Ort:
Berlin
Datum:seseseneenresner er w
10. Maiien
Das Schiller=Theater Charlottenburg beging
gestern abend den fünfzigsten Geburtstag Artur
Schnitzlers, dem das Publikum beider Schiller¬
Theurer#fomanche Stunde der Erbauung oder der
fröhlich= anmutigen Unterhaltung dankt, durch eine
Aufführung dreier Einakter des Wiener Dichters:
das Schauspiel „Die Gefährtin“ das Vers¬
spiel „Paracelsus“ und die Groteske „Der
grüne Kakadu“ wurden in neuer Einstudierung
gegeben.
In der „Gefährtin“ hielt die Darstellung die
schicksalsschwere Stimmung glücklich ein und bereitete
in langsamer Steigerung wirksam die Enthüllung vor,
daß des alternden Professors Pilgram verstorbene
Gattin jener entsagenden und sorgenden Liebe nicht
wert war, mit der der Gelehrte sie umspann. Herr
Reimer spielte den Pilgram voll einfacher Würde
und ansprechender Schlichtheit, Herr Wiene den Dr.
Hausmann, gut beherrscht, und Frau Pauly vertrat
die Olga Merholm mit Takt und Geschmack.
Illusion und Wirklichkeit, die in der „Gefährtin“
die Grundlage des Geschehens bilden, kehren mit
bewußterer Betonung, sinnfälliger in „Paracelsus“
wieder, in diesem nachdenklichen, liebenswürdigen
Werkchen, das aus Traum und Schlaf Wahrheit
kündet. Herr Gerhard verstand seinem Paracelis
auch äußerlich geheimnisvoll Anreizendes und
Zwingendes zu verleihen, Herr Bernecker war
vortrefflich als der selbstgefällige Waffenschmied
Cyprian mit dem geräuschvoll geäußerten Bewußtsein,
des eigenen Wertes, Herr Bildt drollig als Stadt¬
arzt Dr. Copus und Frau Wasa von holdseliger
Weichheit als Justina, des Waffenschmieds Eheliebste.
Sein und Schein in ihrem Ineinandergreifen, ihrer
innigen Verschmelzung, die die Grenzlinien verwischt,
zeigt „Der grüne Kakadu“, die Groteske aus den
Tagen der großen Revolution, in denen die Köpfe der
Aristokratew wohlfeiler waren, als Bvot Die Dich¬
ng in der die Gährung im Volke sich spiegelt,
fand leider nicht jene Darstellung,
zukommt. Es fehlte die starke innere Be
wegung, das wilde Leben, das erst den rechten
Eindruck der Bühnenvorgänge vermittelt, und meist
schien das, was da ohne künstlerischen Schwung agiert
wurde, matt und blutlos. Ein paar Ausnahmen
rds leidenschaft¬
freilich gab es. So Herrn Ge
es überlegenen
durchbebten Henri, Herrn P
Vicomte, Herrn
Herzog, Herrn Paters gezi
[Wienes mit diskretem Spitzbubenhumor gezeichneten
Grain, Frau Paulys lasterhaft=neugierige Marquise
und Frl. Baumbachs wilde Georgette.
N. W.
Das Neue Volkstheater veranstaltete gestern
gleichfalls einen Schnitzler=Abend. Zur Auf¬
führung gelangten diedroge Sarire „Literatur“
und das schwermütige Schauspiel „Liebelei“.
r
„Literatur“, waren Spiel und Regie
Robert Müller) gleichmäßig fein ausgearbeitet.
Fräulein Yella Wagner schuf in ihrer
Margarethe eine sonnige, lachende Figur. Da war
alles aus einem Guß. Sie traf mit schöner Sicher¬
heit alle Farbentöne dieses schillernden Regenbogens,
dieser komplizierten Frauenseele, die in ihrer Super¬
modernität doch nie die Anmut, die fröhliche Leichtig
keit, die Wahrhaftigkeit trunkener Leidenschaft
ablegt, durch soviele Hohlheiten des Lebens
auch getaumelt ist. Den grellsten Kontrast zu dieser
prächtigen Einheit formte Herr Robert Müller als
Gilbert. In Spiel und Maske — in dieser vielleicht
allzu prononciert, so daß man nicht begreifen mochte,
wie eine Margarete sich solchem Gesellen in
Arme werfen konnte — brachte der Darsteller das
prahlerische Sykophantentum dieses „Kaffeehaus¬
Literaten“ und Kunstprotzen zu ergötzlichem Ausdruck.
Herr Nowotny gab seinerseits wieder ein Gegen¬
stück, ein freundlicheres, in seinem Clemens: das des
etwas beschränkten, etwas eitlen, aber vollkommenen
Kavaliers von blauestem Blut.
Nicht ganz so glücklich gelang die Darstellung von
„Liebelei“. Licho's Regie war feinfühlig und ge¬
schmackvoll. Herr Nowotny und Frl. Else Back
als Theodor und Mizi stellten ein köstliches Wiener
Pärchen auf die Bretter, und auch Herr Robert
Müller zeichnete wieder in seinem Violinspieler
Weiring eine Charaktergestalt. Frl. Angerstein
als Christine und Herr Riemann als Fritz fielen,
so sympathisch sie sich gaben, gegen diese vollblutigen
Wiener etwas ab. Vielleicht ist auch manches davon
auf die etwas larmoyante Langweiligkeit dieser beiden
Rollen zu setzen.
Berlin
Datum:seseseneenresner er w
10. Maiien
Das Schiller=Theater Charlottenburg beging
gestern abend den fünfzigsten Geburtstag Artur
Schnitzlers, dem das Publikum beider Schiller¬
Theurer#fomanche Stunde der Erbauung oder der
fröhlich= anmutigen Unterhaltung dankt, durch eine
Aufführung dreier Einakter des Wiener Dichters:
das Schauspiel „Die Gefährtin“ das Vers¬
spiel „Paracelsus“ und die Groteske „Der
grüne Kakadu“ wurden in neuer Einstudierung
gegeben.
In der „Gefährtin“ hielt die Darstellung die
schicksalsschwere Stimmung glücklich ein und bereitete
in langsamer Steigerung wirksam die Enthüllung vor,
daß des alternden Professors Pilgram verstorbene
Gattin jener entsagenden und sorgenden Liebe nicht
wert war, mit der der Gelehrte sie umspann. Herr
Reimer spielte den Pilgram voll einfacher Würde
und ansprechender Schlichtheit, Herr Wiene den Dr.
Hausmann, gut beherrscht, und Frau Pauly vertrat
die Olga Merholm mit Takt und Geschmack.
Illusion und Wirklichkeit, die in der „Gefährtin“
die Grundlage des Geschehens bilden, kehren mit
bewußterer Betonung, sinnfälliger in „Paracelsus“
wieder, in diesem nachdenklichen, liebenswürdigen
Werkchen, das aus Traum und Schlaf Wahrheit
kündet. Herr Gerhard verstand seinem Paracelis
auch äußerlich geheimnisvoll Anreizendes und
Zwingendes zu verleihen, Herr Bernecker war
vortrefflich als der selbstgefällige Waffenschmied
Cyprian mit dem geräuschvoll geäußerten Bewußtsein,
des eigenen Wertes, Herr Bildt drollig als Stadt¬
arzt Dr. Copus und Frau Wasa von holdseliger
Weichheit als Justina, des Waffenschmieds Eheliebste.
Sein und Schein in ihrem Ineinandergreifen, ihrer
innigen Verschmelzung, die die Grenzlinien verwischt,
zeigt „Der grüne Kakadu“, die Groteske aus den
Tagen der großen Revolution, in denen die Köpfe der
Aristokratew wohlfeiler waren, als Bvot Die Dich¬
ng in der die Gährung im Volke sich spiegelt,
fand leider nicht jene Darstellung,
zukommt. Es fehlte die starke innere Be
wegung, das wilde Leben, das erst den rechten
Eindruck der Bühnenvorgänge vermittelt, und meist
schien das, was da ohne künstlerischen Schwung agiert
wurde, matt und blutlos. Ein paar Ausnahmen
rds leidenschaft¬
freilich gab es. So Herrn Ge
es überlegenen
durchbebten Henri, Herrn P
Vicomte, Herrn
Herzog, Herrn Paters gezi
[Wienes mit diskretem Spitzbubenhumor gezeichneten
Grain, Frau Paulys lasterhaft=neugierige Marquise
und Frl. Baumbachs wilde Georgette.
N. W.
Das Neue Volkstheater veranstaltete gestern
gleichfalls einen Schnitzler=Abend. Zur Auf¬
führung gelangten diedroge Sarire „Literatur“
und das schwermütige Schauspiel „Liebelei“.
r
„Literatur“, waren Spiel und Regie
Robert Müller) gleichmäßig fein ausgearbeitet.
Fräulein Yella Wagner schuf in ihrer
Margarethe eine sonnige, lachende Figur. Da war
alles aus einem Guß. Sie traf mit schöner Sicher¬
heit alle Farbentöne dieses schillernden Regenbogens,
dieser komplizierten Frauenseele, die in ihrer Super¬
modernität doch nie die Anmut, die fröhliche Leichtig
keit, die Wahrhaftigkeit trunkener Leidenschaft
ablegt, durch soviele Hohlheiten des Lebens
auch getaumelt ist. Den grellsten Kontrast zu dieser
prächtigen Einheit formte Herr Robert Müller als
Gilbert. In Spiel und Maske — in dieser vielleicht
allzu prononciert, so daß man nicht begreifen mochte,
wie eine Margarete sich solchem Gesellen in
Arme werfen konnte — brachte der Darsteller das
prahlerische Sykophantentum dieses „Kaffeehaus¬
Literaten“ und Kunstprotzen zu ergötzlichem Ausdruck.
Herr Nowotny gab seinerseits wieder ein Gegen¬
stück, ein freundlicheres, in seinem Clemens: das des
etwas beschränkten, etwas eitlen, aber vollkommenen
Kavaliers von blauestem Blut.
Nicht ganz so glücklich gelang die Darstellung von
„Liebelei“. Licho's Regie war feinfühlig und ge¬
schmackvoll. Herr Nowotny und Frl. Else Back
als Theodor und Mizi stellten ein köstliches Wiener
Pärchen auf die Bretter, und auch Herr Robert
Müller zeichnete wieder in seinem Violinspieler
Weiring eine Charaktergestalt. Frl. Angerstein
als Christine und Herr Riemann als Fritz fielen,
so sympathisch sie sich gaben, gegen diese vollblutigen
Wiener etwas ab. Vielleicht ist auch manches davon
auf die etwas larmoyante Langweiligkeit dieser beiden
Rollen zu setzen.