II, Theaterstücke 9, (Der grüne Kakadu. Drei Einakter, 3), Der grüne Kakadu. Groteske in einem Akt, Seite 666

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9. 4: Der gruene Kakadu Zuklus
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1 heiten und Wahrheiten. „Wer unter euch ohne Fehler ist, der werfe
Hans Sachs'scher Manier durchgeführten Versspiele, das einige hübsche
den ersten Stein auf sie“ — auch das sittsamste Weib wird den Stein
humoristische Pointen aufweist, folgte als Schlußstück die kühne Kolorit¬
liegen lassen; denn hat sie nie, nie eine Stunde und eine Regung ge¬
studie aus der französischen Revolutionszeit: „Der grüne Kakadu“
habt, mie des Basler Waffenschmiedes tugendhaftes Weib? Die Augen
vom Verfasser als „Groteske“ bezeichnet. Das Publikum war zu der
sind niedergeschlagen. Der Stein bleibt liegen. Vom Beginn des
gestrigen Erstaufführung sehr zahlreich erschienen.
15. Jahrhunderts führt uns das dritte Stück „Der grüne Kakadu“
ins Jahr 1789 — ins Revolutionsjahr nach Paris. In diesem Stück
„Deutsches Volksblatt“:
voll dramatischen Lebens und konsequenter Entwicklung, voll scharfer
Der gestrige Abend brachte als Novität drei Einakter „Die Ge¬
Charakteristik und Leidenschaft zeigt sich am meisten noch die Klaue des
fährtin" Paracelsus“, „Der grüne Kakadu“ sämmtliche von
Löwen unter den modernen Schauspieldichtern. Warum er das Stück
Arthur Schnitzler, einem jungen, erst 37 Jahre alten Autor, der in
„Groteske“ genannt hat? Wir gestehen, für uns fließt da Wahrheit
Wien geboren, dort zuerst als Arzt praktizierte und nun nach seinen
und Dichtung so ineinander, daß wir den ganzen Hergang nicht für
großen Bühnenerfolgen ganz der Schriftstellerei lebt. Von ihm stammen
„grotesk“ nicht für unwahrscheinlich und unmöglich halten. So ist die
„Liebelei“, sein Erstlingswerk „Freiwild“ und „Das Vermächtniß“,
aristokratische Welt jener Tage gewesen, so nervenzerrüttet, frivol und
welch' letzteres im Laufe des Spieljahrs auch hier zur Aufführung ge¬
nach dem Aeußersten lüstern; so ist die Stimmung durchs Volk ge¬
langen soll. Die gestern erstmals gegebenen drei Einakter sind des
schlichen, wie sie im Kakaduwirth repräsentirt wird. So ist es wohl da
Verfassers neueste dramatische Arbeiten, welche in Wien, Berlin und
und dort versucht worden, die Revolution zu predigen im Spiel,
München im letzten Jahre wieberholt aufgeführt wurden. — Die Groteske
während der blutige Ernst im Hintergrunde lauerte! Und soll es
„Der grüne Kakadu“ versetzt uns in die große Revolutionszeit. Die
keinen Menschen und Wirth geben wie den Kakaduwirth und keine
Charaktere sind hier außerordentlich scharf und markant gezeichnet, im
Aristokraten wie die Herzöge, Vicomtes und Chevaliers? Mit Exempeln
Gegensatz zu den zart und sorgsam gegebenen des ersten Stückes. Mit
hierfür konnte heute wieder aufgewartet werden, und mit solchen Höhlen
dem zweiten und dritten Stück hat sich der Beifall des gut besetzten
auch. Und die Schauspieler mit ihrem hohlen Pathos und ihrer un¬
Hauses gemehrt.
gebundenen und ungebärdigen „Genialität“ sind auch nicht übel ge¬
zeichnet für jene Zeiten. Daß sie mit sammt den Damen heute zahmer
Schwäbische Merkur“
sind, wollen wir gerne glauben. So hat dieses Stück mit seinen be¬
Durch die drei Einakter „Die Gefährtin", „Paracelsus“ und
wegten Scenen und Volksmassen auch im Spiel die größte Wirkung
„Der grüne Kakadu“ lernten wir gestern (21. d.) den modernen
hervorgebracht.
Bühnenschriftsteller Arthur Schnitzler kennen, dessen jüngste Schöpfungen
„Berliner Tageblatt“.
die genannten Werkchen bilden, der sich seinen Namen durch die Schau¬
„IT
Aus Stungalt meldet sons ein Privat=Telegramm: Arthur
spiele „Liebelei" und „Das Vermächtnis“ gemacht hat. Die drei
Schnitzler fand gestern am hiesigen Hoftheater mit seinen drei Einaktern
kleinen Dramen sind interessante Arbeiten. In den drei erwähnten
beifällige Aufnahme. Die „Gefährtin“ interessirte als feinsinniges
Einaktern erweist sich nun Schnitzler als nichts weniger wie einen
Seelengemäldg: „Paracelsus“ erheiterte, und „Der grüne Kakadu“
Stürmer und Dränger; er geht neue Wege, gewiß, aber nur insoweit,
fesselte durch seine Handlung und die hochdramatischen Schlußmomente
als er das Inhaltlose und Konventionelle, an dem unsere künstlerische
Produktion so lange gekränkelt, zu überwinden und er seine künstlerischen
Gedanken und seine künstlerische Ausdrucksweise aus dem Leben unserer
Zeit zu schöpfen sucht, dabei bestrebt, der dramatischen Kunst über die
Der Opernball.
gewohnten, zum Theil in Alltäglichkeit untergegangenen Mittel hinaus
neue dienstbar zu machen. Die drei Einakter haben das miteinander
Oberette in drei Akten nach dem Schwank
gemein, daß sie als Stimmungsbilder wirken sollen, und zwar als
Stimmungsbilder, die ihr koloristisches Motiv drei verschiedenen Zeit¬
„Die Rosa-Domino's“
altern entnehmen, das Drama „Die Gefährtin“ der unmittelbaren
Gegenwart, das Versspiel „Paracelsus“ der deutschen Renaissance
von Vi
und die Groteske „Der grüne Kakadu“ dem durch den Tag des
Bastillesturms gekennzeichneten Anfangsstadium der französischen Revolution.
Von besonderer Eigenart ist das kleine Drama „Die Gefährtin“. Die
kleine Handlung ist kunstvoll entwickelt, die Charaktere der wenigen
auftretenden Personen sind fein gezeichnet, und das Ganze ist mit
Das Versspiel „Paracelsus“
Stimmung geradezu durchsättigt.
bewegt sich fast ganz und gar in der herkömmlichen Bühnenform und
fand deshalb vielleicht am meisten Anklang bei dem Publikum, vielleicht
aber auch wegen des heiteren, munteren Inhalts und der niedlichen Versform,
in der es vorgetragen wird. — Ein Stimmungsbild von mächtiger Wirkung
ist das letzte Stückchen, „Der grüne Kakadu“ das der Urheber selbst als
eine Groteske bezeichnet. So viel weltgeschichtliche Stimmung wie hier,
ist wohl seit Scheffels „Hugibeo“ selten in einen engen Rahmen gedrängt
worden. Mit ungemeiner Kunst wird in dem kleinen Drama der Schau¬
platz der Handlung und die gewitterschwüle Revolutions=Atmosphäre
geschildert, unter deren Druck die Ereignisse sich abspielen: man steht
unwillkürlich unter dem Eindruck, als flute in die dumpfe Kellerkneipe
des ehemaligen Schauspielerprinzipals die Revolution mit ihrer ganzen
elementaren Gewalt und allen ihren künftigen Schreckensscenen herein.
Hr. Meery hatte alle drei Stückchen vortrefflich insccnirt.
Der Beobachter“.
von Einater=Ragonts, die mitunter als Verlegenheitskost an¬
Schauspielabenden servirt werden, sind wir für gewöhnlich keine Freunde.
Mit dem vorgestrigen Schnitzlerschen Ragontabend haben wir uns aber
eher abfinden können, geht doch durch alle drei Einakter, die servirt
wurden; ein Grundgedanke, oder — richtiger gesagt — sind sie doch
auf denselben Hintergrund gemalt. Allerdings mit grundverschiedenen
Farben. „Gefährtin“. Das Stück wirkt anfänglich wie ein Lehr¬
vortrag über Psychologie. Dann spannt es die Nerven immer mehr
bis zur Katastrophe. Und wenn der Vorhang fällt, befindet man sich
noch im Banne desselben. Wer dem Spiel mit der Seele gefolgt ist,
wird nicht klatschen können, wie es einige versuchten. Er wird nach¬
fühlen über dieses Nachtstück aus einem Eheleben, über diesen un¬
säglich düstern, aber naturalistisch wahren Lebensausschnitt zweier
Menschenpaare, die nicht zusammengehörten und doch „Gefährten“
in
wa en. Und mit den helleren bunten Farben, fast wie man sie zu
einem Fastnachtspiele braucht, ist das zweite Stück gemalt. Aber der
ni
Untergrund ist wieder duntelernst: es sind die geheimen Regungen des
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Menschenherzens, die, jeder Welt verborgen, nur darauf warten, aus
dem Schlummer geweckt zu werden; die Leidenschaften, die nur auf
Gelegenheit harren zu ungestörter That. Sie schlummern auch im
he
züchtigsten Weiberbusen. Kommt die Stunde nicht und die Gelegenheit die
dann, ja dann ist die Reinheit gerettet. Aber wer schützt vor der Ge¬
legenheit? Das Stück hat, wie man sieht, seine psychologischen Fein¬ 6