II, Theaterstücke 9, (Der grüne Kakadu. Drei Einakter, 3), Der grüne Kakadu. Groteske in einem Akt, Seite 718

den Professor mit gemüthvollster Resignation.
Man fühlte mit ihm jede Seelenregung, jedes
stille, unausgesprochene Empfinden. Neben ihm
wirkten noch Frl. Gigl als Olga und Herr
[Flemming als Assistent sehr verdienstvoll.
Die ruhige, aber intensive Theilnahme Olgas
wurde durch Frl. Gigl überaus fein und ge¬
schickt, mimisch sogar sehr schön ausgedrückt.
Wenn sie nur auch darauf achten wollte, zu
Beginn der Conversation lauter und accen¬
tuirter zu sprechen. Das ist um so nothwendi¬
ger, als zumeist die später ins Theater Kom¬
menden einen rücksichtslosen Lärm vern#sachen,
der es unmöglich macht, leiser geführte Evn
versationen zu hören. Die Darsteller fande“
seitens des Publikums rauschenden Beifal
insbesondere Herr Lübau als Beneficiant wur
de mehrmals gerufen.
Das zweite Stück „Paracelsus“ spiel
Theater.
im sechzehnten Jahrhundert. Sein Held is
der berühmte Charlatan Teophrastus Bomba
Die Gefährtin. — Paracelsus.
stus Paracelsus, der nach langer Abwesenhei
1ot Der grüne Kakadn.
in seine Vaterstadt Basel heimkehrt, wo seine
0 Von Arthur Schnitzler.
Jugendgeliebte den reichen, ehrsamen Wassen¬
schmied Cyprian geheiratet, der ihn als
Der erfolgreichste Dichter Jung=Wiens
Schwindler verachten zu dürfen glaubt. Der
kam gestern auf unse¬
dadurch gereizte Paracelsus rächt sich, indem er
bgenannten drei Einac¬
Frau Justina hypnotisirt und ihr suggerirt,
tern zu Wort, von denen das erste die tiefste
und bedeutendste Wirkung übte. Es ist auch sie habe sich mit einem Junker, der ihr hofirt,
literarisch das bedeutendste, ein modernes Ge¬ vergangen. Ertoacht will sie den vermeintlichen
Fehliritt eingestehen und bringt damit den
sellschaftsbild, während uns der Dichter mit
den beiden anderen in vergangene Jahrhun= protzi; sicheren Cyprian aus seiner Ruhe, bis
derte zurückversetzt. Allen drei Einactern ge= Paracelsus, der selbst irre wird und nicht weiß,
meinsam ist es, daß sie uns in ein Halbdun= obs Suggestion oder Wirklichkeit, sie wieder
kel drängen, in die Welt der Träume, in eine einschläfert und Justina dann gestehen läßt,
feingestimmte Dämmerung der Gefühle. Sie daß sie eine brave Gattin sei, der der Gatte
vertrauen Pnne, wohlgemerkt, wenn er sie
wecken Stimmungen, verschmihen es aber Lö¬
hüte. Das in schönen Versen geschriebene
sungen, Befriedigung zu bringen; sie regen
Stück mit der in aller Unschuld sich schuldig
Fragen an, ohne die Lösung zu finden, und
Fühlenden übt großen Reiz und brachte den
im „Paracelsus“, läßt dieß der Dichter selbst
Hauptdarstellern, den Herren Lübau (Para¬
verkünden, indem er dem Helden das Wort
celsus), Orell (Cyprian) und Frl. Gigl
in den Mund legt
(Justina), sowie den übrigen Mitwirkenden,
„Es fließen ineinander Traum und Wachen,
Frl. Just und den Herren Edgar (Stadt¬
Wahrheit und Lüge, Sicherheit ist nirgends.
arzt) und Berg (Junker Adelmus) stürmi¬
Wir wissen nichts von Andern, nichts von
schen Beisall. Besonders wirksam spielten
uns,
drei Erstgenannten, von denen Herr Orell dem
Wir spielen immer, wer es weiß, ist klug.“
Cyprian prächtige Gestaltung gab.
Die Hörer folgten mit Interesse dem Dichter,
„Der grüne Kakadu“ ist der Name
der ihnen zum Schlusse die warme Befriedi¬
einer Pariser Spelunke, in welcher zur Zeit
gung versagt. Dem meisten Verständnisse be¬
der großen Revolution gerne hochgeborene
gegnete „Die Gefährtin", literarisch ein kleines
Herren und Damen verkehrten, und sich von
Meisterwerk, das eine Fülle tiefgreifender
ehemaligen Schauspielern, die Schrecken ver¬
Stimmungen des Seelenlebens in knappster
breiten wollen und deshalb als Verbrecher po¬
und wirksamster Form birgt. Professor Robert firen, den Kitzel des Gruselns verschaffen wol¬
Pilgram hat eben seine Frau verloren. Die
len. Der bedeutendste der Commödianten ist
Trauergäste scheiden, nicht ohne Verwunderung Heury, der die lüderliche Schauspielerin Léo¬
über seine Ruhe. Die intimste Freundin der kadie heiratet und nun zum rasenden Othello
Todten bittet ihn um die Ausfolgung eines wird. Er will mit ihr aufs Land. Er ist zum
Packets von Briefen, die ihre eigenen intimsten letzten Male in der Schänke, wo ganz wie im
Geheimnisse behandeln. Der Professor weiß so¬
„Bajazzo“ Leoncovallos aus dem vorgsetäusch¬
fort, daß sie ihm eine Liebesaffaire der Ver¬
ten Eifersuchtsdrama das Licht der Wirklichkeit
storbenen verheimlichen will, die er kennt und
aufblitzt und Henry den eben eintretenden
still mit angesehen. Er weiß, daß sie die Ge¬
Liebhaber Leokadies, den Herzog von Cadig¬
liebte seines Assistenten Dr. Hausmann gewe¬
nan tödtet. Der Athem der Fäulniß, in wel¬
sen. Er ist alt, sie war jung. Die Natur führ= cher sich die französische Gesellschaft jener Zeit
te sie in die Arme des jungen Assistenten. bewegte, weht uns aus dem Stücke entgegen,
Pilgram hat verstanden und verziehen. Da das starke Erregung hervorruft. Auf oserer
tritt der vom Tode verständigte Assistent ein, Bühne fehlie dem Stücke leider das gerundete
der nicht früher kommen konnte. Er will, daß Zusammenspiel und der rasche Puls. Dagegen
der Professor mit ihm fortziehe „zu uns“ wie bot die Aufführung gute Einzelleistungen,
er sagt. Hausmann erzählt auf die Frage des insbesondere den Henry des Herrn Rübsam,
Professors, daß er sich verlobt habe, schon seit der das Spiel im Spiele deutlich markirte und