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9.4. Der-Ernene KakaduZ#kIus
— Vor den Coulissen.
Das „Deutsche Theater“ hat gestern mit
drei in Stoff und Stil verschiedenartigen Stücken
drei sehr verschiedenartige Erfolge erzielt. Drei Er¬
folge? fragen wir uns noch einmal vorsichtig nach¬
zählend. Nun denn, zum Mindesten doch dritthalb,
wenn man schon nicht den starken Ueberschuß an Bei¬
fall und Wirkung im zweiten Stück dem dritten an= proletariat geschildert und mit scharfer Satire die vor¬
rechnen will, dessen Eindruck schwücher war.
nehme Gesellschaft. Die groteste Komik mischt sich
Sonst pflegt unser: Deutsches Theater“ Kopf=sseltsam mit der grausen Tragik und unser gespanntes
station für seine neuen Dramen zu sein. Von hier] Interesse macht den Sprung von der bizarren
aus pflegen sie meist ihre Reise um die Bretterwelts Heiterkeit zur blutigen Katastrophe willig mit.
anzutreten. Auch die drei neuen Schnitzler'schen Ein¬
Den armseligen Komödianten, der zum tragischen
aeter sollten hier zuerst erscheinen. Die Censur¬
Helden wird, spielte Herr Kainz voller Feuer, ob¬
wohl die Rolle mit ihrem gemachten, leeren Pathos
Schwierigkeiten haben es verhindert und haben dem
Borgtheater einen Vorsprung gewährt. Von Wien aus
ihm entfernt keine geeignete Aufgabe bietet. Mit viel
heiterer Wirkung gab Herr Hanns Fischer den
haben wir denn auch schon über die merkwürdigen
Wirth und Theater=Director, der, eine Art „grober
dramatischen Drillinge berichtet, die dort vor Wochen
Gottlieb“ des vorigen Jahrhunderts, seine Gäste zum
gesund und glücklich zur Welt gekommen sind und ein
Scherz aber doch voll tief innerster Befriedigung mit
fröhlich Leben führen.
Das „Deutsche Theater“ erschien uns gestern als Beschimpfungen regalirt. Eine köstliche Figur, von
Herrn Rittner in prächtiger Maske und mit inten¬
eine Art „Salon Brahm“, in dem eine Ausstellung
von Schnitzler'schen Werken, von Entwürfen, Studien siver Komik dargestellt, war der wirkliche Verbrecher, der
unter die harmlosen,
Verbrecher spielenden
und Skizzen veranstaltet wird.
Hier haben wir
Komödianten sich mischt. Fr. Reisenhofer in der
es nicht mit drei Einactern im gewohnten Theater¬
kleinen Rolle der koketten Schauspielerin, Fräulein
sinne zu thun, die als Stücke fesseln und wirken
[Dumont als Sensationen suchende vornehme Dame,
sollen, gleichviel wer der Verfassei ist. Daß die drei
Frl. Elsinger, Fr. Eberty, Hr. v. Winter¬
Werke Schöpfungen desselben Bühnendichters sind,
alle
wirkten
stein,
Herr Reinhardt,
eines Bühnendichters, für dessen Schaffen wir uns
mit wahrer Freudigkeit mit. Das Stück, das
lebhaft interessiren, das ist es, was den drei Werken
Reiz und Werth verleiht.
eine so vielbewegte, überkeck sich aufbauende, bizarre
Wenn man bei Erstlings=Schöpfungen um der Handlung aber weder Empfindungen, noch Leiden¬
Dramen willen auch für den Verfasser sich interessirt, schaften, noch Charaktere bringt, muthet zuweilen an
so kommt später, nach einer Anzahl von Erfolgen, die wie ein Ideal=Libretto für einen Mascagni. Von
Herrn Lessing glänzend, voller Leben und Bewegung
Zeit, wo man um des Verfassers willen seinen
Arbeiten Theilnahme entgegenbringt, aus seinen Ent¬
inscenirt, erzielte das Werk stürmischen Erfolg, der
würfen, Versuchen und Skizzen sein Wesen wie seine
den Verfasser sehr oft vor den Vorbang rief. In den
Schaffensweise ergründen will. Arthur Schnitzler, der
hundertstimmigen Bravorufen ging ein Versuch zur
Opposition völlig unter.
mit „Liebelei" als Typus von ausgeprägter Eigenart in die
Bühnenliteratur sich einführte und durch „Freiwild“,
Nach dieser lauten, vielbewegten und absonderlichen
durch den Anatol=Cykius, durch „Vermächtniß“ die
Groteske hätte selbst ein starkes Stück den schwersten
Aufmerksamkeit nur noch steigerte, ist jetzt wohl auf
Stand gehabt.
„Paracelsus“ aber ist das
dem Punkte, auf dem die Theilnahme für den Ver¬
schwächste Stück des Abends und recht dünn, recht
fasser den Werken Sympathie und Beachtung sichert.
schwach überhaupt.
Schnitzler bringt hier wieder,
Das hat der gestrige Abend bewiesen.
wie in Anatol, den Hypnotismus auf die
In allen drei Stücken ist Schnitzler nicht der
Bühne. Theophrastus Paracelsus wird von einem
Dichter, der, von einem Stoffe beherrscht, unter dem
plumpen
und allzu protzigen Handwerksmann
Zwange einer großen Stimmung die Ideen und
beleidigt. Er rächt sich, indem er der Frau suggerirt,
Gestalten, die Empfindungen und Leidenschaften in
sie sei dem Gatten untreu gewesen und sie dann eben¬
Leben übersetzt;
falls in der Hypnose veranlaßt, dem Gatten allerlei
thier der Künstler, der
kleine
die Kraft seiner Technik versucht, an mannichfachen
unangenehme Wahrheiten zu sagen.
Schnurre im Hans Sachs=Stil scheint eine
Stoffen sein Geschick übt und sich wie Anderen zeigen
will, was er kann, wie vielerlei er kann. Und es ist
ältere Arbeit Schnitzler's zu sein. Diese anti¬
wirklich sehr viel. In keinem der drei Stücke ist
Suggestions = Humoreske begegnete nur
Schnitzler so völlig er selbst, wie etwa in „Liebelei“.
geringem Interesse, obwohl Kainz in der nicht
Bald kommt er uns nordisch, dann wieder mißt er
Nissen, Fräulein
eben dankbaren Titelrolle,
seine Kräfte an einer so originellen wie ergiebigen,
Dumont, Frl. Heims sich redlich Mühe gaben.
phantastischen und kühnen Aufgabe, endlich versucht er
Der Beifall, der auch jetzt nicht fehlte und den Ver¬
sich auch einmal im Hans Sachs=Stil.
fasser hervorrief, war ein Postscriptum zum Erfolg
Am meisten ist er in dem ersten der drei Stücke in vom „grünen Kakadu“. Der Einacter=Cyclus, der die
seinem Element. „Die Gefährtin“ nennt sich eheliche Treue zum Gegenstande hat, wäre weit er¬
das Schauspiel. Den schon einmal mitgetheilten Inhalt folgreicher gewesen, wenn diese Groteske den glänzen¬
den Abschluß des Abends gebildet hätte. J. L.
brauchen wir nur kurz in Erinnerung zu bringen. Das
Thema von der Schuld der Todten, das oft erörte
neuerdings von den Italienern sehr bevorzugte Thema, ist,
Thier eigenartig und in einer gewissen noblen, revo¬
lutionären Moral=Auffassung behandelt. Prof. Pilgrim;
hat eben seine Frau verloren und er betrauert sie.;
Eine Freundin will es verhindern, daß er nun aus
aufgefundenen Briefen erfährt, wie seine Frau die
Geliebte eines Anderen gewesen. Unnütze Mühe —
er weiß es längst und begreift es. Er war nun
einmal so viel älter, sie war zur Geliebten geschaffen,
nicht zur Gefährtin. Er hat nur Mitleid mit jenem
[Anderen, den der Verlust so viel härter trifft. Das
kommt der Andere an und der Professor erfährt von
ihm, daß er sich verlobt hat, mit einem Mädchen,
welches er schon lange kennt. Er hat also die Frau
gar nicht geliebt, die sich ihm hingegeben. Nun
lerst lodert sein zorn auf, nun erst fühlt er sich
und sein Haus beschmutzt. Die Leidenschaft hätte
er verstanden und respectirt, die gemeine Buhl¬
schaft erfüllt ihn mit Abschen und er muß
erkennen, daß die Todte nicht blos für seine
Liebe, sondern selbst für seinen Zorn zu tief stand.“
Sie starb zwar in seinem Hause aber sie war ihm
doch so fremd. Das Stückchen hat keine Spur von
Handlung — es bringt eben nur eine Aufklärung, —
Größe
dennoch fesselt uns die Freiheit und
der Auschauung. Der Einfluß der Ibsen'schent
9.4. Der-Ernene KakaduZ#kIus
— Vor den Coulissen.
Das „Deutsche Theater“ hat gestern mit
drei in Stoff und Stil verschiedenartigen Stücken
drei sehr verschiedenartige Erfolge erzielt. Drei Er¬
folge? fragen wir uns noch einmal vorsichtig nach¬
zählend. Nun denn, zum Mindesten doch dritthalb,
wenn man schon nicht den starken Ueberschuß an Bei¬
fall und Wirkung im zweiten Stück dem dritten an= proletariat geschildert und mit scharfer Satire die vor¬
rechnen will, dessen Eindruck schwücher war.
nehme Gesellschaft. Die groteste Komik mischt sich
Sonst pflegt unser: Deutsches Theater“ Kopf=sseltsam mit der grausen Tragik und unser gespanntes
station für seine neuen Dramen zu sein. Von hier] Interesse macht den Sprung von der bizarren
aus pflegen sie meist ihre Reise um die Bretterwelts Heiterkeit zur blutigen Katastrophe willig mit.
anzutreten. Auch die drei neuen Schnitzler'schen Ein¬
Den armseligen Komödianten, der zum tragischen
aeter sollten hier zuerst erscheinen. Die Censur¬
Helden wird, spielte Herr Kainz voller Feuer, ob¬
wohl die Rolle mit ihrem gemachten, leeren Pathos
Schwierigkeiten haben es verhindert und haben dem
Borgtheater einen Vorsprung gewährt. Von Wien aus
ihm entfernt keine geeignete Aufgabe bietet. Mit viel
heiterer Wirkung gab Herr Hanns Fischer den
haben wir denn auch schon über die merkwürdigen
Wirth und Theater=Director, der, eine Art „grober
dramatischen Drillinge berichtet, die dort vor Wochen
Gottlieb“ des vorigen Jahrhunderts, seine Gäste zum
gesund und glücklich zur Welt gekommen sind und ein
Scherz aber doch voll tief innerster Befriedigung mit
fröhlich Leben führen.
Das „Deutsche Theater“ erschien uns gestern als Beschimpfungen regalirt. Eine köstliche Figur, von
Herrn Rittner in prächtiger Maske und mit inten¬
eine Art „Salon Brahm“, in dem eine Ausstellung
von Schnitzler'schen Werken, von Entwürfen, Studien siver Komik dargestellt, war der wirkliche Verbrecher, der
unter die harmlosen,
Verbrecher spielenden
und Skizzen veranstaltet wird.
Hier haben wir
Komödianten sich mischt. Fr. Reisenhofer in der
es nicht mit drei Einactern im gewohnten Theater¬
kleinen Rolle der koketten Schauspielerin, Fräulein
sinne zu thun, die als Stücke fesseln und wirken
[Dumont als Sensationen suchende vornehme Dame,
sollen, gleichviel wer der Verfassei ist. Daß die drei
Frl. Elsinger, Fr. Eberty, Hr. v. Winter¬
Werke Schöpfungen desselben Bühnendichters sind,
alle
wirkten
stein,
Herr Reinhardt,
eines Bühnendichters, für dessen Schaffen wir uns
mit wahrer Freudigkeit mit. Das Stück, das
lebhaft interessiren, das ist es, was den drei Werken
Reiz und Werth verleiht.
eine so vielbewegte, überkeck sich aufbauende, bizarre
Wenn man bei Erstlings=Schöpfungen um der Handlung aber weder Empfindungen, noch Leiden¬
Dramen willen auch für den Verfasser sich interessirt, schaften, noch Charaktere bringt, muthet zuweilen an
so kommt später, nach einer Anzahl von Erfolgen, die wie ein Ideal=Libretto für einen Mascagni. Von
Herrn Lessing glänzend, voller Leben und Bewegung
Zeit, wo man um des Verfassers willen seinen
Arbeiten Theilnahme entgegenbringt, aus seinen Ent¬
inscenirt, erzielte das Werk stürmischen Erfolg, der
würfen, Versuchen und Skizzen sein Wesen wie seine
den Verfasser sehr oft vor den Vorbang rief. In den
Schaffensweise ergründen will. Arthur Schnitzler, der
hundertstimmigen Bravorufen ging ein Versuch zur
Opposition völlig unter.
mit „Liebelei" als Typus von ausgeprägter Eigenart in die
Bühnenliteratur sich einführte und durch „Freiwild“,
Nach dieser lauten, vielbewegten und absonderlichen
durch den Anatol=Cykius, durch „Vermächtniß“ die
Groteske hätte selbst ein starkes Stück den schwersten
Aufmerksamkeit nur noch steigerte, ist jetzt wohl auf
Stand gehabt.
„Paracelsus“ aber ist das
dem Punkte, auf dem die Theilnahme für den Ver¬
schwächste Stück des Abends und recht dünn, recht
fasser den Werken Sympathie und Beachtung sichert.
schwach überhaupt.
Schnitzler bringt hier wieder,
Das hat der gestrige Abend bewiesen.
wie in Anatol, den Hypnotismus auf die
In allen drei Stücken ist Schnitzler nicht der
Bühne. Theophrastus Paracelsus wird von einem
Dichter, der, von einem Stoffe beherrscht, unter dem
plumpen
und allzu protzigen Handwerksmann
Zwange einer großen Stimmung die Ideen und
beleidigt. Er rächt sich, indem er der Frau suggerirt,
Gestalten, die Empfindungen und Leidenschaften in
sie sei dem Gatten untreu gewesen und sie dann eben¬
Leben übersetzt;
falls in der Hypnose veranlaßt, dem Gatten allerlei
thier der Künstler, der
kleine
die Kraft seiner Technik versucht, an mannichfachen
unangenehme Wahrheiten zu sagen.
Schnurre im Hans Sachs=Stil scheint eine
Stoffen sein Geschick übt und sich wie Anderen zeigen
will, was er kann, wie vielerlei er kann. Und es ist
ältere Arbeit Schnitzler's zu sein. Diese anti¬
wirklich sehr viel. In keinem der drei Stücke ist
Suggestions = Humoreske begegnete nur
Schnitzler so völlig er selbst, wie etwa in „Liebelei“.
geringem Interesse, obwohl Kainz in der nicht
Bald kommt er uns nordisch, dann wieder mißt er
Nissen, Fräulein
eben dankbaren Titelrolle,
seine Kräfte an einer so originellen wie ergiebigen,
Dumont, Frl. Heims sich redlich Mühe gaben.
phantastischen und kühnen Aufgabe, endlich versucht er
Der Beifall, der auch jetzt nicht fehlte und den Ver¬
sich auch einmal im Hans Sachs=Stil.
fasser hervorrief, war ein Postscriptum zum Erfolg
Am meisten ist er in dem ersten der drei Stücke in vom „grünen Kakadu“. Der Einacter=Cyclus, der die
seinem Element. „Die Gefährtin“ nennt sich eheliche Treue zum Gegenstande hat, wäre weit er¬
das Schauspiel. Den schon einmal mitgetheilten Inhalt folgreicher gewesen, wenn diese Groteske den glänzen¬
den Abschluß des Abends gebildet hätte. J. L.
brauchen wir nur kurz in Erinnerung zu bringen. Das
Thema von der Schuld der Todten, das oft erörte
neuerdings von den Italienern sehr bevorzugte Thema, ist,
Thier eigenartig und in einer gewissen noblen, revo¬
lutionären Moral=Auffassung behandelt. Prof. Pilgrim;
hat eben seine Frau verloren und er betrauert sie.;
Eine Freundin will es verhindern, daß er nun aus
aufgefundenen Briefen erfährt, wie seine Frau die
Geliebte eines Anderen gewesen. Unnütze Mühe —
er weiß es längst und begreift es. Er war nun
einmal so viel älter, sie war zur Geliebten geschaffen,
nicht zur Gefährtin. Er hat nur Mitleid mit jenem
[Anderen, den der Verlust so viel härter trifft. Das
kommt der Andere an und der Professor erfährt von
ihm, daß er sich verlobt hat, mit einem Mädchen,
welches er schon lange kennt. Er hat also die Frau
gar nicht geliebt, die sich ihm hingegeben. Nun
lerst lodert sein zorn auf, nun erst fühlt er sich
und sein Haus beschmutzt. Die Leidenschaft hätte
er verstanden und respectirt, die gemeine Buhl¬
schaft erfüllt ihn mit Abschen und er muß
erkennen, daß die Todte nicht blos für seine
Liebe, sondern selbst für seinen Zorn zu tief stand.“
Sie starb zwar in seinem Hause aber sie war ihm
doch so fremd. Das Stückchen hat keine Spur von
Handlung — es bringt eben nur eine Aufklärung, —
Größe
dennoch fesselt uns die Freiheit und
der Auschauung. Der Einfluß der Ibsen'schent