II, Theaterstücke 9, (Der grüne Kakadu. Drei Einakter, 3), Der grüne Kakadu. Groteske in einem Akt, Seite 394

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Ausschnitt aus:
Die Zeit, Wien
vom 4 MtZ 1895
Drei Einacter von Arthur Schnitzler.
Paracelsus, Schauspiel in einem Act. Die Gefährtin, Schauspiel in einem
Act. Der grüne Kakadn, Groteske in einem Act. Erstaufführung im k. k.
Hofburgtheater am 1. März 1899.
Die drei Einaeter, welche am 1. März 1899 im Burgtheater
zum erstenmale aufgeführt wurden, sind von demselben Dichter
und sind ihrem Umfange nach geeignet, zusammen einen Theater¬
abend zu füllen. Das, meine ich, erklärt und rechtfertigt vollständig
den Wunsch des Dichters und die Bereitwilligkeit des Directors,
aus ihnen auch thatsächlich einen Theaterabend zu machen. Und da
der Dichter selbst weder durch einen Gesammttitel, noch in anderer
Weise irgend einen innerlichen Zusammenhang angedeutet hat,
erachte ich mich auch der Aufgabe für enthoben, nach einem solchen
zu suchen, und zwar umsomehr, als man solche Zusammenhänge,
wenn man einmal anfängt, auf ihre Entdeckung auszugehen, in
jeder beliebigen Permutation sämmtlicher seit dem Sündenfalle der
ersten Menschen = im Paradies gab es noch keine Dramen — ge¬
schriebenen Stücke finden kann.
Das wirklich innere Gemeinsame der drei Einacter liegt eben
darin, dass sie alle drei von Arthur Schnitzler sind, einem Wiener=
Dichter, der nicht nur über eine starke Begabung verfügt, sondern
der auch mit rastlosem Eifer und wachsamer Strenge gegen sich an
seiner künstlerischen Fortbildung arbeitet. Ja, wenn auch in jedem
der drei Stücke zufällig ein wirklich erfolgter oder doch als möglich
gedachter Ehebruch in irgend einer Weise eine Rolle spielt, so
nehme ich doch keinen Anstand, offen zu sagen, dass trotzdem allen
dreien ein sittlicher Ernst zugrunde liegt. Denn nicht der Gegen¬
Für
stand der Darstellung, sondern die Art derselben ist entscheidend
für den sittlichen oder unsittlichen Charakter eines Kunstwerkes.
„Ihr seid ein Gesindel, meine lieben, verehrten Mitmenschen,“
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sagt Arthur Schnitzler. Das hören nun die Leute ganz gerne, wenn
man die lieben, verehrten Anwesenden ausnimmt. Wenn uns aber
Abon
der Dichter Situationen und Charaktere vorführt, wie sie auch bei
Abon
den lieben, verehrten Anwesenden vorkommen können, dann sind
viele Leute beleidigt und sagen, das ist ein unmoralisches Stück,
das ist ein unmoralischer Autor. Sie genießen mit Vergnügen die
schlüpfrigsten Ehebruchskomödien, wenn sie sehen, man will sie nur
kitzeln und amüsieren; sie sind aber moralisch indiguiert, wenn die
Sache einen ernsteren Hintergrund hat, wenn man an dem schön
drapierten Faltenwurf des zur allgemeinen Bürgeruniform ge¬
hörigen Tugendmantels rührt und die Hülle etwas zu lüften
versucht.
Da haben wir gleich das erste Stück, den „Paracelsus“.
An sich vielleicht nur eine niedliche Kleinigkeit. Etwas befremdend
vielleicht durch die Einführung des Hypnotismus und der Sug¬
gestion, nicht deshalb etwa, weil man zweifelt, ob zu Paracelsus
Zeiten derlei bekannt und möglich war, sondern weil die Meisten
in derlei animistisch=spiritistischen Dingen auch heute noch sich
skeptisch verhalten. Aber gerade dort, wo die Möglichkeit eines
Fehltrittes in die Seele einer als brav und tugendhaft geschilderten
Frau hereinlugt, gerade dort liegt im Stück der gesunde, ja mora¬
lische Kern des Ganzen. Nicht jene Stelle meine ich, wo Justina
im Banne der Hypnose sich fälschlich begangener Untreue zeiht:
dessen bedarf der Dichter nur als Folie für die zweite Suggestion,
für die zwangsweise Erschließung der Seele zur Wahrheit. Aber
wenn wir einmal tugendhaft gehandelt haben, so sind wir so hoch¬
müthig, dass wir in dem ausgesprochenen Gedanken, es hätte auch
anders kommen können, eine Beleidigung erblicken. So tief steckt
die Frende an der äußeren Werkheiligkeit in uns, dass wir unsere
Tugend nur als unser Verdienst betrachten und nichts davon hören
wollen, dass Erziehung, Umgang, tausend Aeußerlichkeiten an ihr
Theil haben, dass es vielleicht nur eines Zufalles bedurft hätte, sie
tlägli
Fall bringen 9###
ist der Mensch.
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