II, Theaterstücke 9, (Der grüne Kakadu. Drei Einakter, 3), Der grüne Kakadu. Groteske in einem Akt, Seite 416

der immer Details meisterhaft geschaut und geschildert, der stets
ein großes dramatisches Talent gezeigt hat, ist tiefer, ernsthafter,
allmenschlicher geworden. Er hat seine Kunst losgerungen vom
Milien der Cocotten= und Grisettenquartiere, in die er seine An¬
seher mit Vorliebe führte, er hat sich zu Höherem, nicht nur in
höhere Kreise, sondern auch zu höheren psychischen Aufgaben
emporgeschwungen.
„Kinderlose Ehen“ könnte man die drei Mittwoch im Hof¬
burgtheater mit wohlverdientem Erfolge gegebenen Einakter „Para¬
celsus“, „Die Gefährtin" und „Der grüne Kakadu“
gemeinsam betiteln. Denn in allen drei Drama=Kleinigkeiten erzählt
der Dichter vom Unbefriedigtsein kinderloser Eheleute, von jener
psychischen und auch physisch ermüdenden Leere des Menschen¬
bewußtseins, die Ibsen in seinem „Baumeister Solneß“ mystisch¬
behandelt hat. Im Mittelstücke, in der „Gefährtin“, deutet Schnitzler
dies mit geistreicher Schärfe an. In zwei Jahren nach der Hochzeit
so läßt er den hochsinnigen Professor Pilgram bemerken —
der Duft der Liebesmaienzeit in jeder Ehe verflogen, und es steht
schlimm um die kinderlose Gattin, wenn sie nicht des Mannes
Gefährtin, im erhabensten Sinne dieses Wortes, wird. Aber Wenige
unter den Frauen nur sind angelegt, des Mannes Gejährtin werden
zu können. Sie suchen Befriedigung außerhalb des Mannes, dessen
sie überdrüssig geworden sind, sie werden zu faktischen oder auch
nur psychischen Ehebrecherinnen, wie eine solche die vom Wunder¬
doctor Paracelsus seelisch entschleierte Justina im ersten Dramolet ist.
Kinderlose Ehe
für Viele, Ueberviele der Grund zum
Unglück. Im Volke rufen die Frauen ihre Männer, wenn die Ehe
mit Kindern gesegnet ist. „Vater“ die Männer ihre Gattinnen!
„Mu#ter“ Dieser Gebrauch ist psychologisch wahr. Denn Er
seiner Fran nicht wehr der geliebte Gatte. Er ist ihr der Vater
Süchter geworden. Die Braui aber un¬
einstmals ist dr
#mber des Beäuninams vom Hochzeits
tage. Eine schönere Myrthe Als die weißblühende, grüne des
Teauungstranges, die Mhrche der Titernschan. verbindet die Beiden
in ewig wechselnder Neuheit. Gemeinsame Sorgen, geweinsaut
Freuden um und an den Kindern schlingen die Bande enger, aus
in der Mmienzeit des ersten Eheiebens es Liebe und Sinnenlustt
im Stande waren. Mit den Kindern wächst dies uemeinsame
Fühlen für die Kinder in die Höhe, es erfüllt die Bra#tleuter
von dumals, es ist die Lebensaufgabe, die Erfüllung der ewigsten
Sehnsucht. Drei ist eine beglückendere Zehl als Zwei; Fides und
Spes sind pichtig ohne Charitas, die in der Gestalt eines blonhe,
dunklen Kindchens erscheint und die gbrtlichen Tugenben
vollzählig macht. „Mit dem Gürtel, mit dem Schleier reißt der
schöne Wahn entzwei“ — aber dieser schöne Wahn wird von
Eheleuten, die Kinder besitzen, nicht vermißt.
Ohne diesen schönen Wahn, ohne einen vollwerthigen Ersatze
für diesen, leben die Eheleute dahin, die uns Schnitzler in den
drei neuen Einaktern vorführt. Cyprian (Herr Krastel) und¬
Justina Frau Schratt), der eben verwitwete Professor Pilgrams
Herr Sonnenthal), Henri (gleichfalls W sier Sonnenthal)
und Leokabie (Frl. Witt), sie alle sind ie lücklich geworden,
weil sie kinderlos sind. Justina sündigt in Gebenken, die unglaub¬
lich leichtfertige Gattin des Professors hat ihr Un befriehigtsem
in eitler Sinnenlust ertränken wollen und ist an Verzschlag ge¬
storben, Leocadie aber gibt ihrem Gatten wolsste Ursache zur
Eifersucht und freut sich innerlich der wahren und gehenchelten
Qualen desselben. Soprian ist ein gleichgiltiger Biederling ge¬
worden, Pilgram fählt sich durch den Tod Evelineus wie von
einem Alp erlöst, und Heuri gefällt sich in der Rolle des benga¬
lischen Tigerthieres
Die Darstellung zeigte, daß das Hofburgtheater, trotz allem
Gefasel und Geschreibsel seiner Widersacher immer noch die erste
deutsche Bühne ist. Man bekam da eine ganze Reihe von Muster¬
stücken vornehmst ciselirter Darstellungskunft zu sehen. Allen voran
sei Sonnenthal genannt, dessen Professor Pilgram fortab¬
zu den Glanzrollen des beruhmten Meisters gezählt werden muß:
glaubwürdig zum Herzen sprechen, edelsten Sinn mimen kann
Keiner so universell menschlich als er. Frau Schratt war eine
Uungemein sympathische Justina. Herr Robert gab den Paracelsus
mit eigenen dämonischen Streiflichtern, Herr Krastel den
Cyprien im Banmeister=Styl. Mit wohlthuender Bestimmtheit und
Ruhe sprach Frl. Bleibtrei die Olga Meerholm. Im reichen
Roltenkaleidoskop des „grünen Kakadu“ bewährten sich Frl. Witt,
Fran Witlerwurzer, die Herren Ha#
Thimig,
& Gimuig und Zesfa auf's Neue
Auch
Haeberle wächst immer mehr ins Audgtheater =Ensempten
hinein. Weniger befriedigen konnten Herr Frank. Herr Treßler
und Fel. Brion. Es war ein für Liebhber psychologischer
dien sehr interessanter Abend, der voraussichtlich zahlreiche
Ferholungen siuden burd