1
Ka
16
9. 4. Der grinedu Z0 K11—
„Berliner Morgenpost, Berlin
m:
MALI
Dbei Einatier im Schillerthealer.
„Die Gefährtin.“ — „Paracelfus.“
„Der grüne Kakadn.“
* (Im Charlottenburger Hause.)
In diesen drei Einaktern, die von seiten der
Schillerbühne eine treffliche Wahl bedeuten,
kommt Arthur Schnitzlers ganze Wandlungs¬
fähigkeit zu fast restlosem Ausdruck. In der „Ge¬
fährtin“ ist es das moderne Liebesproblem,
dessen tausendfältigen Wegen kein anderer so wie
dieser zart empfindende Wiener Seelenarzt nach¬
zuspüren vermag. Es ist eine schlichte Episode,
die er in diesem Akt gibt, diese langsam im Be¬
wußtsein des alternden Gatten aufdämmernde
Wahrheit über das geheime Liebesleben seines
soeben der Erde übergebenen jungen Weibes. Und
es sind verhaltene, zarte, empfindsame Worte, die
die Menschen in dieser von dumpfer Schwermut
erfüllten Szene sprechen: Menschen und Worte
von Schnitzlers unendlich feiner Art. In ver¬
ständnisvoller Nachschöpfung erwuchs das kleine
Schauspiel dank der feinsinnigen Wiedergabe zu
einem starken Eindruck. Max Reimer, Con¬
rod Wiene und Hedwig Pauly goben die
drei Hauptfiguren mit viel Takt und der aus der
ganzen Stimmung gebotenen Zurückhaltung.
Etwas kräftigere Rüancen findet der Dichter
in „Paracelsus“. Es ist ein gereimter Scherz,
ein Schwanken zwischen Spiel und Wirklichkeit.
Schnitzler benutzt die Figur des berühmten Arztes
Paracelsus zu einer Analyse weiblicher Empfin¬
dungen, und in dem scheinbaren Spiel, das der
mittelalterliche Hypnotiseur mit der Frau
Justina treibt, offenbart sich dem staunenden und
verbtüfften Gatten die reiche Skala der Liebes¬
regungen, die auch im Hergen einer treuen
Gattin schlummern und der Erweckung. fühig sind.
Die Justina Elsa Wasas hutte hier mehr Farbe
zeigen dürfen; Herr Gerhard gab mit ein¬
fachen, aber eindringlichen Mitteln den Para¬
celsus; die Herren Bernecker (Cyprian),
Bildt (Dr. Copus) und Braun (Junker An¬
selm) trafen gut den Ton des Versspiels.
Den Beschluß machte die figurenreiche Revo¬
lutionsgroteske „Der grüne Kakadu“.
Hier zeigt Schnitzler seine ganze große drama¬
tische Gestaltungsfähigkeit und wie das Finale
des lebensprühenden Einakters aus tollem Spiel
zum wuchtigen, aufrütteinden Drama erwächst,
wie sich hier aus einer Einzelepisode der gran¬
diose Sturm eines weltgeschichtlichen Moments
emporringt, das gehört zum Packendsten, u 3
die moderne Dichtung hervorgebracht. Georg
Paeschke, Richard Wirth, Hans F. Ger¬
hard, Heinz Bernecker, Conrad Wiene
und Eise Wasa machten sich um die Wieder¬
gabe sehr verdient.
M. L.
box 16/1
Ausschnltt auf
ossische Teitung. Berlie
16. MAi 1912
vom:
Das Schillertheater Charlottenburg erinnerte sich als einzige
Berliner Bühne der Verpflichtung, von Arthur Schnitzlers funf¬
zigstem Geburtstage Kenntuis zu nehmen. Es gab drei Ein¬
akter: „Die Gefährtin“, „Paracelsus" und „Der grüne
Kakadu“. Das burleske kleine Revolutionsstück hat seine Wir¬
kung schon an vielen Stellen erprobt; gestern erwuchs ihm
eine überraschende Konkurrenz an dem „Paracelsus“, dem sich
auch eine glückliche Bühnenlaufbahn vorhersagen läßt, wenn
sich das Publikum so mit ihm weiter familiarisiert. Für die „Ge¬
fährtin“ wäre vielleicht ein anderer Auftakt zu wünschen gewesen;
dieses etwas künstliche Dramolet hängt zu sehr von der stummen
Gewalt eines einzigen Schauspielers ab, der sich nicht überall finden
läßt. Im ganzen wurde recht wacker gearbeitet, besonders von
Haus F. Gerhard, Heinz Bernecker, Conrad Wiene, wie von den
Damen Else Wasa und Hedwig Vauly. —r.
—
Ausschnitt aus:
BERLINER TAGBLATT
AME
Schnichter=Kitführungen.
Th. P. Das Schillertheater Charlottenburg
ehrte gestern den fünfzigjährigen Dichter durch eine Aufführung seiner
drei Einakter, denen er als Motto den von echter Schnitzlerstimmung
umwitterten Vers „Wir spielen immer; wer es weiß, ist klug“ vor¬
angesetzt hat. Dieser Vers stammt aus dem „Paracelsus“ dem
ersten der drei Einakter, dem nach dem Willen des Dichters „Die
Gefährtin“ folgen sollte, während die glänzende Groteske „Der
grüne Kakadu“ in ihrer üppigen Instrumentierung mit Recht
an den Schluß gehört. Das Schillertheater minderte leider um etwas,
den Wert der Ehrung, indem es eigenmächtig das feine und leise
Schauspiel „Die Gefährtin“ an den Anfang stellte und es dadurch auch
##iscksichum seine Wirkung brachte. Ganz unzweideutig sei es gesagt:
diese Theaterästhetik, die klüger sein will als der Dichter, ist falsch.
Gespannt und mit lebhaftester Anteilnahme folgte das Publikum
den Schauspielen und den Schauspielern. Kopf an Kopf drängten sich
die Zuschauer in den aufsteigenden Reihen — ein Anblick, der nicht
nur einen Direktor und seine Truppe erquickt, sondern auch dem
Dichter, wäre er zugegen gewesen, das Herz erfreut hätte. „Die
Gefährtin“ wurde zu schwer genommen. „Paracelsus“ — die Titel¬
rolle gab Hans F. Gerhard in dämonischer Maske — wurde wacker
heruntergespielt; „Der grüne Kakadu““ übte, dank dem vor¬
trefflichen Ineinandergreifen der beteiligten Künstler, eine packende¬
Wirkung. Genannt seien Hans Gerhard, Else Wasa, Hedwig
Pauly, Richard Wirth.
Das Programmheft schmückte ein neueres Bild Arthur Schnitzlers,
und die geschickte Hand, die diese „Zwanglosen Hefte“ redigiert, hat
gewiß dem Schillertheaterpublikum zu Dank das Verständnis für das
dichterische Wesen des seinen, sinnenden Poeten angeregt.
Ka
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9. 4. Der grinedu Z0 K11—
„Berliner Morgenpost, Berlin
m:
MALI
Dbei Einatier im Schillerthealer.
„Die Gefährtin.“ — „Paracelfus.“
„Der grüne Kakadn.“
* (Im Charlottenburger Hause.)
In diesen drei Einaktern, die von seiten der
Schillerbühne eine treffliche Wahl bedeuten,
kommt Arthur Schnitzlers ganze Wandlungs¬
fähigkeit zu fast restlosem Ausdruck. In der „Ge¬
fährtin“ ist es das moderne Liebesproblem,
dessen tausendfältigen Wegen kein anderer so wie
dieser zart empfindende Wiener Seelenarzt nach¬
zuspüren vermag. Es ist eine schlichte Episode,
die er in diesem Akt gibt, diese langsam im Be¬
wußtsein des alternden Gatten aufdämmernde
Wahrheit über das geheime Liebesleben seines
soeben der Erde übergebenen jungen Weibes. Und
es sind verhaltene, zarte, empfindsame Worte, die
die Menschen in dieser von dumpfer Schwermut
erfüllten Szene sprechen: Menschen und Worte
von Schnitzlers unendlich feiner Art. In ver¬
ständnisvoller Nachschöpfung erwuchs das kleine
Schauspiel dank der feinsinnigen Wiedergabe zu
einem starken Eindruck. Max Reimer, Con¬
rod Wiene und Hedwig Pauly goben die
drei Hauptfiguren mit viel Takt und der aus der
ganzen Stimmung gebotenen Zurückhaltung.
Etwas kräftigere Rüancen findet der Dichter
in „Paracelsus“. Es ist ein gereimter Scherz,
ein Schwanken zwischen Spiel und Wirklichkeit.
Schnitzler benutzt die Figur des berühmten Arztes
Paracelsus zu einer Analyse weiblicher Empfin¬
dungen, und in dem scheinbaren Spiel, das der
mittelalterliche Hypnotiseur mit der Frau
Justina treibt, offenbart sich dem staunenden und
verbtüfften Gatten die reiche Skala der Liebes¬
regungen, die auch im Hergen einer treuen
Gattin schlummern und der Erweckung. fühig sind.
Die Justina Elsa Wasas hutte hier mehr Farbe
zeigen dürfen; Herr Gerhard gab mit ein¬
fachen, aber eindringlichen Mitteln den Para¬
celsus; die Herren Bernecker (Cyprian),
Bildt (Dr. Copus) und Braun (Junker An¬
selm) trafen gut den Ton des Versspiels.
Den Beschluß machte die figurenreiche Revo¬
lutionsgroteske „Der grüne Kakadu“.
Hier zeigt Schnitzler seine ganze große drama¬
tische Gestaltungsfähigkeit und wie das Finale
des lebensprühenden Einakters aus tollem Spiel
zum wuchtigen, aufrütteinden Drama erwächst,
wie sich hier aus einer Einzelepisode der gran¬
diose Sturm eines weltgeschichtlichen Moments
emporringt, das gehört zum Packendsten, u 3
die moderne Dichtung hervorgebracht. Georg
Paeschke, Richard Wirth, Hans F. Ger¬
hard, Heinz Bernecker, Conrad Wiene
und Eise Wasa machten sich um die Wieder¬
gabe sehr verdient.
M. L.
box 16/1
Ausschnltt auf
ossische Teitung. Berlie
16. MAi 1912
vom:
Das Schillertheater Charlottenburg erinnerte sich als einzige
Berliner Bühne der Verpflichtung, von Arthur Schnitzlers funf¬
zigstem Geburtstage Kenntuis zu nehmen. Es gab drei Ein¬
akter: „Die Gefährtin“, „Paracelsus" und „Der grüne
Kakadu“. Das burleske kleine Revolutionsstück hat seine Wir¬
kung schon an vielen Stellen erprobt; gestern erwuchs ihm
eine überraschende Konkurrenz an dem „Paracelsus“, dem sich
auch eine glückliche Bühnenlaufbahn vorhersagen läßt, wenn
sich das Publikum so mit ihm weiter familiarisiert. Für die „Ge¬
fährtin“ wäre vielleicht ein anderer Auftakt zu wünschen gewesen;
dieses etwas künstliche Dramolet hängt zu sehr von der stummen
Gewalt eines einzigen Schauspielers ab, der sich nicht überall finden
läßt. Im ganzen wurde recht wacker gearbeitet, besonders von
Haus F. Gerhard, Heinz Bernecker, Conrad Wiene, wie von den
Damen Else Wasa und Hedwig Vauly. —r.
—
Ausschnitt aus:
BERLINER TAGBLATT
AME
Schnichter=Kitführungen.
Th. P. Das Schillertheater Charlottenburg
ehrte gestern den fünfzigjährigen Dichter durch eine Aufführung seiner
drei Einakter, denen er als Motto den von echter Schnitzlerstimmung
umwitterten Vers „Wir spielen immer; wer es weiß, ist klug“ vor¬
angesetzt hat. Dieser Vers stammt aus dem „Paracelsus“ dem
ersten der drei Einakter, dem nach dem Willen des Dichters „Die
Gefährtin“ folgen sollte, während die glänzende Groteske „Der
grüne Kakadu“ in ihrer üppigen Instrumentierung mit Recht
an den Schluß gehört. Das Schillertheater minderte leider um etwas,
den Wert der Ehrung, indem es eigenmächtig das feine und leise
Schauspiel „Die Gefährtin“ an den Anfang stellte und es dadurch auch
##iscksichum seine Wirkung brachte. Ganz unzweideutig sei es gesagt:
diese Theaterästhetik, die klüger sein will als der Dichter, ist falsch.
Gespannt und mit lebhaftester Anteilnahme folgte das Publikum
den Schauspielen und den Schauspielern. Kopf an Kopf drängten sich
die Zuschauer in den aufsteigenden Reihen — ein Anblick, der nicht
nur einen Direktor und seine Truppe erquickt, sondern auch dem
Dichter, wäre er zugegen gewesen, das Herz erfreut hätte. „Die
Gefährtin“ wurde zu schwer genommen. „Paracelsus“ — die Titel¬
rolle gab Hans F. Gerhard in dämonischer Maske — wurde wacker
heruntergespielt; „Der grüne Kakadu““ übte, dank dem vor¬
trefflichen Ineinandergreifen der beteiligten Künstler, eine packende¬
Wirkung. Genannt seien Hans Gerhard, Else Wasa, Hedwig
Pauly, Richard Wirth.
Das Programmheft schmückte ein neueres Bild Arthur Schnitzlers,
und die geschickte Hand, die diese „Zwanglosen Hefte“ redigiert, hat
gewiß dem Schillertheaterpublikum zu Dank das Verständnis für das
dichterische Wesen des seinen, sinnenden Poeten angeregt.