II, Theaterstücke 9, (Der grüne Kakadu. Drei Einakter, 3), Der grüne Kakadu. Groteske in einem Akt, Seite 648

Philippus Bombafius von Hohenheim, dessen arztliche Wunder¬
kuren nicht nur in seiner Schweizer Heimath, sondern auch in
Deutschland Aufsehen erregten. Die Verehrer des sonderbaren
Mannes nannten ihn einen Weltweisen, seine Feinde und
Neider qualifizirten ihn als Gaukler und Schwindler. Ueber
den Werth der Schriften des Paracelsus ist man bekanntlich
auch heute noch nicht einig geworden. Arthur Schnitzler
charakterisirt den Helden seines Stückes als einen seiner Zeit
weit vorauseilenden Geist, der die Kräfte der Natur im Dienste
der ärztlichen Kunst zu verwerthen verstand. Die Hand¬
lung des Stückes besteht darin, daß Paracelsus im Hause des
Waffenschmiedes Cyprian jenes weibliche Wesen wieder erblickt,
dem er einst in jungen Jahren sein Herz geweiht. Justine ist
jetzt die Gattin Cyprian's. Mit Hülfe der Hypnose und auf
dem Wege der Suggestion zwingt Peracelsus die zur Flatter¬
haftigkeit neigende Frau, alle Regungen ihres Herzens
ihrem Gatten darzulegen, und dieser erkennt, daß eine hübsche
junge Frau ein Besitz ist, den man sorgfältig zu hüten hat.
Paracelsus beweist durch sein Experiment, daß Schein und
Wahrheit, Spiel und Leben ineinanderfließen. Daß solch ein
Thema zur Satire anregt, ist klar, und der Autor hat deren
hinreichend verwendet, um das Stück pikant zu gestalten. —
Herr Kirch gab die Titelrolle in charakteristischer Maske und
ließ es bei den Weisheitssprüchen des Theosophen auch nicht
an dem nöthigen Nachdruk fehlen. Herr Otto verlieh dem
Waffenschmied einen Zug von Naivetät, der dem Charakter
vollkommen entsprach. Fräulein Bauer spielte die Rolle der
Justina sehr brav, nur wird die fleißige Schauspielerin den
Zustand, in dem sich Justina nach der Hypnose befindet, etwas
deutlicher markiren müssen. Die Nebenrollen wurden von den
Herren Mylius und Alving und von Fräulein Sangora den
Inlentionen des Autors gemäß dargestellt.
Das Schauspiel „Die Gefährtin“ behandelt ein Ge¬
sellschaftsthema, das trotz des modernen Charakters doch uralt
ist, nämlich den Ehebruch. Beim Beginn des Stückes sehen
wir Professor Pilgram, der soeben vom Begräbniß seiner Galtin
heimgekehrt ist. Eine düstere gewitterschwere Stimmung erfüllt
die Szeue, die uns den Gaiten der Dahingeschiedenen in einer
Verfassung zeigt, die mit der gewöhnlichen Trauer nichts gemein
hat. Er weiß es nämlich, daß seine Gattin ihn seit einer Reihe
von Jahren betrogen hat, daß sie die Geliebte seines Assistenten
Dr. Hausmann wär, aber erst, als er erfährt, daß dieser Haus¬
freund seit längerer Zeit mit einem Mädchen verlobt ist, das
er zu heirathen gedeutt, empfindet er es als Schmach, daß die
Gattin die Geliebte dieses Mannes gewesen ist. Diese Empfin¬
dung steigert sich, wenn er erfahren muß, daß seine Frau mit
der sittlichen Erniedrigung einverstanden war. Der Professor
verläßt mit Ekel sein Haus und will fortan nicht der Trauer
um die Verlorene, sondern der Arbeit sein Leben widmen.
Die psychologische Motivirung des Charakters zeigt grelle
Wiversprüche, aber wir nehmen diese hin der einheitlichen
Stimmung wegen, die das ganze Stück erfüllt. Herr
Otto gab den Professor mit ergreifendem Ausdruck
und meisterhafter Natürlichkeit. Frau Otto=Körner
und Herr Leisner spielten ihre Rollen mit künstlerischem Ver¬
ständniß.
„Der grüne Kakadu“ übertrifft an Bühnenwirksamkeit
die beiden vorhergegangenen Stücke ganz entschieden. Schon
die Aufwendung des großen szenischen Apparats imponitt."
Während in der Kellerkneipe „Zum gisnen Kakadn“ fahrende¬
Komödianien, Spitzbuben und liederliche Dämchen zur Belusti¬
gung der hochadeligen Gäste Szenen aus der Tragödie des
menschlichen Elends aufführen und der Wirth Prospère dabeig
ais Regisseur sungirt, braust auf Sturmesflügeln die Revolution
über Paris. Die Bastille wird gestürmt, und als die Sieger
in den Keller mit dem Ruse „Freiheit“ dringen, hat der
Komödiant Heuri soeben erfahren, daß seine Gattin ihn insam
betrogen. Kaum hat er den staunenden Bewunderern seines
Talents eine Eifersuchtsszene vorgespielt und die Ermordung des
Verführers erzählt, da erscheint dieser Verführer wirklich in der
Gestalt des lustigen Herzogs von Cadignan. Heuri sticht ihn
nieder, und so fließen auch hier Spiel und Wirklichkeit in
Bezüglich der Darstellung sind mit besonderer Anerkennung
die Herren Horvath (Henri) Scholz (Prospère), Auspitz
Grain), Kirch (Herzog) und die Damen Frl. Bauer (Schau¬
pielerin Leöcadi) und Frau Otto=Körner (Marquise von
Lansac) zu erwähnen. Aber auch die übrigen Mitwirkenden
brachten ihre Rollen trefflich zur Geltung. Musterhaft war
das Zusammenspiel. Die drei Einakter werden sich voraus¬
sichtlich längere Zeit auf dem Spielplan behaupten.