4. Marz 1839.
Seite 13.
Fremden-Slatt.
Nr. 63.
Wjen, Samstag
memnt: in seiner Gatenchre gekrint. Dies ist sehenfalse die
Unterströmung in seiner Seele. Die Oberströmung bleibt in der
Feuilleton.
Rolle, die er von Anfang an gespielt; er redet sich ein,
7a
6
fühlen. „Also nicht zur
die Kränkung seiner Frau
Burgtheater.
Geliebten, zu Deiner Dirne hast Du sie gemacht?“ Angeekelt weist
(„Paracelsus“, „Die Gefährtin“, „Der grüne Kakadu“ von
er ihm die Thüre. Im Abgehen sagt Dr. Hausmann: „Auch hierauf
Arthur Schnitzler.)
gäbe es vielleicht eine Antwort.“ Aber er ist Gentleman und gibt sie
Drei einaktige Schauspiele, aber keine äußerlich zusammengeheftete
nicht. Olga gibt sie. Der Professor, immer noch in der Rolle, meint,
Trilogie, wie „Morituri“ und ähnliche Massenzuspitzungen auf die
es sei ein Glück, daß die Frau nicht geahnt, was sie für den Verführer
nämliche Pointe. Das Trilogische liegt bei den Einaktern Schnitzler's
gewesen. „Nicht geahnt? Sie hat es gewußt,“ sagt Olga. Dem Professor
tiefer innen. Alle drei Male belauscht der Dichter das Gelüste des
geht es, wie dem abstürzenden Bergsteiger, der mitten im Sturz an
Weibes. Zuerst das verschämte, das sich von der Sitte noch bändigen
einer Felszacke aufschlägt und dann weiterfällt, ins Tiefste der Schlucht
läßt; dann das bewußt fordernde, das aber immerhin noch die äußere
hinab. Zwei Stürze in einem. Darauf war Professor Pilgram nicht
gesellschaftliche Form glaubt wahren zu sollen; zuletzt das rücksichtslose,
gefaßt. Er hatte sich sein Unglück so hübsch bequem, ja fast schmeichelhaft
den gemeinen Trieb, der sich selbst am vergossenen Blute nur neu ent¬
psychologisirt, sich förmlich als edel duldenden Märtyrer der Korrektheit
zündet. Eine Tendenz hat der Dichter dabei keineswegs. Er entschuldigt
gefühlt, und zwar einer höheren Korrektheit, als sie so in der Alltags¬
nicht und rügt nicht. Er zeigt eine Seite des menschlichen Lebens, die
gesellschaft herumläuft. Der Korrektheit eines Menschen, der von einer
man in einer biedereren Zeit zu bemänteln pflegte, einfach wie
hohen Warte persönlicher Sittlichkeit auf alle anderen Korrektheiten
sie ist. Das wird grausam, wie alle Natur; haben doch be¬
niederschaut. Und nun muß er hören, daß er ein Narr war, der die
kanntlich sogar die Wohlthaten der Natur Mißhandlungen zur Kehr¬
kleinen, zwischen Adam und Eva alltäglichen Erscheinungen überschätzt
seite, da alles Gedeihen aus einem Verderben hervorgeht. Aber
hat. Tragisch genommen, was jenen Beiden niemals Kopfweh, noch
die Grausamkeit thut dem Zuschauer weniger weh, denn
Herzweh gemacht hat. Hat er sie nicht sogar freigeben wollen,
ist die befugte Sorte. Die ganze gebildete Welt hat sich ihr
damit sie ihrem Alfred für immer angehören könne? Als ob sie das
bequemt, als! einer leidlich bequemen Form, noch unangenehmeren
ungenommen hätten. Sie waren ja ganz zufrieden, so wie sie es
Dingen zu entgehen. Wirkliche Lösungen gibt es ja in den menschlichen
hatten. „Die Freiheit, die sie wollten, haben sie gehabt“, sagt Olge.
Fragen nicht; es gibt nur Klebemittel, Pflästerchen, Abfindungen und
Er soll sich kein Schicksal einbilden, „das diese Frau gar nicht erleiden
einen Wechselverkehr von Latitüden, die man sich gegenseitig gewährt.
konnte, weil das Leben so leicht für sie war, wie Menschen Ihrer
Sie stillschweigend zu gewähren, gilt als das Korrekte. Dies mündlich
Art gar nicht begreifen können.“
Sehr nachdenklich steht der
zu thun, wäre unzart; wer es gar schriftlich thäte, wäre disqualifizirt.
Professor da, allein im öden Zimmer. Sehr vor die Stirne geschlagen,
Wer kein Wilder sein will, muß so weit „Philosoph für die Welt“
und vor die Brust. Er hält dieses nunmehr abgeschlossene Erlebniß
sein, daß er einen Gesichtswinkel findet oder sich erringt, unter dem
gleichsam in der Hand, wie einen Gegenstand, mit dem er noch nichts
das innerlich Anständige und das äußerlich Korrekte, die sich ja niemals
anzufangen weiß. Er wirft den Kranz auf jenen Schreibtisch, in dem
decken, für ihn scheinbar doch zusammenfallen. Gelingt ihm dies nicht,
jene Briefe nun wieder liegen. Fast möchte man ihm rathen, den Tisch
so steht er lächerlich da, wie Professor Robert Pilgram in dem Schau¬
mit alledem als Denkmal auf „ihr“ Grab stellen zu lassen, aber man
spiel: „Die Gefährtin.“ Seine einzige Genugthuung dabei wird sein,
thut es doch nicht. Es ist ja so wahr, für diese ganze Sorte von
daß er zwar lächerlich ist, daß man aber doch nicht lacht. Es fühlt
Fragen, was Dr. Hausmann gesagt hat: „Auch hierauf gäb'
eben jeder Zuschauer eine leise Warnung, daß auch für ihn Umstände
vielleicht eine Antwort.“ Der
rofessor wird morgen Früh abreisen.
kommen können, unter denen er ebenso lächerlich werden muß.
Einstweilen bleibt dieses Zimmer verschlossen. „Dann geht er zur
Uebrigens ist „Die Gefährtin“ das einzige der drei Stücke, in
Thüre links, das Licht in der Hand; an der Thüre bleibt
dem der Ernst ernsthaft ist. Die anderen beiden sind eher geistreiche
er stehen, wendet sich um, betrachtet das ganze Zimmer noch
Spielereien, das erste poetisch angelegt, das letzte romantisch pointirt
einmal. Er athmet tief, lächelt dann wie befreit, geht ab;
„Die Gefährtin“ ist ein kleines Meisterstück. Mit einer Knappheit, die
man hört ihn zusperren. Das dunkle Zimmer bleibt eine Weile leer,
kaum eine halbe Stunde füllt, weiß der Dichter ein wohlausgestattetes
dann fällt der Vorhang.“ Er fällt natürlich langsam, so gewiß nach¬
Menschenschicksal vor uns abrollen zu lassen. Eine vornehme Resignation,
denklich. Wenn er die Achseln zucken könnte, thäte er's ver¬
muthlich auch.
die sich auch ihrer Vornehmheit bewußt ist, wird durch die Erkenntniß,
Das Alles ist vorzüglich gemacht. Die Thatsachen in ihrer Wahr¬
wie überflüssig sie war, ad absurdum geführt. Diese kleine Tragi¬
komödie der Selbsttäuschung, eigentlich eine Novelle, die sie auch
haftigkeit sind grausam, aber die vornehme Darstellungsweise mildert
ursprünglich war, ist mit großem Geschick auf die Bühne gestellt. Der
stark. Keinen Augenblick hat man das Gefühl, daß eine triviale Sen¬
Dichter weiß den inneren Spannungen mit den einfachsten Mitteln
sation beabsichtigt ist. Dazu nun die Sicherheit in der Verwendung
aller stimmenden Mittel, das absolute Klappen jeder Einzelheit. So hat
ihre äußere Wirksamkeit zu geben. Wendung auf Wendung, Schlag auf
Schlag, aber ohne viel Aufsehen. Eine ernsthafte Bluette.
man vom Anfang bis zum Ende den Eindruck des Kunstwerks. Die
Professor Pilgram hat soeben seine Frau begraben. Sie ist so
Darstellung trug redlich bei, diesen Eindruck zu steigern. Herr
Sonnenthal, der ja schon den Professor in Glück im Winkel“
plötzlich gestorben, daß die Leute sich wundern, wie gefaßt er den
Schlag trägt. Er weiß schon, warum. Aber auch Frau Olga, die ver¬
so gut gespielt, machte auch diese andere Abart des Typus vollkommen
traute Freundin der Seligen, weiß es, warum sie kommt und ihn
lebendig. Die besten Eigenschaften seiner jetzigen Kunst fanden darin
bittet, er möge ihr ein Päckchen Briefe delikaten Inhalts aus dem
Raum. Vortrefflich waren auch Herr Zeska in der unangenehmen
Schreibtisch der Frau herausgeben. Ihre (Olga's) Briefe, sagt sie, um
Rolle des Dr. Hausmann, und Frl. Bleibtreu als Olga. Alle
den Schein auf sich zu nehmen. Er gibt sie ihr, obgleich er weiß, daß
diese Dinge wollen mit so feinen Fingern angefaßt sein.
es Briefe seines Assistenten Hausmann sind. Er weiß ja Alles. „Sie
Die selige Frau Professor Pilgram ist übrigens dieselbe kleine
war jung und ich war alt, das ist die ganze Geschichte." Er muß
Eva, wie die hochehrbare Frau Justina in „Paracelsus“ und die Schau¬
schon froh sein, duß er etwa zwei Jahre des Glückes mit ihr genossen.
spielerin Leokadie im „Grünen Kakadu“. Nur gehören sie verschiedenen
Seitdem hat er still zugesehen, so durch die geschlossenen Augenlider.
Jahrhunderten und Ständen an, haben auch verschiedene Temperamente
Er hat das getragen, wie man das auf seiner geistigen und sittlichen
und Erziehungen. „Everv woman is at heart a rake,“ sagt der alte
Höhe trägt. Er ist augenscheinlich stolz auf die Noblesse seiner Re¬
Pope in einem etwas allgemein gestimmten Augenblick. Paracelsus hat
signation. Niemals haben sie gemerkt, daß er etwas gemerkt hat. Mit
den Basler Waffenschmied Cyprian zu bestrafen, weil er von ihm als
klassischer Gelassenheit hat er sich in das Verhängte gefügt. Nun, da sie
Quacksalber behandelt wird. Er hypnotisirt also dessen Frau Justina
todt ist, meint er, muß man sagen, das ist doch ein vernehmer Abschluß.
und suggerirt ihr, sie habe dem Junker Anselm, der ihr vergebens
Der Dichter zeichnet diese Pose vorzüglich. Wie sicher dieser gute
hofirt, wirklich angehört. Sie erwacht in reuiger Zerknirschung und
Professor mit seinen psychologischen Logarithmen rechnet. Wie er Alles
fleht ihren Gatten um Gnade an, obgleich der erstaunte Junker schwört,
hübsch kombinirt, damit er nur von der Untreue seiner Frau nicht be¬
daß er leider keineswegs das Glück gehabt. So natürlich ist ihre Reue,
leidigt zu sein brauche. „Sie war zur Geliebten geboren, nicht zur
daß Paracelsus selbst nicht mehr weiß, wo seine Suggestion aufhört
Gefährtin.“ Einer solchen Naturkraft gegenüber ist selbst der Stärkste
und vielleicht eine wirkliche Verschuldung anfängt. „Ein Zaub'rer nur
entschuldigt. Da pfeift in der Ferne eine Lokomotive, Dr. Hausmann
bin ich, sie ist ein Weib,“ sagt er, ganz im Sinne des Schnitzler dieses
trifft aus Ostende ein; seinen Kranz hat er schon früher geschickt. Drei
Abends. Er muß sie nochmals in Hypnose versetzen und ihr auftragen,
genirte Menschen sprechen um einander herum. Der Assistent will
fortan blos die wahrste Wahrheit zu sagen. Sie gehorcht und, du
trösten, den Professor mitnehmen nach Ostende, zu „uns“ Er hat sich
lieber Himmel, was kommt da Alles heraus. Daß der Junker bei seinem
nämlich in jenem Seebade verlobt. Der Professor ist verdutzt, dann
nächsten Sturm sie doch gewonnen hätte, und daß Paracelsus einst als
Student, der sie umwarb, nur aus Blödheit nicht ans Ziel gelangt ist.
empört „Und die da draußen?“ Er deutet zur Thüre hinaus, nach
dem Friedhof. Dieser Elende hat also nicht nur ihn mit seiner Frau
Ihr Gatte, der sich bisher sorglos ihres sicheren Besitzes gefreut, muß
betrogen, sondern auch seine Frau mit einer Anderen! Also war keine
selbst noch von der tief Zerknirschten das Versprechen, daß sie fortan
brav sein werde, in dieser naiven Form hören: „Als treues
unwiderstehliche Leidenschaft im Spiel. Also fällt für den Professor
jener Entschuldigungsgrund, der ihn persönlich entlastet, hinweg. Also
Weib kann ich Dir ferner in die Augen schauen; wenn Du mich
darf und muß er jetzt vorschriftsmäßig.entrüstet sein; was man so hütest, kannst Du mir vertrauen.“
Seite 13.
Fremden-Slatt.
Nr. 63.
Wjen, Samstag
memnt: in seiner Gatenchre gekrint. Dies ist sehenfalse die
Unterströmung in seiner Seele. Die Oberströmung bleibt in der
Feuilleton.
Rolle, die er von Anfang an gespielt; er redet sich ein,
7a
6
fühlen. „Also nicht zur
die Kränkung seiner Frau
Burgtheater.
Geliebten, zu Deiner Dirne hast Du sie gemacht?“ Angeekelt weist
(„Paracelsus“, „Die Gefährtin“, „Der grüne Kakadu“ von
er ihm die Thüre. Im Abgehen sagt Dr. Hausmann: „Auch hierauf
Arthur Schnitzler.)
gäbe es vielleicht eine Antwort.“ Aber er ist Gentleman und gibt sie
Drei einaktige Schauspiele, aber keine äußerlich zusammengeheftete
nicht. Olga gibt sie. Der Professor, immer noch in der Rolle, meint,
Trilogie, wie „Morituri“ und ähnliche Massenzuspitzungen auf die
es sei ein Glück, daß die Frau nicht geahnt, was sie für den Verführer
nämliche Pointe. Das Trilogische liegt bei den Einaktern Schnitzler's
gewesen. „Nicht geahnt? Sie hat es gewußt,“ sagt Olga. Dem Professor
tiefer innen. Alle drei Male belauscht der Dichter das Gelüste des
geht es, wie dem abstürzenden Bergsteiger, der mitten im Sturz an
Weibes. Zuerst das verschämte, das sich von der Sitte noch bändigen
einer Felszacke aufschlägt und dann weiterfällt, ins Tiefste der Schlucht
läßt; dann das bewußt fordernde, das aber immerhin noch die äußere
hinab. Zwei Stürze in einem. Darauf war Professor Pilgram nicht
gesellschaftliche Form glaubt wahren zu sollen; zuletzt das rücksichtslose,
gefaßt. Er hatte sich sein Unglück so hübsch bequem, ja fast schmeichelhaft
den gemeinen Trieb, der sich selbst am vergossenen Blute nur neu ent¬
psychologisirt, sich förmlich als edel duldenden Märtyrer der Korrektheit
zündet. Eine Tendenz hat der Dichter dabei keineswegs. Er entschuldigt
gefühlt, und zwar einer höheren Korrektheit, als sie so in der Alltags¬
nicht und rügt nicht. Er zeigt eine Seite des menschlichen Lebens, die
gesellschaft herumläuft. Der Korrektheit eines Menschen, der von einer
man in einer biedereren Zeit zu bemänteln pflegte, einfach wie
hohen Warte persönlicher Sittlichkeit auf alle anderen Korrektheiten
sie ist. Das wird grausam, wie alle Natur; haben doch be¬
niederschaut. Und nun muß er hören, daß er ein Narr war, der die
kanntlich sogar die Wohlthaten der Natur Mißhandlungen zur Kehr¬
kleinen, zwischen Adam und Eva alltäglichen Erscheinungen überschätzt
seite, da alles Gedeihen aus einem Verderben hervorgeht. Aber
hat. Tragisch genommen, was jenen Beiden niemals Kopfweh, noch
die Grausamkeit thut dem Zuschauer weniger weh, denn
Herzweh gemacht hat. Hat er sie nicht sogar freigeben wollen,
ist die befugte Sorte. Die ganze gebildete Welt hat sich ihr
damit sie ihrem Alfred für immer angehören könne? Als ob sie das
bequemt, als! einer leidlich bequemen Form, noch unangenehmeren
ungenommen hätten. Sie waren ja ganz zufrieden, so wie sie es
Dingen zu entgehen. Wirkliche Lösungen gibt es ja in den menschlichen
hatten. „Die Freiheit, die sie wollten, haben sie gehabt“, sagt Olge.
Fragen nicht; es gibt nur Klebemittel, Pflästerchen, Abfindungen und
Er soll sich kein Schicksal einbilden, „das diese Frau gar nicht erleiden
einen Wechselverkehr von Latitüden, die man sich gegenseitig gewährt.
konnte, weil das Leben so leicht für sie war, wie Menschen Ihrer
Sie stillschweigend zu gewähren, gilt als das Korrekte. Dies mündlich
Art gar nicht begreifen können.“
Sehr nachdenklich steht der
zu thun, wäre unzart; wer es gar schriftlich thäte, wäre disqualifizirt.
Professor da, allein im öden Zimmer. Sehr vor die Stirne geschlagen,
Wer kein Wilder sein will, muß so weit „Philosoph für die Welt“
und vor die Brust. Er hält dieses nunmehr abgeschlossene Erlebniß
sein, daß er einen Gesichtswinkel findet oder sich erringt, unter dem
gleichsam in der Hand, wie einen Gegenstand, mit dem er noch nichts
das innerlich Anständige und das äußerlich Korrekte, die sich ja niemals
anzufangen weiß. Er wirft den Kranz auf jenen Schreibtisch, in dem
decken, für ihn scheinbar doch zusammenfallen. Gelingt ihm dies nicht,
jene Briefe nun wieder liegen. Fast möchte man ihm rathen, den Tisch
so steht er lächerlich da, wie Professor Robert Pilgram in dem Schau¬
mit alledem als Denkmal auf „ihr“ Grab stellen zu lassen, aber man
spiel: „Die Gefährtin.“ Seine einzige Genugthuung dabei wird sein,
thut es doch nicht. Es ist ja so wahr, für diese ganze Sorte von
daß er zwar lächerlich ist, daß man aber doch nicht lacht. Es fühlt
Fragen, was Dr. Hausmann gesagt hat: „Auch hierauf gäb'
eben jeder Zuschauer eine leise Warnung, daß auch für ihn Umstände
vielleicht eine Antwort.“ Der
rofessor wird morgen Früh abreisen.
kommen können, unter denen er ebenso lächerlich werden muß.
Einstweilen bleibt dieses Zimmer verschlossen. „Dann geht er zur
Uebrigens ist „Die Gefährtin“ das einzige der drei Stücke, in
Thüre links, das Licht in der Hand; an der Thüre bleibt
dem der Ernst ernsthaft ist. Die anderen beiden sind eher geistreiche
er stehen, wendet sich um, betrachtet das ganze Zimmer noch
Spielereien, das erste poetisch angelegt, das letzte romantisch pointirt
einmal. Er athmet tief, lächelt dann wie befreit, geht ab;
„Die Gefährtin“ ist ein kleines Meisterstück. Mit einer Knappheit, die
man hört ihn zusperren. Das dunkle Zimmer bleibt eine Weile leer,
kaum eine halbe Stunde füllt, weiß der Dichter ein wohlausgestattetes
dann fällt der Vorhang.“ Er fällt natürlich langsam, so gewiß nach¬
Menschenschicksal vor uns abrollen zu lassen. Eine vornehme Resignation,
denklich. Wenn er die Achseln zucken könnte, thäte er's ver¬
muthlich auch.
die sich auch ihrer Vornehmheit bewußt ist, wird durch die Erkenntniß,
Das Alles ist vorzüglich gemacht. Die Thatsachen in ihrer Wahr¬
wie überflüssig sie war, ad absurdum geführt. Diese kleine Tragi¬
komödie der Selbsttäuschung, eigentlich eine Novelle, die sie auch
haftigkeit sind grausam, aber die vornehme Darstellungsweise mildert
ursprünglich war, ist mit großem Geschick auf die Bühne gestellt. Der
stark. Keinen Augenblick hat man das Gefühl, daß eine triviale Sen¬
Dichter weiß den inneren Spannungen mit den einfachsten Mitteln
sation beabsichtigt ist. Dazu nun die Sicherheit in der Verwendung
aller stimmenden Mittel, das absolute Klappen jeder Einzelheit. So hat
ihre äußere Wirksamkeit zu geben. Wendung auf Wendung, Schlag auf
Schlag, aber ohne viel Aufsehen. Eine ernsthafte Bluette.
man vom Anfang bis zum Ende den Eindruck des Kunstwerks. Die
Professor Pilgram hat soeben seine Frau begraben. Sie ist so
Darstellung trug redlich bei, diesen Eindruck zu steigern. Herr
Sonnenthal, der ja schon den Professor in Glück im Winkel“
plötzlich gestorben, daß die Leute sich wundern, wie gefaßt er den
Schlag trägt. Er weiß schon, warum. Aber auch Frau Olga, die ver¬
so gut gespielt, machte auch diese andere Abart des Typus vollkommen
traute Freundin der Seligen, weiß es, warum sie kommt und ihn
lebendig. Die besten Eigenschaften seiner jetzigen Kunst fanden darin
bittet, er möge ihr ein Päckchen Briefe delikaten Inhalts aus dem
Raum. Vortrefflich waren auch Herr Zeska in der unangenehmen
Schreibtisch der Frau herausgeben. Ihre (Olga's) Briefe, sagt sie, um
Rolle des Dr. Hausmann, und Frl. Bleibtreu als Olga. Alle
den Schein auf sich zu nehmen. Er gibt sie ihr, obgleich er weiß, daß
diese Dinge wollen mit so feinen Fingern angefaßt sein.
es Briefe seines Assistenten Hausmann sind. Er weiß ja Alles. „Sie
Die selige Frau Professor Pilgram ist übrigens dieselbe kleine
war jung und ich war alt, das ist die ganze Geschichte." Er muß
Eva, wie die hochehrbare Frau Justina in „Paracelsus“ und die Schau¬
schon froh sein, duß er etwa zwei Jahre des Glückes mit ihr genossen.
spielerin Leokadie im „Grünen Kakadu“. Nur gehören sie verschiedenen
Seitdem hat er still zugesehen, so durch die geschlossenen Augenlider.
Jahrhunderten und Ständen an, haben auch verschiedene Temperamente
Er hat das getragen, wie man das auf seiner geistigen und sittlichen
und Erziehungen. „Everv woman is at heart a rake,“ sagt der alte
Höhe trägt. Er ist augenscheinlich stolz auf die Noblesse seiner Re¬
Pope in einem etwas allgemein gestimmten Augenblick. Paracelsus hat
signation. Niemals haben sie gemerkt, daß er etwas gemerkt hat. Mit
den Basler Waffenschmied Cyprian zu bestrafen, weil er von ihm als
klassischer Gelassenheit hat er sich in das Verhängte gefügt. Nun, da sie
Quacksalber behandelt wird. Er hypnotisirt also dessen Frau Justina
todt ist, meint er, muß man sagen, das ist doch ein vernehmer Abschluß.
und suggerirt ihr, sie habe dem Junker Anselm, der ihr vergebens
Der Dichter zeichnet diese Pose vorzüglich. Wie sicher dieser gute
hofirt, wirklich angehört. Sie erwacht in reuiger Zerknirschung und
Professor mit seinen psychologischen Logarithmen rechnet. Wie er Alles
fleht ihren Gatten um Gnade an, obgleich der erstaunte Junker schwört,
hübsch kombinirt, damit er nur von der Untreue seiner Frau nicht be¬
daß er leider keineswegs das Glück gehabt. So natürlich ist ihre Reue,
leidigt zu sein brauche. „Sie war zur Geliebten geboren, nicht zur
daß Paracelsus selbst nicht mehr weiß, wo seine Suggestion aufhört
Gefährtin.“ Einer solchen Naturkraft gegenüber ist selbst der Stärkste
und vielleicht eine wirkliche Verschuldung anfängt. „Ein Zaub'rer nur
entschuldigt. Da pfeift in der Ferne eine Lokomotive, Dr. Hausmann
bin ich, sie ist ein Weib,“ sagt er, ganz im Sinne des Schnitzler dieses
trifft aus Ostende ein; seinen Kranz hat er schon früher geschickt. Drei
Abends. Er muß sie nochmals in Hypnose versetzen und ihr auftragen,
genirte Menschen sprechen um einander herum. Der Assistent will
fortan blos die wahrste Wahrheit zu sagen. Sie gehorcht und, du
trösten, den Professor mitnehmen nach Ostende, zu „uns“ Er hat sich
lieber Himmel, was kommt da Alles heraus. Daß der Junker bei seinem
nämlich in jenem Seebade verlobt. Der Professor ist verdutzt, dann
nächsten Sturm sie doch gewonnen hätte, und daß Paracelsus einst als
Student, der sie umwarb, nur aus Blödheit nicht ans Ziel gelangt ist.
empört „Und die da draußen?“ Er deutet zur Thüre hinaus, nach
dem Friedhof. Dieser Elende hat also nicht nur ihn mit seiner Frau
Ihr Gatte, der sich bisher sorglos ihres sicheren Besitzes gefreut, muß
betrogen, sondern auch seine Frau mit einer Anderen! Also war keine
selbst noch von der tief Zerknirschten das Versprechen, daß sie fortan
brav sein werde, in dieser naiven Form hören: „Als treues
unwiderstehliche Leidenschaft im Spiel. Also fällt für den Professor
jener Entschuldigungsgrund, der ihn persönlich entlastet, hinweg. Also
Weib kann ich Dir ferner in die Augen schauen; wenn Du mich
darf und muß er jetzt vorschriftsmäßig.entrüstet sein; was man so hütest, kannst Du mir vertrauen.“