II, Theaterstücke 9, (Der grüne Kakadu. Drei Einakter, 3), Der grüne Kakadu. Groteske in einem Akt, Seite 652

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9.4. per gruene Kakadu Zuklus
eines erschütternden Seelengemäldes von be=sieht nicht alle Tage einen wirklichen Herzon wirklich keit
wunderungswürdiger psychologischer Vertiefung, sermorden.“ Inzwischen ist die Bastille erstärmt, und erzäh
außerordentlicher Feinheit der Linien und gewal= das Volk, von dem neue Schaaren auch in Prospère's gelie
tiger Wirkung auf jedes empfindende Gemüthl
Keller stürzen, rufen begeisterungentflammt: „Es aber
„Paracelsus“
welch' geistvolle Darlegung
gut
lebe die Freiheit!“ Die Marquise aber bestellt sich
halte
des Erkennens des Menschenlebens mit seinen
ihren Liebhaber: „Rollin, warien sie heut' Nacht
Weg
Verkennungen, seinen Wünschen und seinem Ent= vor meinem Fenster; ich werse den Schlüssel hinunter,
weich
sagen, seinem Hangen und Bangen zwischen Ver¬
wie neulich.“..... Es ist ein Stück von außerordent¬
Ern
langen und Pflicht! Und schließlich „Der grüne
licher Echtheit in Ton und Farbe, und darin besteht sein
wie
Kakadu“ — welch' lebensprühendes tolles Bild
unzweifelhafter künstlerischer Werth, viel weniger oder
das
dramatisch bewegten Lebens am Tage der Erstürmung gar nicht in dem Effect, den es durch rohe Massen¬
der Bastille zu Paris!
wirkungen und stärkste Arzneien hervorbringt, abgesehen
Mag man über den Gehalt der Stücke sagen, wasdavon, daß z. B. die Figur des Henry ungemein ver¬
immer man will, mag man in dieser Hinsicht über innerlicht ist, und in ihren Grundzügen, speciell in ihrer.
als Zusammenstellung mit Leöcadie und dem Herzog,
Schnitzler zur Tagesordnung übergehen,
denselben Charakter trägt, wie fast alle Hauptfiguren
ganzer Künstler offenbart er sich hier doch, und als
Bühnenstücke werden die drei Einacter stets von
der Schnitzler'schen Comödien, — den Charakter, der
ungewöhnlicher, wenn auch im Einzelnen höchst
sich aus der Collision legitimer und illegitimer Ver¬
hältnisse ergiebt.
Uüterschiedlicher Wirkung sein. Hier stehen „Para¬
Dieses letztere Thema wird durch Schnitzler
celsus“ und „Die Gefährtin“ so ziemlich auf der
auch in der „Gefährtin“ vartirt. Hier stellt der Ver¬
einen, „Der grüne Kakadu“ auf der andern Seite,
und zwar ist bei dem letzteren Stück der hervorge¬
fasser einen Professor auf die Scene, dem seine Frau
gestorben ist, von der er seit Langem gewußt hat, daß
rufene Effect weitaus am stärksten.
Wir werden in die Spelunke des vormaligen sie in seinem Assistenten einen Liebhaber hatte, ohne
Theaterdirectors, jetzigen Wirths Prospère geführt;
daß er sie deshalb von sich zu stoßen den Drang auch
verspürte. Nein, er wartete vielmehr darauf, daß die
ein sonderliches Local. Prospère ist ein geriebener
wen
Beide vor ihn treten und die Freigabe der Frau
Pfifsicus; sein Geschäft steht auf der niedrigsten
verlangen sollten, damit sie ihrer Liebe leben könnten,
Stufe der Moral oder richtiger gesagt Unmoral.
gew
schm
da das junge Weib ihm, dem alternden Manne, doch
Die Mitglieder der Schmiere, der er einst vorstand,
keine innere Neigung mehr entgegenzubringen ver¬ Arsa
sie kommen auch jetzt bei ihm, und es ist ein eigen¬
möchte. Nun muß er erfahren, daß die Verstorbene thifd
artiges Geure, das sie als Darsteller fructificiren.
nicht nur ihm untreu gewesen, sondern daß sie auch heit
Nicht duß sie Stücke zur Aufführung brächten, nein,
sie treten in der Verkörperung von Verbrechern jeg¬
dem Assistenten ihres Mannes so wenig treu düe
zu sein gedachte, wie sie von demselben, der aufg
licher Art auf und haben es in dieser Beziehung zu
einer gewissen Virtuosität in der Nachahmung der sich jetzt eben verlobt hat, Liebe und Treue
verlangte. Sie stand also noch uneudlich tiefer als
Natur gebracht; je naturalistischer, desto besser; und
der Professor geglaubt und geduldet hatte, ohne ihr
als da nun Prospère einen wirklichen Mörder
engagirt, der seine Tante ins bessere Jenseits beför- zürven zu können, da er sich keizen Illusionen
hingab und schon bei seiner Verheirathung
derte und dafür zwei Jahre Gefängniß abgesessen hat,
überzeugt war, nur ein, höchstens zwei Jahre ehe=dem
wird er von den Mitgliedern der Bande mit wonne¬
lichen Glückes erhoffen zu dürfen. — Es ist ein Wan
schaurigem Gebahren begrüßt. In diesem Locale
ergreifendes Seelengemälde, dem Schnitzler überaus Auch
ist's, wo sich neben allem möglichen anderen
feinsinnig Gestals gegeben, weitaus gedankenreicher wan
Volk mit besonderer Vorliebe auch die über¬
sättigten und den aufreizendsten Genüssen nach= noch aber ist der „Paracelsus“. Der also genannte wirkt
jagenden „Edlen von Paris“ Rendez-vous geben, ist Zauberer und Medicus Theophrastus Bombastus trag
es doch etwas ganz Apartes, was hier an fin de Hohenheim, modellirt nach dem bekannten Mep
sieele-Ragont des vorigen Jahrhunderts sich ihnen Schwyzer Arzt und Naturforscher, ist nach mit
bietet. Natürlich fehlt es in der Spelunke auch nicht seiner Heimathstadt Basel zurückgekehrt (das diese
an Weibern, und da ist u. A. Leöcadte, eines jener Stück spielt zu Beginn des 16. Jahrhunderts) trete
verführerisch schönen Weiber, die — zur Dirne ge-und kommt in's Haus des biedern Waffen- haft
boren sind. Der Schauspieler Henry hat sie ge= schmiedes Cyprian und seiner Gattin, die Paracelsus behe
heirathet; er weiß, welches Leben sie hinter sich hat, einst geliebt, ohn' selbst zu wissen, wie sehr er in zu t
Altonaer Stadt=Theater,#aber er glaubt sich dennoch geliebt; daheim auf dem das Herz des schönen Mädchens eingedrungen war. Herr
Der protzigen Behäbigkeit des Cyprian spielt nun Styl
Lande beabsichtigt er mit Leöcadte fortan friedlich seinen
Paracelsus einen argen Streich. Zuvörderst sagt wan
„Paracelsus", „Die Gefährtin", „Der grüne Kohl zu bauen. Aber vorher will er bei Prospère noch
er ihm:
Kakadu“,
eine Probe seiner grausigen Kunst ablegen. So tritt
Von Neuem immer, seh' ich solche Frauen,
er denn auf als Mörder des Herzogs, der nach der
von Arthur Schnitzler.
schaurigen That von taumelnder Freude und Genug¬
Geschaffen, hohen Menschen Glück zu sein,
K-2. Die Einacter=Trilogie, die gestern Abend ihnung über das Verbrechen erfüllt (denn der Herzog
An einen Gauch, wie Ihr seid, weggeworfen,
im Altonaer Theater zur Aufführung gelangte, um= war noch nach Henry's Heirath mit Leöcadie ver¬
in F
Erbittert mich's auf's Neul Und nun gar die,
faßt Schöpfungen eigener Art und eigenen Reizes, in eint), aber auch wie vom Wahnsinn gepackt ist.
Die einst von Paracelsus ward geliebt,
ihrem inneren Werth nicht gerade allzu hoch zu ver= Auch die Marquise von Lansac weilt heute
Und die man — wohlberathen — Euch gegeben,
im „
anschlagen, denn es sind weder neue Wahrheiten, die Abend, wo Henry sein Meisterstück aufführt, mit
Als wär' ein Mädchenloos damit erfüllt.
grun
Schnitzler uns verkündet, noch steht der sittliche ihren Cavalieren im Keller Prospère's, und während
Und Cyprian erwidert höchst verächtlich: „Ja,
spiel
Werth der Stücke, falls von einem solchen überhaupt die Letzteren ihr rathen, es nun genug sein zu lassen
mir; nicht einem Habenichts, wie Euch! Dergleichen Heur
reich
Mädchen sind für Unsereinen!“ Da führt nun Para¬
gesprochen werden soll, auf übermäßig hoher oder und fortzugehen, wird sie immer mehr von be¬
auch nur hoher Stuse, — rühmt man aber dennoch geisternder Aufregung erfüllt durch die Sinnenreize,
celsus seinen Plan zu Ende; er hypnotisirt Justina ins
der Arbeit des vielgenannten Wiener Autors hohen
und läßt sie ihrem Gatten sagen, daß sie mit Junker aus
die sie hier in so raffinirter Form zum ersten
lüänstlerischen Werth nach, so geschieht es nichtsdesto= Male genießt. Und fürwahr, Henry spielt meisterlich,
Anselm sich gegen ihn vergangen, und soweit führt mit
weniger mit gutem Recht und zwar wegen der spielt schauderhaft schön. Man weiß nicht, ob's nicht
der Zauberer den Streich, daß Cyprian an Justina lisik
srapppenden Gewandtheit, mit der der Autor seine doch Wahrheit ist, daß er den Mord ausgeführt. Da
ernstlich zweifelt, wiewohl er wissen müßte, daß word
Idren in so zusammenlassende markante Formen zu erscheint der Herzog selbst auf dem Plan, und nun
Alles Paracelius' Werk, der dadurch für das ihm ge¬ Scho
kleiden weiß, daß der Leser des Buches wie der Zeuge krönt Heury sein Werk; er senkt dem neuen Gast den thaue Unrecht sich rächen will, daß er dem Cyprian des
de Anfführung dadurch in hobem Grade gefesselt und
Stahl in die Brust; der Herzog bricht zusammen, der dem Glauben an die Treue der Gemahlin nimmt. ausch
zum Skaunen gezwungen wird.
Marquise von Lansac aber entfahren die Worte Schtießlich jedoch läßt er sich erweichen, hebt den und
„Die Gefährtin“ — welch' grandiose Zeichnung hellsten Entzückens: „Es trifft sich wunderbar; man Bann, in dem Justina liegt, um größere Wahrhaftig¬ Di