II, Theaterstücke 9, (Der grüne Kakadu. Drei Einakter, 3), Der grüne Kakadu. Groteske in einem Akt, Seite 672

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9. 4. Der gruene Kakadu 1K—
Rus dem Dresdner Theaterleben.—

An Max Dreyer kulm übrigens auch der Anti¬
Moderne nicht Anstoß nehmen. So modern männerfeindlich
und emanzipirt sich auch sein Hans gebärdet, im Grunde
seines Herzens schlummert eine weiblich empfindsame Seele,
und es braucht keines allzu großen Apporates, um sie zu
wecken. Frau Basté verrieth ein feines Verständniß für
diese Eigenart der Figur, indem sie die äußeren Härten des
Charakters milderte und dadurch das Erwachen der Unter¬
seele glaubhafter machte. Trotz einer sehr ansprechenden Dar¬
stellung, die außer von Frau Basté von dem Herrn Wiene
(Prof. Hartoa), Herrn Wiecke (Maler Heine) und Herrn
sowie von Frl. Politz
Müller (Großvater),
tragen wurde, hat sich das Stück doch nicht
länger behaupten können. Ein ähnliches Schicksal war den
bekannten drei Schnitzlerschen Einaktern; „Die Ge¬
Fährtin“, „Paracelsus“ und „Der grune Kakädu“
beschieden, die bei der ersten Aufführung lebhaft
fesselten, während bei den Wiederholungen „Paracel¬
meisten
sus“ das stofflich sympathischste Stück, am
gefallen, das künstlerisch werthvollste aber, die groteske
Szene am Vorabend der Revolution, energischen Widerspruch
hervorgerufen hat, ein Beweis, wie sehr die Mehrheit des
Publikums unter dem Banne des rein stofflichen Interesses
steht. Mit um so größerer Spannung mußte man der
Für
1 Aufnahme entgegensehen, die Hauptmanns „Kollege
2 Crampton“ finden würde. Nun, die verspätete Ehrung
5.
12 des Dichters des hier noch immer nicht aufgeführten
„Fuhrmann Henschel“ erwies sich als ein glücklicher Griff, dus
obwohl das literarisch ernsthafter interessirte Publikum das
den
Abonn Werk natürlich längst kennt, vor Allem aus einer Reihe treff¬
Aboob licher Darstellungen, die es vor Jahren im Residenz=Theater
mit Engels erlebt hat. Herr Wiene weicht in seiner Auf¬
fassung des Kollegen Crampton, dessen Urbilo, wie mir von
berufener Seite versichert wird, noch in Leipzig, in sehr ge¬
drückten Verhältnissen, lebt, von der Engels' namentlich inso¬
fern ab, als er den Grundton schwerer und ernster nimmt
und die Trinkerneigung möglichst verschleiert. Die Auffassung
ist mehr originell als richtig, wenn sie auch den Glauben
des Malers erleichtert.
an eine endgültige Heilung
In der Absicht hierauf betont Herr Wiene auch
Cramptons
der
sich
den freudigen Optimismus,
in der Erwartung des fürstlichen Besuches bemächtigt, mit
großer Energie und läßt ihn nach dem Scheitern aller Hoff¬
nungen in eine Stumpfheit verfallen, die mehr Folge eines
seelischen Zusammenbruchs scheint, als eine solche in Folge
körperlicher Ausschweifungen. Der Hauptmannschen Idee steht
ohne Zweifel Engels' von prächtigem Humor und Gemüths¬
leben erfüllte Darstellung näher. Das künstlerische Ereigniß
der nächsten Wochen wird Maeterlincks „Pelleas und
Melisande“ sein, mit dessen Aufführung das königliche
Schauspielhaus allen öffentlichen Bühnen mit Muth voran¬
geht. Außer den erwähnten Neuheiten brachten die letzten
Wochen im Schauspielhaus Neueinstudirungen von Holger
Drachmanns Märchenspiel „Es war einmal“ in der
Zschaligschen Uebersetzung, von Meilhacs „Gesandtschafts¬
attaché“ mit Herrn Stahl in der Titelrolle, von Shake¬
speares „Wintermärchen“ und eine Erstaufführung von
Hugo Lubliners anspruchslosem Lustspiel „Das fünfte
Rad.“
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vom 17%0
Kunst und Wissenschaft.
* Der äußere Erfolg des interessanten Einakter=Cyklus von
Arthur Schnitzler, der bei der Erstaufführung im Königl.
fschauspiel durch die plötzliche Erkrankung des Herrn
Blankenstein nicht unbedenklich gefährdet wurde, hat eine auffällige
Wandlung durchmachen müssen. Einen mehr oder minder starken
Achtungserfolg erringt noch immer das Schauspiel „Die Gefährtin“,
dessen großer Stimmungsgehalt auch diejenigen Zuschauer in
den Bann des Dichters zwingt, die sich — und das mit Recht¬
gegen ein derartiges Dramatisiren spezifisch novellistischer Stoffe
wenden. Der zweite Einakter „Paracelius“, das harmlose Vetsspiel,
das eine Episode aus dem Leben des Wundermannes Theophrastus
Hohenheim zu einem hübschen, aber keineswegs bedeutenden Bühnen¬
Vorgang ausgestaltet, findet Abend für Abend den meisten Beifall:
man hat seine Freude an der frischen Darstellung der Novität und
läßt seinem Lachbedürfniß hier nach Herzenslust die Zügel schießen.
Sehr bös ist es der Groteske vom „Grünen Kakadu“ seit der Première
gegangen, die so gar nicht nach dem Geschmack des Publikums ist, das
über die Brutalitäten des Sujets ganz den Werth des Kunstwerkes
vergißt und die ja gewiß nicht zahme und erbauliche „Mord¬
geschichte“ rundweg ablehnt. Vorgestern Abend wurde sogar dermaßen
gezischt, daß sich der Vorhang nur mit Mühe und Noth
einmal heben konnte. Das ist, ganz abgesehen davon, daß
es immer bedauerlich bleibt, wenn man wegen einiger nicht
gerade „hoftheatermäßigen“ Aeußerlichkeiten die Arbeit eines ohne
Frage bedeutenden dichterischen Talentes einfach verwirft,
schon um der Darsteller willen nicht sehr erfreulich, die sich geiade
mit dem „Grünen Kakadu“ in zahlreichen Proben die denkbar
Für
größte Mühe um den Erfolg der Gioteske gegeben haben. give
Namentlich die Leistungen der Herren Wiecke (Henri), Müller so.
(Vicomte von Nogeant), Gebühr (Chevalier de la Tremouille), sar
Gunz (Grasset). Eggerth (Scaevola) und daneben vor Allem des Herrn gans.
(René, der in einer ausgezeichneten Verbrechermaske den Strolch
Grain spielt, müssen Jeden dem Stück einen ungetheilten Erfolg
ist
wünschen lassen. Auch der neue Herzog von Cadig
zu bes den
bon der Première Herr v. Winterstein vom „Deutsche
Abo
keit
Berlin gab und den jetzt Herr Waldeck mit gesund
verkörpert, trägt das Seine zum Gelingen bei. Schade
tan vor¬
gestern im Text nicht immer ganz sicher war; so stolperte Herr?
Wiene beinahe über jeden französischen Eigennamen, während Herr
Gunz, sonst ein samoser Bramarbas von Philosophen, die Stich¬
worte dem wackeren Prospeère bisweilen zu spät brachte. Der
Schluß des Werkes hat an Größe der Wirkung durch ein rascheres
Ineinandergraffen der zahlreichen Spieler um ein Bedeutendes
gewonnen.