II, Theaterstücke 9, (Der grüne Kakadu. Drei Einakter, 3), Der grüne Kakadu. Groteske in einem Akt, Seite 495

9 4. Der gruehe kakadu zukins
Theater ##
(Bürgtheater.) „Paracelsus“, „Die Ge¬
Ffährtin“, Der grüme Kakadu“ von Arthur
*Schnitzler. Man thut den drei Acten Schnitzler's unrecht,
wenn man sie keiner gemeinsamen Idee beschuldigt. Sie haben
nämlich eine, die an Beliebtheit und Popularität nichts zu
wünschen übrig läßt: Den Ehebruch. Der erste Ehebruch
stammt aus dem 16. Jahrhundert und betrifft den armen,
alten Paracelsus, dessen Frau sich beständig einbildet, die Ehe
gebrochen zu haben. Unsuggerirt gesteht sie aber zu, daß sie
sich mit diesem Phantom nur liebevoll beschäftigt hat. Die Ge¬
schichte endet sehr friedlich. Der geträumte Ehebrecher erhält,
zur Strafe die Schwester des Paracelsus zum Weibe. — Der
zweite Ehebruch hat sich schon lange vor dem zweiten Einacter
Schnitzle 's zugetragen. Die Frau Professor hat es niemals
verstanden, ihrem Gattin „Gefährtn“ zu sein; sie hatte ein
Nebenvergnügen, einen Schüler des guten Professors. Als
sie starb, wußte der arme, schon bei Lebzeiten hinterbliebene
Dritten
Gemal von seinen Hörnern. Er empfängt den
nach ihrem Tode, und erfährt, daß dieser zur Zeit des Ver¬
hältnisses verlobt war. Entrüstung und Aufforderung zum
Hinaus. Der „Dritte“ entschuldigt sich, und bekennt, daß
auch die Frau Professor von der Verlobung ihres Galaus
gewußt hat. Das ändert die Sache. Versöhnt reist der
— Der dritte Ehebruch endlich
Dritte nach Scheveningen.
geschah zur Zeit der französischen Revolution, just vor der
Erstürmung der Bastille. In einer Pariser Spelunke stellt
eine vacirende Komödiantentruppe allerlei Verbrechertypen dar.
Der erste Schauspieler liebt die erste Schaupielerin und wird
von ihr betrogen. Aus diesem Grunde heiratet er sie, um
die verschiedenen Ehebrüche legitim zu machen und mit Berech¬
tigung eifersüchtig sein zu können. In dieser Eifersucht ersticht
er einen Herzog, der sich mit einem Ehebruch der Made¬
moiselle Leocadie stark beschäftigt hat. Den Erfolg der beiden
ersten Einacter trugen Frau Schratt und Herr Krastel,
der beiden andern Herr Sonnenthal. Es war ein sehr:
interessanter Abend.
(Aus der Theaterwelt.) Die Wiesbadener
Festspiele, welche Mitte Mai beginnen, umfassen folgendes
Programm: 14. Mai, „Der Eisenzahn“ von Lauff, 15. „Mignon“,
16. „Undine", 17. „Eisenzahn“, 18. „Waffenschmied“ 19.
„Rheingold“, 20. „Walküre“, 21. „Siegfried“, 24. „Götter¬
dämmerung“, 25. „Waffenschmied“, 28. „Undine“. Unter den
Gästen finden sich, Hofopernsänger Schrötter (Wien), Lilli
Lehmann und Paul Kalisch. — Shakespeare's „Othello“
wurde kürzlich in der Uebersetzung Jean Hirard's an der
Pariser Comédie française mit großem Erfolge gegeben. —
Am Bremer Stadttheater hatte eine romantische
Oper „Frau Holle“ von Georg Kunotz durchschlagenden
Erfolg. — In Cincinatti wurde eine symphonische Dich¬
tung „William Rateliff“ mit großem äußerem Beifalle aufge¬
nommen.
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Im Wiener Burgtheater lernten wir neue Stücke
eines Dichters kennen, der neben seinem idealen
Berufe auch den eines Arztes hat: Dr. Arthur
Schnitzler, den talentvollsten und geistreichsten der
jungen Wiener Autoren, den Führer der jungen
Schule Wiens. Die neuen einaetigen Stücke,
welche derselbe aufführen ließ hießen: „Para¬
celsus", „Die Gefährtin" und „der grüne
„Kakadu“. Alle drei zeugen von hoher Begabung,
alle drei aber kränkeln. Es ist ein leidender Zug in
dem Gesichte dieser drei Erscheinungen. Der Poet
schafft aus dem Arzte heraus. Dieser sieht die Welt
mit trübem Blicke an und, was er erschaut, bildet der
Künstler. Diese drei Stücke sind voll Geist und eine
brillante Mache täuscht über Vieles hinweg, was im
Kerne verwerflich ist, aber sie kann die richtige Emp¬
findung nicht darüber hinwegbringen, zu sagen: das
ist nicht einleuchtend, das ist nicht sonnenklar ge¬
schaffen, das ist nicht kerngesund empfunden. Das
Talent ist unverkennbar, der Werth aber nicht unbe¬
stritten. Wir wollen uns mit den drei Stücken nicht
ausführlich beschäftigen, sondern nur aus einem ver¬
selben einen Punkt hervorheben. Wir meinen das
kleine Drama „Die Gefährtin“. Ein Mediciner,
Professor und Naturforscher, welcher weiß, was der
Far z Mensch ist und, was er sein kann, nimmt in vor¬ 7.50
10gerückten Jahren ein junges Weib, obgleich 14.—
inclusive
Porto.
20er voraussieht, daß die Verbiudung in Wirk- 25.—
Zahlbar
50lichkeit höchstens ein oder zwei Jahre dauern 55.—
im Voraus
" 100 werde. Der Mann hat sich das Prognostikon 100.—
mit Sicherheit gestellt. Er schweigt, als er sieht, daßsausschnille ist da¬
Abonn seine junge, lebenslustige Frau mit seinem Assistenten auch steht es den.
Abonk ein intimes Verhältniß eingegangen ist. Die Frauer zu ändern.
stirbt. Der Mann geht mit geziemender Trauer zum
Leichenbegängnisse und kehrt von demselben im vor¬
hinein getröstet zurück. Der Aisistent eilt aus der
Ferne, wo er weilt, herbei. Es entspinnt sich Rede
und Gegenrede und es stellt sich heraus, daß das
Verhältniß der Frau zu dem jungen Assistenten zwar
ein intimes, aber sehr unverbindliches gewesen ist.
Die Dame wußte, daß der junge Mann verlobt sei
und demnächst heirathen werde. Darob geräth der
alte Professor in Empörung und jagt den Assisteuten
aus seinem Hause, indem er sagt: er wäre sein
Freund geblieben, wenn er aufrichtig als der Ge¬
liebte — d. h. der eben gestorbenen Frau des Professors,
gegolten hätte, daß der Assistent aber verlobt sei,
wäre ganz und gar erbärmlich. Wir finden die
Empfindungs= und Denkweise des Herrn Professors
nicht ganz nermal. Ein alter Naturforscher, der sich
genau kennt, nimmt in so vorgerückten Jahren eine
Besellschafterin für ein oder zwei Jahre, verspricht n
ber nicht am Altare einen Bund fürs ganze Leben.
##ir hat nicht das Recht, ein junges Weib „ewig“ an
ch zu fesseln. Wortbruch ist Wortbruch. Vielleicht
vollte Herr Arthur Schnitzler sich über den alten
Nann lustig machen, zeigen, daß ein Realist ohne
zu wollen Idealist bleibe und sich lächerlich mache.
Nun, solcher Umriß der Figur wäre undeutlich aus¬
zefallen. Ueberdies suchte Herr Sonnenthal den
aiten Professor der Sympathie des Publicums nahe
zu bringen und dieses war verblüfft, als es wahr¬
nahm, für welch entkräfteten Mann und Denker man
eine Sympathie aufgerufen hatte.