II, Theaterstücke 9, (Der grüne Kakadu. Drei Einakter, 3), Der grüne Kakadu. Groteske in einem Akt, Seite 589

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9•4. Dergrnene KakadZukLus
Paris über die Armee von Versaiskes beendet wurde. Es ist
Kom' ianten und unwissende Schwätzer werden uns als die
bekannt, daß Ludwig XVI., ahnungslos wie immer, den
Männer der großen Revolution vorgeführt. Der Bastillen¬
Bastillensturm eine Revolte nannte, und daß der Herzog sturm wird zu einer kläglichen Revolte, zu einem Putich der
die Aristokraten nicht verhindert, in einem Keller von Poris
v. Liancourt ihm erwiederte: „Sire, dites revolution.“ Es
gehört nicht hierher, daß Fnnck=Brentano und sein Vor¬
ihren Bergnügungen nachzugehen. Dann aber, wenn der
redner Sardon nebenbei noch andere Legenden zu zerstören
Schluß eine dramatische Steigerung verlangt wird die Re¬
suchen. Wir erfahren, wer sich hinter der sogenannten
volte zur großen Revolution, die ein bengalisches Licht über
das Metodrama wirst.
eisernen Maske verbarg. Wir erfahren, daß das sagen¬
umwobene Staatsgefängniß eine humane Anstalt war,
Kein Freund der Geschichte wird es bedauern, wenn alte
eine Ait Ferienkolonis für vornehme Herren, denen Legenden zerstört werden. Sache der Dichter ist es, al
man das Zuchthaus ersparen wollte, wir erfahren, den Trümmern neue Legenden zu erbanen. Alle guten
daß große Schriftsteller, unter ihnen Voltaire und Diderot, Historner waren halbe Poeten, und das Beodrängen der
gelegentlich in der Bastille ihren zwar unfreiwilligen aber
Palten Legenden durch die neuen nennt man ja wohl die
historische Wahrheit.
sehr behaglichen Aufenthalt hatten. Der ehrliche Sardon
die jeder Gelfzer alrü
lacht über die Märchen, die seit hundert Jahren über Er¬
Als am 12. Juli 1789 die Bastille eingenommen war,#ndern. So
herzlos
mordung und Mißhandlung von Gefangenen und über
stürzten sich die Sieger auf die Archive und warfen die des langen Monologes i
leine der Statistinnen erh
abenteuerliche Grausamkeiten aufgetischt werden; derselbe ehr¬
Paviere zu den Feustern hinaus. Offenbar waren die
Bastillensturmer keine Philologen. Seitdem hat man die fiet. Ach, welch ein Fall
liche Sardon wird dieselben Märchen vielleicht morgen
meisten Dokumente wieder gesammelt und jedes Blättchen sinken, wie wenn eine Blüt
benstzen, um irgend einem Theaterstücke eine unerhörte Sen¬
am Schlusse des fünften A
sation zu geben. Es paßt ihm nur besser in seinen politischen
durchforscht. Und trotzdem viele Angenzengen den Tag be¬
Ich sah ruhig zu, wie
Kram, mit seiner Hinterkreppenphantasie sich über die Männer
schrieben haben ist auch für diese Thatsache objektive Wahr¬
meiner Rechten, ohnmäch
der Revolution lustig zu machen.
heit nicht herzustellen. Historische Wahrheit heißt die Legende,
Freude bei dem Gedanken
die gerade geglaubt wird; und das hängt von subjektiven
gesehen wurde, deß ich siel
Schuitzler hat nun, bevor er seinen kleinen Mädchen von
Eine ähnliche Erfahrun
Einflussen al.
Wien kreiskös wurde und seinen großen historischen Einalter
wohl Jeder machen, der al
Wenn das schon für die gewaltigen Vorgänge gilt, die sich am
schrieb, offenbar die Geschichte des 14. Juli 1789, die Geschichte
wer als Journalist die ##
Bastillentage abgespielt haben, wie soll eine Erinnerung an
des Bastillensturms, gründlich studirt. Ich habe schon darauf
Menschheit empfängt, zu
die kleinen Ereignisse eines Theaterwinters Anspruch machen!
hingewiesen, daß die materialistische, naturalistische Ge¬
können auf objektive Wahrheit? Diese Ueberlegung war mit
schichtsauffassung und
ie Reaktion sich unabsichtlich
222 Bayreuther Fes#
ein Grund, warum diese Zeilen kein Rückblick auf die letztelkoffiziellen Programm weil
vereinigen, das Heldengedicht von der großen französischen
Theatermonate geworden sind.
Revolution zu parodiren. Schnitzler weiß das alles sehr gut
Fritz Mauthner. festspiele in folgender Rei
und ist als ein moderner Naturalist geneigt, die Bestie im
i.
Menschen zu zeigen, also auch die Bestie in den vermeintlichen] 92 Eine zweite Seele — eine spezifische Schauspielerseele hat
Sonnabend, 22. „Rheingold“
die ungarische Hofschauspielerin Marie Jaszai in sich entdeckt
Sonntag,
23. „Walkiste“,
Helden vom 14. Juli 1789. Von den Verstößen gegen die
Montag,
24. „Siegsried“.
und legt über diese Entdeckung eine „Beichte“ ab. Sie schreibt in
historische Wahrscheinlichkeit soll hier nicht noch einmal die
25. „Götterddun
Tienstag,
„Bühne und Welt":
Rede sein; sein Stück hätte die Bühne nicht so enorgisch ge¬
28. „Meistersing
Freitag,
„Unzählige Male habe ich mich dabei ertappt, wenn ich starke körper¬
Sonnabend, 29. „Parsisal“.
wonnen, wenn er nicht mit bemerkenswerther Frei##eitfliche oder feelische Schmerzen litt, daß ein zweites Ich mit neugierig!
31. „Parsisal“.
Rontaa, Angust.
dekadente Stimmungen von 1899 in das durchaus sentimentale kaltem Späherblick die äußeren Zeichen jener inneren Stürme und
und pathetische Paris von 1789 verlegt hätte, wenn er nicht] Kamese beobachtete. So unwillkürlich, ja unleidlich waren diese
Dienstag, 1. „Meiste#sing
Freitag,
„Meistersing
Späherblicke, daß ich mein Bühnen=Ich mit den bittersten Vorwürfen
um des Kontrastes willen das Lustspiel und das Melodrama
Sonnabend, 5. „Parsisal“.
überhäufte und ihm strengstens untersagte, meine Schmerzen und
sich so abspielen ließe, als hatten nicht zu jener Siunde die
Als Orchesterleiter wei
Qualen zu profauen Zwecken auszubenten.“
Sturmglocken von Paris geläutet. Er ist Theaterschriftsteller
Karlsruhe, Hans Richter=A
Nach diesen Straspredigten ist die zweite Seele denn auch regel¬
und hat als solcher das Recht, die Sturmglocken erst mit dem
wirken.
mäßig verschwunden, doch erst, nachdem sie das Geraubte mit¬
letzten Auftritt einsetzen zu lassen. Sardon hätte es ebenso ge¬
genommen und die prophetische Mahnung zurückgelassen: Warte nur,
macht und im Uebrigen vielleicht nicht so gut.
du Stolze, du kehrst noch demüthig zuruck und bittest und flehest um
Ein Ueberlebend
das, was du jetzt verächtlich zurückgewiesen!
der altere Bruder der 9
Worauf aus Anlaß des Buches von Funck=Brentano
Und sie besält Recht! Nach Ronaten, nach Jahren flehe ich
London mit seinen 94 Jah
noch einmal aufmerksam gemacht werden soll, das ist nur
demüthig um einen Lant, eine Handbewegung, die sie mir im Momente
ist, wohnte neulich noch e
ein einziger Punkt: daß ein Dichter nicht in einem Athem
der bittersten Lusten geraubt hat.
schaft bei. Bei dieser Gel#
eine Legende zerstören heifen und dieselbe Legende zur Schiu߬
So war es auch, als der Tod uns den Dramendichter Gregor
innerungen.
sch war
apotheose seines Dramas benützen sollte. „Der grüne Kakadn“Esiky entrissen. Ich stand an der Bahre des alten Freundes, mitten
Philharmonischen Gesellsch
ist nach der ganzen Anlage ein sati isches Werk. Schlechte unter den Weinenden und Trauernden, aber trotz meiner Thräuen, Konzert höre. Als ich an