andere moderne Variation über
dasselbe kitzliche Thema. Das Stück beginnt unmittelbar nach
dem Begräbniß der Frau Professor Pilgram, die ihren Mann
mit seinem jüngeren Freunde hintergangen hatte. Der
Gatte wußte es, aber er ließ es geschehen, die jetzt Ver¬
storbene war längst nicht mehr seine Geliebte und nicht seine
Gefährtin, eines jener lebenden Anhängsel, die so neben
dem Mann hergehen, wenn sie nach zehnjähriger Ehe zur
Ersteren ungeeignet geworden sind, und zu beschränkt oder
gemüthlos sind, um zur Gefährtin zu avanciren. Es gibt
solche Frauen, aber vielleicht nicht so viele, wie Schnitzler
glauben machen möchte. Der Professor weiß Alles — er
empfindet keinen Schmerz darüber und auch nicht über
den Tod der Frau, die er soeben begraben hat. Was
ihn aber tüchtiger packt und unversöhnlicher erschüttert,
ist die Erfahrung, daß jener treubrüchige Freund
inzwischen eine Verlobung angebahnt hat und
daß er also die Ebebrecherin auch noch betregen
S
—
lassen sollen, denn er wird gerade nicht viel
gethan haben, um die zein Jahre erträglich zu machen.
Man weiß, wie dieser Schauspieler, der schon ganz und
gar ins Fach der gehörnten Ebemänner übertritt (so
rächt sich die ewige Gerechtigkeit an den gefeierten Lieb¬
habern von einsch, die Resignation und Trauer bankerotter
Gatten durch den rührenden, warmen Ton veredelt, wie er
diesen Schmerz dadurch in eine höhere Sphäre rückt und
jeden Schimmer von Lächerlichkeit verscheucht. Die Klassiker
des Ehebruchsdramas — die Franzosen — haben ihm
freilich schon stärkere Wirkungen geliehen, als er gestern
bei Schnitzler fand. Zeska war als verführerisches
Gegenspiel zu dem ernsthaften Grankopf durchaus an
seinem Platz. Das Stück ist reich an scharfpointirten,
gescheidten und sinnreichen Einfällen, interessant und
stimmungsvoll im Bau. Der Antor zeigt aber immer das
Bestreben, sich in Ueberraschungen zu überbieten und
Konflikte anzuhäufen. Auch in diesem Stücke kommt
immer wieder eine neue Enthüllung hinzu; dadurch
zerfällt die Einfachheit und die Harmonie in
ungleichwerthige Bruchstücke. Mit einem Schnitzler'schen
Ausflug auf das Gebiet des Humors schloß weniger er¬
freulich der Abend. „Groteske“ in einem Akt, nennt der
Verfasser die in der Pariser Revolutionszeit spielende dramati¬
sirte Anekdote vom Wirthshaus „Zum grünen Kakadu“
wo engagementloses Schauspielergefindel dem hohen Adel
in der Rolle von Spitzbuben und Verbrechern Possen vor¬
gankelt. Da verschwimmt nun Schein und Wirklichkeit
manchmal ineinander, und die vornehmen Herrschaften, die
dem Ulk zusehen, sind voll des Lobes über den Akteur
Henri, der als betrogener Ehemann und neuvermälter
Gatte einer Courtisane und Schauspielerin ergreifend
darstellt, wie er soeben den Liebhaber seiner jungen Frau,
einen Herzog, ins Jenseits befördert hat. Auch diese sehr
naturalistische Soloszene ist aber nur eine schauspielerische
Darbietung, die der Virtnose indes zur That werden läßt,
da er soeben die Nachricht erhält, daß seine leichtfertige
Schöne wirklich in den Armen des Herzogs lag. Er
tödtet ihn, soll im Namen des Gesetzes verhaftet werden,
aber inzwischen hat der Pöbel die Bastille gestürmt und
die Macht des Gesetzes an sich gerissen. — Die eigenartige
Komödie hat nicht so gut gefallen, wie das werthvollere
und in jedem Sinne schmackhaftere Mittelstück des
Abends; auch leidet der Einakter an überflüssigen Längen,
die mit Erzählungen und Schilderungen, Episoden=
werk und Anläufen, aus denen nichts wird, aus¬
gefüllt sind. Herr Sonnenthal spielte die
Hauptszene in der Schenke, zuerst als improvisirender:
Schauspieler, dann als wirklicher Rächer, ohne die
Wirkung, die er im vorangegangenen Stück erzeugte,
erreichen zu können. Sonst sind eine Menge Schau¬
spieler thätig, auf die alle nur ein Röllchen kommt,
und Herr Hartmann gab sogar die Karikatur eines
verliebten alten Gecken, eine Episode von minimalstems
Umfang. Man nahm auch den letzten Einakter nocht
gut auf und rief den Verfasser, der nach dem zweiten und
dritten Akt vor der Rampe erschien. Der Antor gehörts
nämlich nicht zu dem Tugendbund, den einige Wiener Autoren
zum Schutz gegen das Herausgerufenwerden — theilweise
in Ueberschätzung dieser sie persönlich bedrohenden Even¬
tualität — begründen zu sollen glaubten. p. r. 8.
Se