II, Theaterstücke 9, (Der grüne Kakadu. Drei Einakter, 3), Der grüne Kakadu. Groteske in einem Akt, Seite 501

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An e en e e
arbeitete schon damals mit Hypnose und Sug¬
gestion, fast genau so, wie jetzt der Burgtheater¬
Paracelsus, der noch ein Uebriges thut, indem er einer
ehrsamen Bürgersfrau einen begangenen Ehebruch
suggerirt. Die gute Frau glaubt wirklich, daß sie in eines
Junkers Arm geruht habe. Ihr Mann weiß nicht, was
er von der Sache halten soll. Ist es Spiel oder
Ernst? Paracelsus hat anfänglich aus Bosheit
seine Schwarzkunst an der Frau geübt, weil
sie ihn einst zu Gunsten ihres jetzigen Gatten ver¬
schmäht hatte, aber gerührt von der Gestalt seiner
Jugendliebe wendet er Alles zum Guten. Er befiehlt ihr,
ein ehrlicher Svengali, aufzuwachen und die reine
Wahrheit zu sagen. Und die Frau erklärt nun, daß sie
dem Gatten die Treue bewahrt, aber daß sie nahe daran
war, zu straucheln. Dem Ehemanne fällt ein Stein vom
Herzen und er gibt seine Schwester dem Junker zum
Weibe. Uns aber freut es, daß das Medium des
Paracelsus fortan nur die Wahrheit sagen wird,
denn der Zauberer geht von hinnen, ohne sie
von dem suggerirten Wahrheitsdrange zu befreien.
Der Stoff eignet sich mehr für ein Lustspiel, oder gar für
eine Posse. Die Suggestion spielt hier eigentlich die Rolle
von Dr. Faust's Hauskäppchen. Schnitzler hat bessere
Mittel, die Thore der Seele aufzureißen. Den Paracelsus
gab Herr Robert sehr gut. Er versteht es, das
Geheimnißvolle solcher Figuren charakteristisch heraus¬
zuorbeiten. Frau Schratt und Herr Krastel unter¬
stützten ihn auf das Wirksamste. — Dieses war das erste
Ehebruchstück und das zweite folgt sogleich. Es heißt
„Die Gefährtin“
und ist eine feine psychologische Studie, in der auch
heißes Theaterblut rollt. Ein alter Professor überlebt seine
junge Frau, die ihn mit seinem besten Schüler betrogen
hat. Nach dem Begräbniß kommt eine Freundin der
Todten und verlangt gewisse Briefe, um die Spur der
Sünde für immer auszulöschen. Der Professor lächelt
wehmuthsvoll. Er weiß, daß seine Frau ihn betrogen. Er
hat es getragen, denn er konnte ihr Nichts bieten.
Er duldete und schwieg, selbst wenn sein Freund und
Schüler in der Erfüllung seiner unehelichen Pflichten noch
so pünktlich war. Seine Frau war zur Geliebten ge¬
schaffen, zur Gefährtin nicht. Er erwartet heute den Ehe¬
brecher, aber dieser soll nie erfahren, daß der Professor Alles
weiß. Der Schüler kommt und beweint die theure Todte.
Und als er genug geweint, will er wieder abreisen.
Wohin? Nach Scheveningen zu seiner Braut, mit der
er bereits seit zwei Jahren verlobt ist. Der Professor
macht große Augen. Seit zwei Jahren verlobt und
verliebt, also schon zu einer Zeit, als noch das sträfliche
Verhältniß bestand! Und der Professor donnert ihm
hätte Dich vom
zu in seinem Schmerze: „Ich
Boden aufgehoben, wenn Dich der Schmerz ge¬
brochen hätte — an ihr Grab wär' ich mit Dir
gegangen, wenn es Deine Geliebte wäre, die da draußen
läge — aber Du hast sie zu Deiner Dirne
gemacht — und dieses Haus hast Du bis z
Decke mit Schmutz und Lüge so angefüllt, daß
darum
und darum
mich ekelt
ja,
darum jag' ich Dich hinaus!“ Und er thut es,
aber er erfährt dann noch mehr, er erfährt, daß
seine Frau um die Verlobung ihres Hausfreundes
gewußt hat und auf seine Heirat vorbereitet war,
wie auf Etwas, das sich von selbst versteht.
Nach dieser Enthüllung tröstet sich einigermaßen der
seltsame Gatte, dessen Sinnen darauf gerichtet war, daß
seine Hörner im Verborgenen blühen, der es in
peinlicher Würdigung seiner Altersschwäche nicht über's
Herz brachte, seiner Frau das Vergnügen eines
mißgönnen! Er schließt das
Ehebruches zu
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Stück mit einer umständlichen Pantomime und geht dann
auf Reisen. Wenn er gescheidter wäre, als er ist, ginge
er nach Scheveningen und heiratete dort die Braut
seines Hausfreundes. So befremdend das Thema
auf den ersten Blick erscheint, so klug und geschickt
ist es ausgeführt. Hier stehen die Thore der Seele wirk¬
lich offen. Wer das kann, ist ein Meister. Sonnenthal
lieh dem Helden seine große Kunst. Es war ein herrlich
Ssealerseltic.
Spiel! Der dritte Einacter führt den Titel

„Der grüne Kakadu“.
Drei Ehebrüche.
Der Dichter bezeichnet ihn als Groteske. Es ist
Arthur Schnitzler wurde gestern ohne Nach¬
eine kecke Satire, die auf den Flügeln der großen
sicht der Tantièmen in den Dichterstand erhoben. Gelegent¬
Revolution dahinbraust. Das Stück spielt am Tage der
lich der Aufführung seines Schauspieles „Das Ver¬
Erstürmung der Bastille. Ort der Handlung eine Spelunke,
mächtniß“ war er von des Regisseurs Lewinsky Gnaden
in der ein Pariser Sauwirth gar merkwürdige
ein simpler „Antor“, gestern dankte Herr Hartmann „im
Vorstellungen arrangirt. Die Mitglieder einer vacirenden
Namen des Dichters“. Das war nach der ersten der drei
*
Schauspielertruppe stellen hier allerhand Verbrechertypen
einactigen Novitäten, mit denen Schnitzler das Repertoire
dar. Sie spielen Mörder und Taschendiebe. Das vor¬
des Hofburgtheaters bereicherte. Später
nehme Gesindel von Paris kommt, um das kleine Gesindel
Publicum applau¬
erschien er persönlich. Das
dirte ihn wiederholt vor die Rampe, als zu bewundern. Man weiß oft nicht, was Spiel
wollte es sagen: „Das ist brav von Dir, daß Du die nud was Wirklichkeit ist. Das wirkt anfangs,