II, Theaterstücke 9, (Der grüne Kakadu. Drei Einakter, 3), Der grüne Kakadu. Groteske in einem Akt, Seite 598

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9.4. Denrnene KakadZ#klus

Kehraus.
Berliner Cheaterbrief.
Von
Richard Nordhausen.
Es ist wahrlich kein günstiges Zeichen für das Spieljahr,
E wenn der Chronist die Verichterstattung getroß drei
Monate lang ruhen lassen darf, ohne befürchten zu müssen,
daß die inzwischen aufgeführten Meisterwerke mit eherner
Stimme gegen seine Pflichtvergessenheit sprechen. Der
Chronist ist langlebiger als all diese Meisterwerke zusammen,
und der einzige Grund, der ihn anfenern könnte, sie ohne
Verzug an den Pranger zu stellen, besteht darin, daß drei
Monate nach ihrer Erstaufführung überhaupt kein Mensch
mehr von ihrer Eristenz weiß. Wer im modernen Theater
mehr als eine zufällige Erscheinung sieht, wer es in Zn¬
sammenhang bringen möchte mit dem frisch pulsierenden
Leben draußen, der steht dem jetzt zu Ende gehenden Spiel¬
jahre ziemlich rattos gegenüber. Anfangs nach außen hin
ungemein geschäftig und nervös erregt, wußte es schon in
der Hochsaison die hippokratischen Züge nicht mehr zu ver¬
bergen, und seit Jannar dauert bereits der Kehraus. Ohne!
Lust und Liebe werden die Novitäten, deren Verfasser auf
ihrem Schein bestehen, heruntergespielt; ihre litterarische
Physiognomielosigkeit wetteifert mit der Interesselosigkeit des
Publikums. „Die Politik wird unter mir sehr langweilig
werden“, sagte der heimgegangene Graf Caprivi, als er sein
schweres Amt antrat; unsre Theaterdirektoren scheinen heuer
ausschließlich den Ehrgeiz gehabt zu haben, dramaturgische
Caprivis zu sein.
Der einzige Autor, der die Menge-fesselte und gemann.
war Thilo von Trotha, dessen „Hofgunst“ an Der gtraft sich
fast mit der unvergeßlichen und im übrigen unvergleichlichen
Tante Charleys vergleichen läßt. Dagegen vermochten
weder Hauptmann noch Sudermann dauernde Triumphe
zu erringen, und die Wildenbruch, Halbe, Hirschfeld und
Fulda, die mit ihnen um den hochstehenden Lorbeer kämpfen,
versagten sogar völlig. Wildenbruchs „Gewitternacht“
brachte es im Berliner Theater kaum auf die üblichen drei
Notaufführungen. Der Dichter hatte diesmal seiner Be¬
gabung, die ihn in die dämmernden Fernen unsrer vater¬
ländischen Geschichte weist, zu viel zugetraut. Er wählte
einen Stoff, bei dem mit frischer Draufgängerei, mit Hurra¬
rufen und bloßen Operneffekten allein nichts auszurichten
war, der, wenn schon nicht nach psychologischer Vertiefung,
so doch nach behutsamer und geschickter Abtönung der Gegen¬
sätze verlangte. Die Zeit und die Thaten des Alten Fritz!
liegen uns noch zu nahe, als daß wir sie im Sul der#
„Karolinger“ oder „Heinrichs IV.“ behandelt zu sehen
wünschten. Wenn auf Friedrichs Seite alle vornehmen
Seelen, alle Talente und Geisteshelden stehen, während seine
Gegner durchweg betrübende Dummheit und erschreckliche
Niedertracht verkörpern, so erweckt das schon Mißtrauen
gegen die künstlerischen Qualitäten des Stückes. Und es
bedarf kaum noch der Erfindung einer so wüsten und wild
verworrenen Kolportageromanhandlung, wie sie Wildenbruch
uns zumutet, um die Stimmung unter Null zu bringen.
Ein junger schlesischer Edelmann hängt mit Jubrunst an
Friedrich, in dem er den Besreser und Erlöser Deutschlands
grüßt, bis ihn die „widerrechtliche" Besetzung Schlesiens
ins feindliche Lager treibt. Sein Machtwort verbietet der
Schwester, sich dem geliebten preußischen Ossizier zu ver¬
loben, er flieht mit ihr an den sächsischen Hof und schwingt?
sich zur Seele der Opposition gegen den gekrönten Berliner
Gewaltmenschen auf. Aber die Dresdener Luft erweist sich
doch bald als sehr ungesund. Selbst dem Zornigen, in
den sich übrigens die Königin, „der einzige Mann am
ganzen Hofe“, ziemlich deutlich verliebt, geht die Erkenntnis!
der Erbärmlichkeit und Unfähigkeit seiner Umgebung auf,
und sein Schwesterchen nun gar muß den bittern Kelch bis
zur Neige leeren. Ein lüsterner sächsischer Junter stellt ihr
ruhelos nach, verleitet sie zum Hazardspielen und sprengt
das falsche Gerücht von dem Tode des bewußten geliebten.
Preußenoffiziers aus. Charlotte bricht ohnmächtig zu¬
sammen. „Jetzt bist du mein!“ schreit vor versammeltem
Hosvolk der merkwürdige Verführer, und sie ist thatsächlich
sein. Daß sie zur Strafe in Wahnsinn verfällt, daß ihr
Bruder sich angeelelt abwendet von den Dresdener Ränke¬
spinnern und sein verpfuschtes Leben durch einen Pistolen=
schuft endet, maddem er vorter den gresen Rtnig üher, su gritndn, dae sheimn sein. Adalt in eim. Last er den er sih ingnisten auch verlobt hut, und was das lm
Blumenthal und Radelbug jemals ernsthafte Possenkonkurrenz liche ist; die Verstorbene wußte darum und erniedrig
die tückische Staatskunst Sachsens die Angen geöffnet hat,
kann nach alledem gar nicht ausbleiben. Vielleicht hätte wird machen konnen, glaube ich jetzt freilich nicht mehr; trotzdem weiter. „Ich verstehe die Welt nicht mehr,
übersettten Hebbeischen Worten
diesen
Versen wir aetrost viebenischer
tpbeite.
inbedentlicher,