II, Theaterstücke 9, (Der grüne Kakadu. Drei Einakter, 3), Der grüne Kakadu. Groteske in einem Akt, Seite 552

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9. 4. Der pruene Kakadn ZyK11-
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Die Bühnen.
Deutsches Theater. Gestern zum ersten Male:
„Die Gefährtin“, hierauf: „Der grüne Kakadu“,
zum Schluß: „Paracelsus“, alle drei von Arthur


Schwitzber.
Der Erfolg, der sich nach dem bläßlichen ersten Stückchen nur
matt andeuten wollte, wuchs der Mitte zu sehr kräftig an. Das
theaterwirksame Liebesdrama mit dem bunten Revolutionshineer=
grund, flott, lebendig und verständig gespielt, packte und Schnitzle#
konnte wohl ein halbdutzendmal vor den Vorhang. Das letzte,
der Versschwank mit der Volksfigur des Paracelsus, eine hübsche,
sauber geführte Kleinigkeit, die an desselben Autors „Frage an
das Schicksal“ mehrfach erinnerte, sprach nett an. Der Erfolg
lag also in der Mitte und die kluge Direktion wußte wohl, warum
sie den „grünen Kakadu“ zwischen die beiden anderen Einakter
setzte. Eine solche Mitte macht eben den Erfolg, wie ja meist
immer der Mittelakt. Schnitzler gewann sich gestern einen Sieg
nicht als der Dichter erotisch=melancholischer Stimmungen mit
Wiener Abendröthen, sondern sein unstreitiger Theatersinn ersocht
ihn. Wie er die Szeue im Revolutionsstückchen beherrscht, zeigt er
rothes Theaterblut. Ueber die Vorbilder dieses Aktes sei nicht
gestritten; man denkt an Tabarin und an manches Andere, schlie߬
lich aber bleibt Einem die Sache amüsant, flott, geschickt, und es
macht immer Freude, wenn man sieht, daß Einer sein Handwerk
versteht. Und es unterhaltend übt. „Der grüne Kakadu.“
Was heißt das? Wenn Schnitzler ein Stück so nennt, so mag
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Für
man an eine Wiener Kokotte denken, die in ihrem weichen, lüstern¬
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lauschigen Boudoir einen grünen tropischen Vogel in goldenem Reifen
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hängen hat, und daß er der Anlaß oder das Symbol eines par¬ ur
„ 1000
fümirten Amor sei. Nein, das ist es nicht. „Der grüne Kakadu“ saus
nennt sich eine Pariser Spitzbubenbudike, in der ein Wirth, der die
In
das
Grobheit als Reklameeigenschaft führt, hungrige Schauspieler
Abonnem
den
Abonnen seinen noblen Gästen verrückte Szenen aufführen läßt. Sie
spielen Mörder, Briganten, Diebe. Es ist schwer auseinderzuhalten,
was Spiel ist und was echt. Das ist der Hauptreiz
der Szeuen. Das Rathen und die kleinen Ueberraschungen. Denn
die Szenen laufen alle nebeneinander und die Mittelhandlung
kommt nur schwer in den Vordergrund. In den Schnapskeller
hinab tönen Schüsse. Oben in Paris stürmen sie die Bastille,
Geschrei, der Lärm von Volksaufläufen dringt herab. Aber die
seingekleideten Aristokraten amüsiren sich an den Szenen
der Schauspieler. Und das ist nicht nur das Eine, mas
Ich Schnitzter nicht glauden möchte, nämlich daß am Abend der
Erstürmung der Bastille die seinen Herren in dem Keller der
Sansculotten so friedlich sitzen, um dann so jäh an die Luft be¬
fördert zu werden. Ueberhaupt ist das Interesse an dem Bastillen="
sturm in dem patriotischen Keller zu gering. Die paar Kanonen¬
schüsse hinter der Szeue geben kein Bild. Es korrespondirt nichts
von unten nach oben. Der Zusammenhänge sind wenig, es ist ja
als ein
W0
doch nichts
Straßentumult da oben,
sich Fraunkreichs und Europas Geschicke eben blutig
zu wenden beginnen. Unten im Keller amüsirt nur
dor Schauspieler Heuri, der eine kleine Schauspielerin von der
Porte St. Martin geheirathet hat und auf das leichte Diruchen
offenbar sehr eifersüchtig ist. Er erzählt, daß er soeben einen
Herzog, den er bei Léocadie erwischte, erdolcht habe. Spielt er
nur eine Szene oder meint er's ernst? Der geschäftige Wirth glaubt
an den Ernst und verräth, daß Léocadie thatsächlich mit dem
Herzog was habe. In dem Augenblick kommt der Herzog
und Heuri ersticht ihn. Aus dem Spiel ist Wirklich¬
keit geworden und neben Tabarin fällt Einem die
melodramatische Wirkung des Bajazzo=Finales ein. Kainz, der den
liebetollen Schauspieler Heuri gab, hätte nur noch die Tenoristen¬
worte rufen müssen „La comedia é finita!“ Für die kleine
Eisersucht ein großer Nahmen, diese Zeit von 1789. Zu gestalten¬