II, Theaterstücke 9, (Der grüne Kakadu. Drei Einakter, 3), Der grüne Kakadu. Groteske in einem Akt, Seite 419

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9.4. DerBrnche Kakadu#klus

Teleion 12801.
Ausschnitt
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte.
Nr. 26
„OBSERVER“
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Wien, IX/1 Türkenstrasse 17.
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Die Wage, Wien.
Ausschnitt aus:
vom K MRZ.1899
Rudolph Lothar.
Der Einacter.
Der Einacter ist ein dramatisches Aphorisma.
Er ist die seenische Verkörperung eines Gedankens. Zur
Verkörperung eines Gedankens bedarf aber der Dichter handelnder
Menschen. In der Handlung, die zwischen den Menschen auf der
Bühne sich abspielt, offenbart sich ihr Charakter. Aus dem Zu¬
sammenstoß der Charaktere springt die Idee des Stückes. Nicht
das Geschehen, das Handeln allein ist dramatisch. Necht der Vor¬
gang erweckt unser Interesse, sondern sein Warum und Weil.
Dieses Warum und Weil ist die psychologische Motivirung.
Jeder dramatische Gedanke ist im Grunde genommen eine
psychologische These. Zu ihrer Entwicklung ist aber eine gewisse
Zeit erforderlich. Im Einacter ist diese Zeit auf ein Minimum
beschränkt. Der Dichter muß mit Verkürzungen, mit sich über¬
schneidenden Linien arbeiten; das beeinträchtigt nicht selten die
Glaubwürdigkeit des Vorganges. Häuft er aber die Vorgänge,
ohne der Motivirung den genügenden Raum zu gewähren, so
#geräth er in die Gesolaschaft jener erassen Gewaltspoeten, die
in Verga, dem Dichter der „Cavalleria rusticana“, ihren jüngsten
Führer gefunden haben. Denn man darf den Einfluß des
Cavalleria=Rummels auf unsere Literatur nicht unterschätzen.
Auch in Schnitzler's „Grünem Kakadu“ ist er zu spüren. Der
Par
Gegenpol der italienischen Messercomödic ist das Maeterlinck'sche
Stimmungsbild. Hier ist der Vorgang fast aus dem Bildkreise
900
der Bühne herausgerückt. Die psychologische Motivirung liegt
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weniger im Innern der Menschen als in den sie umgebenden !##
1.
Dingen. Auch die Menschen in ihrer Function als Umwelt
Abonin
wirken gegenständlich. Aus der Psychologie der Umgebung wächst
Abonm
der Gedanke des Dichters heraus Und dieser Gedanke ergreift
uns, indem er uns in den Bann des Milieus zieht kraft der
Stimmung, die der Dichter uns mittheilt. Ich möchte diese
Stimmungskunst mit einem Durchleuchten der Menschen von
außen vergleichen. Es ist, als ob die Dinge auf der Bühne
ein Licht ausstrahlten, das durch die Menschen dringt.
Und Stimmung zu geben scheint mir der eigentliche Zweck
des Einacters zu sein. Macterlinck hat künstlerisch Verga gegen¬
über Recht. Aus seinen kleinen Dramen ließe sich eine Dra¬
maturgie des Einacters am besten entwickeln. Wenn man alle
der Literatur durchgeht
Einmnr
und —das ist nicht allzu¬
wer, d
Einacter ist kaum etwas über hundert Jahre
alt, die
#inactig gegebenen griechischen Tragödien und
Spiel
dramatische Werke ohne Acteintheilung überhaupt
und
aus keine Einaeter in unserem Sinne —, wenn man
also alle Einacter der Literatur durchgeht, wird man finden, daß
ihr poetischer Werth immer im Stimmungsgehalte lag. Sogar
die Schicksalsdramatiker, die Werner und Müllner erreichten
ihre Wirkung durch die Stimmung, die über ihren gewaltsamen
Einaetern lag („Der 24. Februar“ von Werner, „Der 29. Fe¬
bruar“ von Müllner). Und dient nicht auch der leichte, heitere
französische Schwankeinacter, der lever du rideau dazu, die
fröhliche Stimmung im Hause zu erwecken? Im Ausnützen der
komischen Stimmung der Situationsstimmung, wie ich sie nennen
möchte, sind die Franzosen Meister.
Durch den starken Gehalt an Stimmungsreizen bekommt
der Einacter, der höhere Ansprüche erhebt, als den Gaumen zu