II, Theaterstücke 9, (Der grüne Kakadu. Drei Einakter, 3), Der grüne Kakadu. Groteske in einem Akt, Seite 603

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9.4. Der gruenenakadnkIus
Tempören, dann streiche ich die erregende Scene mit dem Assinenten aus t beinahe das Herz einer s
Kunst, Wissenschaft und Leben.
meinem Leben und kehre zurück zu meinen wissenschaftlichen Arbeiten, Die Rolle scheint Kainz
PxVerliner Theater.] Drei Einacter von Arthur Schnitz¬
bei ihnen Ruhe und Vergessen suchend. Diese psychologische Entwicklung
lerischen und doch oft lustd
ler. Erne Aufführung im Deutschen Theater. Drei einen
ist mit großer Feinheit durchgeführt, und die jähen Umschläge der Stim¬
stattet, seine Mephistobegabu
Abend füllende Einacter werden jetzt entschieden Mode, und zwar scheint
heit zu vereinigen. Er hyp
mung vollziehen sich ehne Gewaltthmtigkeit in voller Logik, trotz der
es dami ebenso zu stehen, wie mit den gleichfalls in Aufnahme ge¬
durch Frl. Dumont sehr re
knappen Form, die der Ein#eter bedingte. Hermann Nissen als Prof.
kommenen Collectwausstellungen der Maler: der Künstler will nicht
zunächst einen Ehebruch sug
Pilgram war ausgezeichnet, und Främem Sarrow als Freundin der
nur sein Werk zeigen, sondern dem Zuschauer auch einen Einblick in
sie nun, die volle Wahrhei#
Verstorbenen bot uns eine sein abgestimmte Rolle. Ganz anders der
seine Werkstatt gestatten, er will, daß man das einzelne Stück nicht nur
wurf des Ehebruchs befreit,
„grüne Kakadu“. Schnitzter neunt das Stück eine „Groteske“ und
als solches beirachte, sondern daß die Summe der Stücke einen Ein¬
Geständnissen getrieben wir
läßt es am 14. Juli 1789 am Tage des Bastillensturmes in Paris
in naiver Selbstverständlich
druck gebe von der Bielseitigkeit und der Schaffensart der Künstler.
spielen. Ein früherer Schmierendtrector hat eine Kellerkneipe — der
Was iin Sudermanns Morituri schon anklang: die verschiedenartige
heim geliebt, und wie ihr
grüne Kakadu — aufgethan, eine vorgebiiche Verbrecherhöhle, in der
Grundstimmung der einzeinen Stücke, die düstere Färbung „Tejas“,
denten näher gebracht habe,
seine frühern Schauspieler verkehren und durch Erzählung und Mimen
„Frtzchen“, das moderne #uktur= und Conversatidusstück und das eine
glückliche Verkettung der 1
entsetzlicher Verbrechen die kranken Nerven hocharistokratischer Zuschauer
kokette, spielerische, anmmtige Form in erste Linie stellende „ewig Männ¬
in Zukunft nicht brechen we
kitzein, die mit Vorliebe den Keller besuchen, um im Verkehr mit den
liche“, das wird jetzt bei Schnitzler noch viel schärfer und jedenfalls mit
entsprach es historischer Tre
Verbrechern einen neuen Nervenreiz zu empfangen. Man braucht nicht
vollem Bewußtsein durchgeführt. Die „Gefährtin“ ist das moderne
und gar nach modernster B
weit nach den Modellen zu suchen, die ihm gesessen haben: sie sind zu
der Charcot und Bernheim.
psychologisch durchgearbeitete mit selischen Problemen spielende Sitten¬
finden im heutigen Paris, wo es sogenannte excentrische Kneipen gibt,
Scherze nicht rechnen. Ohr
stück, ähnlich den meisten Stücken, die Schnitzler uns bisher gegeben
die Verbrecherkeller oder Grabgewölbe nachahmend, die sogenannte beste
einen schweren Stand geha
hat; der „Grüne Kakadu“, ein grotesker Schwank von ausgelassenem
Gesellschaft zu ihren Kunden zählen. Diese Décadents von heute mit
dieser seine schwierige Rolle
Uebermut, der sagen will: Seht, ich kann euch auch so kommen; und
dem Sturm auf die Bastille zusammen zu bringen, ist nicht historisch,
nahe, daß wir ihn sobald i
endlich „Paracelsus“ ein fein geschnittenes halb zierliches, halb grüb¬
braucht es aber auch in einem Stücke nicht zu sein, das sich selbst als
auch andere tüchtige und vo
lerisches Versspiel, das uns den Verfasser abermals von einer neuen
Groteske bezeichnet. Während oben der Bastillensturm wütet, regen
so versteht, einer Rolle ein
Seite zeigt. Wie man heute beim Maler immer mehr dahin kommt,
umen im Keller die Décadents männlichen und weiblichen Geschlechts
nicht mehr allein den gemalten Gegenstand zu betrachten, sondern der
man ost nicht weiß, geht er
ihre Nerven auf durch Reibung am Verbrechertum, gefallen sich an den
besondern Technik dieselbe Beachtung zu schenken, so wird auch bei einem
royen und gemeinen Sitten, der brutalen Ausdrucksweise und der
solchen Einacter=Cyklus die Aufmerksamkeit sich nicht nur den einzelnen
cynischen Grobheit, der sie dort begegnen, bis das Verhängnis über sie
Stücken, sondern der verschiedenen Technik derselben zuwenden, mit
hereinbricht in Gestalt der Ermordung eines Herzogs, der ihr Genosse
denen der Autor gewissermaßen paradirt. Die Zeit, wo unsere Autoren
und ihr Führer war, und in Gestalt der Volksmassen, die wutschnaubend¬
harmlos naiv aus ihrem Gemüt heraus ihre Stücke schreiben, ist vor¬
nach Erstürmung der Bastille in ihren Vergnügungsort eindringen.
über; was sie bieten, ist zumeist ein sorgsam ausgearbeitetes Kunst¬
Das außerordentlich Komische des Stückes liegt darin, daß die aristo¬
product, das, wenn man ungleichartige Stücke in gewollter Weise dicht
kratische Gesellschaft niemals recht weiß, ob es mit den Verbrechen?
nebeneinanderstellt, dem Zuschauer als solches zum Eindruck kommt.
Ernst oder Scherz ist, daß sie oft Ernst und Scherz verwechselt.
Am wenigsten Kunstproduct ist die „Gefährtin“ insofern, als sie sich
Eine besonders glückliche Figur hat hier Schnitzler in einem
der bisherigen Art Schnitzlers am meisten nähert. Ein Professor ver¬
wirklichen Strolche geschaffen, der durch Zufall in den Keller ge¬
liert plötzlich seine Frau, die er als um 20 Jahre älterer Mann ge¬
raten ist, einen Idealstrolch in Kleidung, Haltung und Charakter
heiratet hat. Nach einem Jahre des Glückes ist Erkaltung eingetreten,
der von Herrn Rittner gradezu wundervoll gegeben wurde. So#
in die sich der Gatte philosophisch gefügt hat, weil er sich sagt, daß der
sieht ein Mensch aus, der vom Galgen heruntergeschnitten wurde
Unterschied des Alters es num einmayeso mit sich bringe. Er tröstet
oder monatelang in Nachtquartieren bei Mutter Grün seinen Kleidern
sich damit, daß ein Jahr des Glückes über die nachfolgenden Jahre der
eine Farbe beigebracht hat, die gänzlich aufhört, eine Farbe zu sein. In
Gleichgütigkeit hinwegheifen müsse, ja er bescheidet sich selbst damit, daß
unerreichbarer Wahrheit wurde das Verbrechermilieu durch ihn mit der
seine Frau, der natürlichen Anziehungskraft von Jugend zu Jugend
tragikomischen Geschichte von seiner Tante wiedergegeben, die er „abge¬
folgend, die Liebe, die sie ihm versagt, seinem jungen Assistenten zu¬
murkst“ hat, weil sie ihn mit seinem besten Freunde betrog, und durch
wendet, und er erwartet von einem Tage zum andern, daß die beiden
die Trauer um seinen verstorbenen „lieben Vater“, unter dessen sach¬
vor ihn treten und ihn bitten werden: gib uns frei! Da tritt der Tod
verständigem Rat und thatkräftiger Beihülfe er das Handwerk des Ta¬
dazwischen, der den Professor wohl ergreift, ihn aber, wie unter den
schendiebs mit so viel schönerm Erfolg ausüben konnte. Das Stück
obwaltenden Verhältnissen wohl verständlich, keineswegs zur Verzweiflung
wurde mit lautestem Beifall aufgenommen und der Verfasser mußte
treibt. Er unterläßt es, in den Papieren seiner Frau den Beweis ihrer
wohl fünf bis sechs mal vor der Rampe erscheinen. Zu dem Erfolge
ehelichen Untreue zu suchen, von der er überzeugt ist, und er will seinen
trug nicht wenig auch das vorzügliche Spiel bei, durch das sich nament¬
Assistenten auch nicht merken lassen, daß er das schuldige Verhältnis
geahnt. Dieser, der Assistent, der sich auf einer Reise befand, kehrt
dient machten. Nicht ganz unschuldig am Erfolg des grünen Kakadus!
unmittelbar nach dem Begrävnis zurück und da stellt sich denn heraus,
war auch unsere liebe Polizei, bzw. die Censur, die das Deutsche Theater
daß er sich soeben verlobt hat. Der bisher so ruhige und geduldige
so warm an ihr Herz geschlossen hat, daß sie sich kaum je die Gelegen¬
Professor gerät nun in namenlosen Zorn, denn wenn er den beiden
heit entgehen läßt, für das Deutsche Theater durch ein Verbot eine wirk¬
ihre Liebe verziehen hätte, so kann er dem Assistenten nicht vergeben,
same Reclame zu machen, für die Director Brahm nicht dankbar genug
daß er mit der Liebe seiner Frau gespielt und „sie zur Dirne gemacht
sein kann. Hauptmanns Weber mußten der Censur erst durch das
hat“. Voll Empörung wirst er ihn zum Hause hmnaus, das Opfer
Oberverwaltungsgericht aus dem Rachen gerissen werden; auch Suder¬
tiefster Erregung und voller Mitgefühl mit der Verstorbenen, deren
manns Johannes der Täufer wurde ihr nur mit Mühe abgerungen, und ##
Liebe in solcher Weise getäuscht worden sei. Dem niedergeschmetterten
jetzt suchte sie auch dem grünen Kakadu den Hals umzudrehen. Warum
Manne gegenüber wagt nun eine Freundin der Verstorbenen eine Ge¬
wissen wir nicht, es müßte denn sein, daß Revolutionsscenen überhaupt;
walteur, indem sie die Wahrheit enthüllt und dem Professor offenbart,
nicht mehr gegeben werden sollen, oder daß das Schicksal der aus
daß seine Frau von dem Verlöbnis gewußt und sich auch sehr leicht
Liebesdurst ermordeten Tante der Polizei allzu schmerzlich gewesen ist.
damit abgefunden habe. Sie sei zufrieden gewesen mit der Freiheit, die
— „Paracelsus“ liegt wieder auf einem ganz gandern Geblet. Schnitzler—
ihr ihr Gatte gewährte, und was sie dann beim Assistenten gefunden.
nennt es ein Versspiel und geistreiche Anmut soll hier die Eigenschaften
habe, sei eben nur das gewesen, was sie selbst suchte. Die zweite
ersetzen, die die vorhergehenden Stücke auszeichnen. Theophrastus Bom¬
Reaction tritt damit ein: ja wenn es so steht, dann habe ich ja eigent= bastus Hohenheim, genannt Paracelsus, der Wunderarzt aus dem An¬
lich keinen Anlaß mehr, mich über den ihr angethauen Schimpf zu fang des 16. Jahrhunderts, tritt zu Basel auf, wo er einst studirt hat und