9. 4
box 15/6
DerBrüche KakaauVKins
W
E
servirt wird: Die Tragödie selbst wäre vorzuziehen. — Spitze aller deutschen Bühnen. Werden Frankfurterl
Aus den verschlungenen Wirrnissen eines erkünstelten! Theaterfreunde es glauben, daß hier sogar die Scene
Auns und Wigenschäft¬“
Seelenlebens führt uns der zweite Einakter auf den im selben Augenblick hell wird, wo Jemand mit brennender
= Schnitzler=Abend im Deutschen Theater.
historischen Boden der französischen Revolution. Imz Lampe eintritt, und nicht erst eine halbe Minute später?
Aus Berlin, 30. Apeil, wird uns geschrieben: Die
„Grünen Kakadn“, einer Parise: Spelunke, ergötzen
Daß sie sich verdunkelt, während er hinausgeht, und nicht
moderne Literatur hat viel „Antoren“ aber nicht einen
erst, nachdem er die Thüre bereits hinter sich geschlossen
sich die blasirten fin-de-siecle=Herrschaften des vorigen
Künstler. Nicht Einen, den der überreich aus dem Innern
Jahrhunderts an den grell=naturalistischen Bildern aus
hat? Wenn sie lange nicht aus der schönen Mainstadt
quellende Schaffensdrang beängstigte, aber gar viele,
dem Verbrecherleben, die der findige Wirt, ein ehemaliger
hinausgekommen sind, halten sie es schwerlich für möglich.
die ihr Gedankenfach alljährlich in Herzensangst nach
Schmierendirektor, ihnen von seinen alten Komödianten
1
—neuen Einfällen durchstöbern. Da läßt man sich denn so
allabendlich vormimen läßt. Im Handumdrehen wird
gerne einer vom andern auregen, besonders wenn der
aus dem Scherz blutiger Ernst: ein adliger Wüstling
andere Erfolg hatte. Man macht mit, was grade Mode
sinkt zu Boden, den Nachestahl des beleidigten Ehemanns
ist, und Mode sind in der Bühnenkunst derzeit die Ein¬
im Herzen, und herein tost der wilde Haufe der Bastille¬
akter. Eine praktische Mode, ohne Zweifel. Denn wenn
stürmer. Die Stimmung des Revolutionsabends ist gut
schon der Schaffenskraft mit Hebel und Pumpwerk nach¬
gegeben. Wenn eine neue Zeit gährend ins Leben drängt
geholfen werden muß, so ist's leichter, in drei Absätzen
und Sturm läuft gegen morsche Vorurteile, wer weiß da
je eine Kleinigkeit herauszupumpen als in einem Zuge
im voraus, ob und wanns kracht? Alle Revolutionen
ein mächtig dahinfluthendes Drama. Auch machen sich
werden wohl zu Anfang so einen kleinen scherzhaften“
Wiederholungen in drei verschiedenen Stücken nicht so Anstrich haben, und der blutige Ernst wird kommen, wie
unangenehm bemerkbar wie in einem organischen Hanzen.
der Dieb in der Nacht, und die, die's am meisten angeht,
So leicht hat sichs Arthur Schnitzler freilie) nicht
werden's am wenigsten ahnen. — Tragikomisch gemischt
gemacht. Es ist ihm nicht eingefallen, seine drei Kleinig¬
sind die Elemente auch im dritten Stücke, nur daß der
keiten durch eine sogenante „Idee“ zu einem anspruchs¬
Ausgang heiter ist. Paracelsus findet in seiner
vollen Dreigespann zusammenzukoppeln, er gibt sein
Vaterstadt Vasel eine Jugendgeliebte als Frau eines
Stück schlecht und recht in Stücken. Das erste, „Die
jener biedern Philister, die vom eignen Werte so durch¬
Gefährtin“ ist à la Ibsen der letzte Akt einer
drungen sind, daß sie keinen Blick übrig haben für den
Tragödie. Ein großer Gelehrter hat seine junge Frau
Wert des Weibes, das an ihrer Seite geht, als eine
begraben, und wir erfahren aus der Unterhaltung mit
stille Welt für sich. Dem eingebildeten Pfahlbürger
einer Freundin und Nachbarin, wie sein kurzes Glück
sticht der geniale Landstreicher mit überlegener Kunst den
schon vor 10 Jahren in die Brüche ging. Der große
Staar, indem er den Ahnungslosen sehen läßt, wie hart er
Mann hat sich damals auf seine Schmerzen eine Theorie
daran war, seinen unterschätzten Schatz zu verlieren. Mittel
gemacht, die aber, wie alle Theorien, den Mangel hat,
zum Zweck: der hypnolische Schlaf. Na, wir alle haben's
nicht ganz zu stimmen. Er hat sich eingeredet, sein junges
wohl gelegentlich gesehen, und so mag's angehen, für einmal
Weib habe in seinem dito jungen Assistenzarzte und Haus¬
und im Scherzspiel. Alle drei Einakter hatten einen un¬
freund den Mann gefunden, der ihr vom Schicksal eigent¬
bestrittenen, lebhaften Erfolg. Im ersten führte Hermann
lich bestimmt gewesen, und er habe kein Recht, ihr ein
Nissen die tragende Rolle siegreich durch, in den beiden
Glück zu rauben, das er selbst ihr dauernd nicht geben
anderen stand Kainz im Vordertreffen. Nicht immer
konnte. Nun, am Begräbnißtage muß er erfahren, daß
siegreich, für unbefangene Beobachter. Physische Mängel
die Tote eine oberflächliche Natur gewesen, die das
stecken seinem Können engere Grenzen, als seine blinden
Glück aus der Hand jedes Andern wohl eben'ogern
Bewunderer Wort haben wollen. Sein Pathos des ver¬
entgegengenommen hätte. Und die dem großen Manne
liebten Komödianten im zweiten Stücke ging um eine
der grauen Theorie die Augen über die nächstliegenden
kleine, kleine Nuance zu weit, die aber gerade genügte,
Dinge öffnet, eben jene Nachbarin, die soll wohl
durchaus unbeabsichtigtes Gelächter hervorzurufen. Sein
als die wahre Gefährtin zu denken sein. Aber das ist
Paracelsus war immer klug, aber mie groß. Man nahm
nicht klar herausgearbeitet, wie denn dieser erste Ein¬
seine zwingende Gewalt über die Menschen hin, weil
akter unlengbar der schwächste von den dreien ist. Es ist
man in freundlicher Stimmung war, nicht weil man
nicht übermäßig glaubhaft, daß ein scharfer Beobachter
mußte. Ueberhaupt: Kainz versteht fast immer zu
sich nach mehr denn zehnjährigem Zusammenleben über
interessiren, böchst selten zu imponiren; der geborene
die wahre Natur seines Gefährten noch so gröblich
Cyrano von Bergerac: ein merkwürdiger Mensch, dessen
känschen sollte. Oder richtiger vielleicht: es ist in einem
Schicksal uns fesselt, oyne uns je im Innersten zu er¬
kurzen Akte nicht glaubhaft zu machen. Ob uns nun schüttern. Was die Gesamtheit der Darstellung anlangt,
der Schlußakt einer Tragödie in drei oder einem Akte so marschirt das Deuische Theater wohl wieder an der
box 15/6
DerBrüche KakaauVKins
W
E
servirt wird: Die Tragödie selbst wäre vorzuziehen. — Spitze aller deutschen Bühnen. Werden Frankfurterl
Aus den verschlungenen Wirrnissen eines erkünstelten! Theaterfreunde es glauben, daß hier sogar die Scene
Auns und Wigenschäft¬“
Seelenlebens führt uns der zweite Einakter auf den im selben Augenblick hell wird, wo Jemand mit brennender
= Schnitzler=Abend im Deutschen Theater.
historischen Boden der französischen Revolution. Imz Lampe eintritt, und nicht erst eine halbe Minute später?
Aus Berlin, 30. Apeil, wird uns geschrieben: Die
„Grünen Kakadn“, einer Parise: Spelunke, ergötzen
Daß sie sich verdunkelt, während er hinausgeht, und nicht
moderne Literatur hat viel „Antoren“ aber nicht einen
erst, nachdem er die Thüre bereits hinter sich geschlossen
sich die blasirten fin-de-siecle=Herrschaften des vorigen
Künstler. Nicht Einen, den der überreich aus dem Innern
Jahrhunderts an den grell=naturalistischen Bildern aus
hat? Wenn sie lange nicht aus der schönen Mainstadt
quellende Schaffensdrang beängstigte, aber gar viele,
dem Verbrecherleben, die der findige Wirt, ein ehemaliger
hinausgekommen sind, halten sie es schwerlich für möglich.
die ihr Gedankenfach alljährlich in Herzensangst nach
Schmierendirektor, ihnen von seinen alten Komödianten
1
—neuen Einfällen durchstöbern. Da läßt man sich denn so
allabendlich vormimen läßt. Im Handumdrehen wird
gerne einer vom andern auregen, besonders wenn der
aus dem Scherz blutiger Ernst: ein adliger Wüstling
andere Erfolg hatte. Man macht mit, was grade Mode
sinkt zu Boden, den Nachestahl des beleidigten Ehemanns
ist, und Mode sind in der Bühnenkunst derzeit die Ein¬
im Herzen, und herein tost der wilde Haufe der Bastille¬
akter. Eine praktische Mode, ohne Zweifel. Denn wenn
stürmer. Die Stimmung des Revolutionsabends ist gut
schon der Schaffenskraft mit Hebel und Pumpwerk nach¬
gegeben. Wenn eine neue Zeit gährend ins Leben drängt
geholfen werden muß, so ist's leichter, in drei Absätzen
und Sturm läuft gegen morsche Vorurteile, wer weiß da
je eine Kleinigkeit herauszupumpen als in einem Zuge
im voraus, ob und wanns kracht? Alle Revolutionen
ein mächtig dahinfluthendes Drama. Auch machen sich
werden wohl zu Anfang so einen kleinen scherzhaften“
Wiederholungen in drei verschiedenen Stücken nicht so Anstrich haben, und der blutige Ernst wird kommen, wie
unangenehm bemerkbar wie in einem organischen Hanzen.
der Dieb in der Nacht, und die, die's am meisten angeht,
So leicht hat sichs Arthur Schnitzler freilie) nicht
werden's am wenigsten ahnen. — Tragikomisch gemischt
gemacht. Es ist ihm nicht eingefallen, seine drei Kleinig¬
sind die Elemente auch im dritten Stücke, nur daß der
keiten durch eine sogenante „Idee“ zu einem anspruchs¬
Ausgang heiter ist. Paracelsus findet in seiner
vollen Dreigespann zusammenzukoppeln, er gibt sein
Vaterstadt Vasel eine Jugendgeliebte als Frau eines
Stück schlecht und recht in Stücken. Das erste, „Die
jener biedern Philister, die vom eignen Werte so durch¬
Gefährtin“ ist à la Ibsen der letzte Akt einer
drungen sind, daß sie keinen Blick übrig haben für den
Tragödie. Ein großer Gelehrter hat seine junge Frau
Wert des Weibes, das an ihrer Seite geht, als eine
begraben, und wir erfahren aus der Unterhaltung mit
stille Welt für sich. Dem eingebildeten Pfahlbürger
einer Freundin und Nachbarin, wie sein kurzes Glück
sticht der geniale Landstreicher mit überlegener Kunst den
schon vor 10 Jahren in die Brüche ging. Der große
Staar, indem er den Ahnungslosen sehen läßt, wie hart er
Mann hat sich damals auf seine Schmerzen eine Theorie
daran war, seinen unterschätzten Schatz zu verlieren. Mittel
gemacht, die aber, wie alle Theorien, den Mangel hat,
zum Zweck: der hypnolische Schlaf. Na, wir alle haben's
nicht ganz zu stimmen. Er hat sich eingeredet, sein junges
wohl gelegentlich gesehen, und so mag's angehen, für einmal
Weib habe in seinem dito jungen Assistenzarzte und Haus¬
und im Scherzspiel. Alle drei Einakter hatten einen un¬
freund den Mann gefunden, der ihr vom Schicksal eigent¬
bestrittenen, lebhaften Erfolg. Im ersten führte Hermann
lich bestimmt gewesen, und er habe kein Recht, ihr ein
Nissen die tragende Rolle siegreich durch, in den beiden
Glück zu rauben, das er selbst ihr dauernd nicht geben
anderen stand Kainz im Vordertreffen. Nicht immer
konnte. Nun, am Begräbnißtage muß er erfahren, daß
siegreich, für unbefangene Beobachter. Physische Mängel
die Tote eine oberflächliche Natur gewesen, die das
stecken seinem Können engere Grenzen, als seine blinden
Glück aus der Hand jedes Andern wohl eben'ogern
Bewunderer Wort haben wollen. Sein Pathos des ver¬
entgegengenommen hätte. Und die dem großen Manne
liebten Komödianten im zweiten Stücke ging um eine
der grauen Theorie die Augen über die nächstliegenden
kleine, kleine Nuance zu weit, die aber gerade genügte,
Dinge öffnet, eben jene Nachbarin, die soll wohl
durchaus unbeabsichtigtes Gelächter hervorzurufen. Sein
als die wahre Gefährtin zu denken sein. Aber das ist
Paracelsus war immer klug, aber mie groß. Man nahm
nicht klar herausgearbeitet, wie denn dieser erste Ein¬
seine zwingende Gewalt über die Menschen hin, weil
akter unlengbar der schwächste von den dreien ist. Es ist
man in freundlicher Stimmung war, nicht weil man
nicht übermäßig glaubhaft, daß ein scharfer Beobachter
mußte. Ueberhaupt: Kainz versteht fast immer zu
sich nach mehr denn zehnjährigem Zusammenleben über
interessiren, böchst selten zu imponiren; der geborene
die wahre Natur seines Gefährten noch so gröblich
Cyrano von Bergerac: ein merkwürdiger Mensch, dessen
känschen sollte. Oder richtiger vielleicht: es ist in einem
Schicksal uns fesselt, oyne uns je im Innersten zu er¬
kurzen Akte nicht glaubhaft zu machen. Ob uns nun schüttern. Was die Gesamtheit der Darstellung anlangt,
der Schlußakt einer Tragödie in drei oder einem Akte so marschirt das Deuische Theater wohl wieder an der