II, Theaterstücke 9, (Der grüne Kakadu. Drei Einakter, 3), Der grüne Kakadu. Groteske in einem Akt, Seite 665

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9. 4. Der gruene kakadu Zyklus
nur auf der Berger Sommerbühne mit seinem Erstlingswerk „Liebelei“
l hin¬
bekannt geworden: schon hier hatte er sich als ein starkes und eigen¬
umor
artiges Talent erwiesen, das aber noch nicht ganz ausgereift erschien.
uspiel
Diese Unfertigkeit hat der hter in seinem neuesten Werke abgestreift;
akter¬
diese Einakter sind abgerundete Kunstwerke, die sich dem Besten, was
bens¬
man im letzten Theaterjahr von den Koryphäen des neuen Dramas
arten,
gesehen und gelesen hat, kecklich an die Seite stellen dürfen. — Obwohl
nizstil,
nicht durch eine gemeinsame Ueberschrift verbunden, wie die bekannten
afalls
Einakter Sudermanns. der damit diese Art von Trilogien in Aufschwung
h an¬
gebracht hat, sind auch Schnitzlers Dichtungen durch einen einheitlichen.
enden
geistlich variirten Grundgedanken zusammengehalten. Es ist der Gegen¬
tilien¬
satz zwischen den Oberflächen und Tiefen menschlichen Seelenlebens, der
in allen drei Stücken wiederkehrt. Das Schauspiel „Die Gefährtin“
zeigt an der Ehestandsgeschichte eines Gelehrten, wie leicht hoher Sinn
sich Tiefen vorsviegelt, wo nur seichteste Oberfläche ist. In dem Vers¬
spiel „Paracelsus“ muß ein Basler Waßenschmied und Rathsherr,
der Typus des platten „gesunden Menschenverstands“ sich überzeugen,
wie auch unter der glattesten Oberfläche oft ungeahnte Tiefen ruhen.
einer
Die Groteske „Der grüne Kakadu“ endlich zeigt an der entarteten
bens¬
Aristokratie der großen französischen Revolution, die ihren blasirten
einen
Geist an den Schauern eines fingirten Verbrecherkellers ergötzt, die Leute,
er“
die, bis der Strudel sie verschlingt, selbst das Grollen der Tiefe nicht
itzen,
anders denn für lustiges Gekräusel der Oberfläche nehmen können.
Alle drei Stücke sind geistreich und tiefsinnig und dramatisch wirksam
gearbeitet. Erst schleppt sich die Handlung ziemlich hin, so das der Zu¬
schauer fast schon ungeduldig wird; dann kommt plötzlich die über¬
enen
raschende Wendung, die bald von einer noch verblüffenderen überholt
yer
wird. Welchem der drei Stücke man den Vorzug geben soll, ist schwer
zu sagen. „Die Gefährtin“ befremdet auf den ersten Augenblick
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durch den eigenartigen Schluß, der erst nach einigem Nachdenken in
seiner Nothwendigkeit und Folgerichtigkeit erfaßt wird. Das Stück
theit
lehnt sich an und setzt sich zugleich in Gegensatz zu gewissen Ibsenschen
Ideen über die Ehe und kleidet sich dabei in meisterhafter Nachahmung
ganz in die gedämpfte, drückende Stimmung Ibsenscher Stücke. In
glücklichem Kontrast dazu steht „Paracelsus“ mit seinem heiteren
Grundton, seinem versöhnenden Ausgang, seiner feinen Characteristik
dal.
und seinen tiefsinnigen Versen. Von allen drei Stücken spricht dieses
am leichtesten an und fand auch gestern Abend den stärksten Beifall.
Die größte Kunst möchte aber doch in dem Schlußstück stecken, dem
„Grünen Kakadu“. Wie hier in rücksichtsloser Realistik die Fermente
s er¬
geschildert werden, aus denen die Greuel der Revolution sich erzeugen
Das
mußten, wie die ganze Wucht des hereinbrechenden Unyeils in einer
aus“
einzigen Seene zusammengefaßt ist, daß ist in der That bewunderungs¬
Hier
würdig. Inscenirung und Darstellung brachte bei allen drei Stücken
und
voll die Stimmung heraus, die jedem eigenthümlich ist; die schwierige
Aufgabe der Massenscenen im dritten Stück wurde glücklich bewältigt.
führen
Die Novität wurde mit lebhaftem Beifall ausgenommen. Sie verdient
ung zu
daß jeder, der sich für die Entwicklung unserer Litteratur interessirt, sie
Es zeigt
nicht unbeachtet lasse.
ist se. und an¬
„Neues Tageblatt“:
Aus einem tüchtigen Specialarzt für Halsleiden hat sich Dr. med.
Arthur Schnitzler, Wien IX, Frankgasse 1, zu einem gewandten Specialisten
„Berliner Courier,
für dramatische Seelenschilderung entwickelt Er ist jetzt auf der Bühne,
Max Dreyer's „Hans“ wurde vom hiesigen Publikum freundlich
was er im ärztlichen Sprechzimmer war: ein eleganter Operateur, ein
aufgenommen. Zwar war die Stimmung nach dem ersten Akt etwas
geschickter, sicherer Arbeiter. Er beobachtet mit scharfem Auge, untersucht
reservirt, dann machte sich aber warme Antheilnahme bemerkbar.
genau und gründlich, notiert das leifeste Zucken, operiert mit leichter
und fester Hand und führt seine klinischen Seelendemonstrationen den
Zuschauern mit geistreichen Erläuterungen vor. Schon vor drei Jahren
hatten wir ihn im Berger Kurtheater kennen gelernt; da deckte er in
„Liebelei“ allerlei krankhafte Zustände und Irrtümer unseres modernen
Die Gefährtin.
Gesellschaftslebens mit keckem Griffe auf. Gestern hat er nun im Hof¬
theater neuere Proben seines Könnens gegeben. Die drei kleinen Dramen:
Schauspiel in einem Akt
„Die Gefährtin" „Paracelsus“ und „Der grüne Kakadu“
tragen äußerlich kein Zeichen des Zusammenhanges an sich. Sie sind
verschieden in den Motiven und im Gange der Handlung und spielen
in weit auseinanderliegenden Zeiten und Orten. Gemeinsam ist ihnen
Paracelsus.
aber der Zug zu den Nachtseiten des Seelenlebens, das Spiel an der
unsicheren Grenze zwischen Traum und Leben, Schein und Sein, Komödie
Groteske in einem Akt
und Wirklichkeit. Gemeinsam ist ihnen eine gewisse Dämmerstimmung
und die ungünstige Schilderung des Weibes. Originell und spannend
sind alle drei Stücke. Das erste Stück — „Die Gefährtin“ — ist
eine eigenartige Studie aus dem modernen Eheleben. (Folgt Inhalts¬
Der grüne Kakadu.
angabe.) Mit raffinierter Kunst hat Schnitzler den einfachen Stoff zu
einem interessanten Stimmungsbilde gestaltet. Das Halbdunkel, das
Groteske in einem Akt von Arthur Schnitzler.
über den Seelen der drei Menschen liegt, die sich hier, am Abend nach
dem Begräbnis der Frau, zum erstenmal rückhaltlos aussprechen, ist
mit all seinen schwankenden Lichtern und Schatten virtuos gemalt. Die
Aufführung am Königlichen Hof=Theater in Stuttgart.
wechselnden Stimmungen und Empfindungen in der Seele des Professors
sind fein geschildert. Schlicht und natürlich vollzieht sich allmählich die
Enthüllung der peinlichen Wahrheit. Von den drei Einaktern wirkt
Den drei Einaktern ward ein voller unbestrittener Erfolg zu Theil,
dieser erste entschieden am besten. Das zweite Stückchen, „Paracelsus“,
über welchen wir die Berichte auszugsweise folgen lassen:
ist durch den Vers über die nackte Wirklichkeitsmalerei herausgehoben.
In keckem Scherz werden darin die zur Kunst ausgebildeten modernen
„Staatsanzeiger für Württemberg“.
Versuche mit Hypnose und Suggestion benutzt, um die Thore einer
Der gestrige Premieren=Abend mit den drei Einaktern Arthur
Frauenseele weit aufzuschließen. Das originelle Vorspiel versetzt uns in
Schnitzlers hat in den Spielplan einen Autor eingeführt, der zu den
die Zeit des Theophrastus Paracelsus Bombastus, des berühmten Ge¬
hoffnungsvollsten Erscheinungen der neueren Richtung im Drama ge¬
hört. Bisher war der junge Wiener Dichter dem Stuttgarter Publikum] lehrten und Charlatans des 16. Jahrhunderts. Dem anspruchslosen, in