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Kakad
9. 4. Der gruche d— Zvklus
Klose & Seidel
Bureau für Zeitungeausechnitte.
Berlin NO. 43, Georgenkirchplatz 211
(Liest die meisten Zeitungen und ist das
bestorganisierteste Bareau Deutschlands.)
Zeitung— Welf ers Nantag
Or: A
Datum: —
Z Usafisse
Georgatte (die vor allen Dingen!), Conrad Wienes
blasser, suggestiver Zuchthäusler, Gerhards von inneren
Shprater und Musik.
Flammen verzehrter Henri, Hedwig Paulys Séverine,
Paeschkes Herzog und Wirths Prospère. — Aus dem
Schnitzler-Feiern.
„Paracelsus“ bleibt vor allen Dingen die entzückende Justina
[Schillertheater, Neue Freie Volksbühne.)
der Frau Wasa im Gedächtnis. Weniger konnte ich mich mit
dem Darsteller des Cyprian ##freunden.
Daß von allen Berliner Bühnen nur die Volkstheater an
Arthur Schnitzlers fünfzigsten Geburtstag gedacht haben, ist
Die Neue Freie Volksbühne brachte die noch immer
eigentlich ein Witz. Der melancholisch=heitere Aristokrat unter
von echter Poesie übersonnte „Liebelei“ und den hübschen
den Dichtern, den man sich gar nicht anders als gut angezogen,
Feuilleton=Einakter „Literatur" Manches hätte vielleicht
gar nicht anders als mit gepflegtem Haar und Bart, mit schnee¬
weniger deutlich, weniger laut, weniger prononciert sein dürfen.
Aber im großen und ganzen hielt sich auch hier die Darstellung
weißen Händen und mit einem leisen dégout vor den Gerüchen
auf einem durchaus respektablen Niveau. Yella Wagner,
der Volksküche vorstellen kann — dies verwöhnte und etwas ver¬
Aurel Nowotny und Johannes Riemann ragten in
zärtelte Produkt einer exklusiven Salonatmosphäre wird im ent¬
scheidenden Moment von seinen besten Freunden im Stiche ge= einzelnen Momenten sogar weit über den Durchschnitt hinaus.
lassen und muß, damit überhaupt Notiz von ihm genommen wird, Das begabte Fräulein Angerstein hatte die Christine etwas
zu balladenhaft schwer genommen.
an die redliche Gesinnung der künstlerischen Demokratie
A. W.
appellieren. Ob es unbedingt nötig ist, lebende Autoren, die
längst einen Namen haben, gerade an ihrem fünfzigsten Geburts¬
tag mit besonderen Ehren zu überhäufen, darüber mag man
streiten. Hübsch bleibt der Gedanke auf jeden Fall. Und nach¬
dem sich unsere verehrten Herren Direktoren einmal durch feier¬
lichen Handschlag auf diesen Entschluß geeinigt hatten, war es
ihre verflu hte Pflicht und Schuldigkeit, die großen Worte, nun
auch, wenn's eine ernsthafte Probe gilt, in ernsthafte Taten um¬
zusetzen.
Natürlich haben sie's nicht getan, sondern die Erfüllung ihrer
Verbindlichkeit dem Schillertheater und der Neuen Freien Volks¬
bühne überlassen. Im heutigen Berlin fallen ja Unterlassungs¬
sünden dieser Art schon längst nicht mehr auf. Aber es ist immer¬
hin charakteristisch, daß unsere offiziellen Theater in puncto Ge¬
sinnung selbst da versagen, wo es sich um ihre erprobtesten Lieb¬
linge handelt. Rühren wir nicht weiter an die alte Wunde.
Freuen wir uns lieber an dem, was unsere anspruchsloseren
Bühnen in aller Bescheidenheit errichtet haben. Das Char¬
lottenburger Schillertheater brachte zur Schnitzler¬
Feier drei Einakter: „Die Gefährtin", „Paracelsus“
und den „Grünen Kakadu.“ Ich bin persönlich der Ansicht,
daß die „Gefährtin“, dies feine, leise, in Dämmerung gehüllte
Spiel menschlicher Seelen, im Charlottenburger Riesenhause nicht
recht am Platze ist. Ihr bestes Teil geht in den Dimensionen
des Amphitheaters verloren, verflattert im Raum und weckt
nirgends ein wirkliches Echo. Beim „Paracelsus“ und beim
„Grünen Kakadu“ liegt der Fall erheblich günstiger, und hier kam
denn auch der Schnitzlersche Grundakkord in Regie wie in Dar¬
stellung lebendig und klangrein heraus. Vielleicht hätte man sich
im „Kakadu“ manches farbiger, manches bewegter, manches
atemloser gewünscht. Aber das, worauf es ankam, war jedenfalls
in seines Wesens Kern begriffen, und aus den schillernden,
wogenden Farben dieses Revolutionsbildes lösten sich ein paar
ganz erstaunlich gute schauspielerische Physiognomien. Else
Baumbachs in prachtvollen Temperamenten fiebernde
Kakad
9. 4. Der gruche d— Zvklus
Klose & Seidel
Bureau für Zeitungeausechnitte.
Berlin NO. 43, Georgenkirchplatz 211
(Liest die meisten Zeitungen und ist das
bestorganisierteste Bareau Deutschlands.)
Zeitung— Welf ers Nantag
Or: A
Datum: —
Z Usafisse
Georgatte (die vor allen Dingen!), Conrad Wienes
blasser, suggestiver Zuchthäusler, Gerhards von inneren
Shprater und Musik.
Flammen verzehrter Henri, Hedwig Paulys Séverine,
Paeschkes Herzog und Wirths Prospère. — Aus dem
Schnitzler-Feiern.
„Paracelsus“ bleibt vor allen Dingen die entzückende Justina
[Schillertheater, Neue Freie Volksbühne.)
der Frau Wasa im Gedächtnis. Weniger konnte ich mich mit
dem Darsteller des Cyprian ##freunden.
Daß von allen Berliner Bühnen nur die Volkstheater an
Arthur Schnitzlers fünfzigsten Geburtstag gedacht haben, ist
Die Neue Freie Volksbühne brachte die noch immer
eigentlich ein Witz. Der melancholisch=heitere Aristokrat unter
von echter Poesie übersonnte „Liebelei“ und den hübschen
den Dichtern, den man sich gar nicht anders als gut angezogen,
Feuilleton=Einakter „Literatur" Manches hätte vielleicht
gar nicht anders als mit gepflegtem Haar und Bart, mit schnee¬
weniger deutlich, weniger laut, weniger prononciert sein dürfen.
Aber im großen und ganzen hielt sich auch hier die Darstellung
weißen Händen und mit einem leisen dégout vor den Gerüchen
auf einem durchaus respektablen Niveau. Yella Wagner,
der Volksküche vorstellen kann — dies verwöhnte und etwas ver¬
Aurel Nowotny und Johannes Riemann ragten in
zärtelte Produkt einer exklusiven Salonatmosphäre wird im ent¬
scheidenden Moment von seinen besten Freunden im Stiche ge= einzelnen Momenten sogar weit über den Durchschnitt hinaus.
lassen und muß, damit überhaupt Notiz von ihm genommen wird, Das begabte Fräulein Angerstein hatte die Christine etwas
zu balladenhaft schwer genommen.
an die redliche Gesinnung der künstlerischen Demokratie
A. W.
appellieren. Ob es unbedingt nötig ist, lebende Autoren, die
längst einen Namen haben, gerade an ihrem fünfzigsten Geburts¬
tag mit besonderen Ehren zu überhäufen, darüber mag man
streiten. Hübsch bleibt der Gedanke auf jeden Fall. Und nach¬
dem sich unsere verehrten Herren Direktoren einmal durch feier¬
lichen Handschlag auf diesen Entschluß geeinigt hatten, war es
ihre verflu hte Pflicht und Schuldigkeit, die großen Worte, nun
auch, wenn's eine ernsthafte Probe gilt, in ernsthafte Taten um¬
zusetzen.
Natürlich haben sie's nicht getan, sondern die Erfüllung ihrer
Verbindlichkeit dem Schillertheater und der Neuen Freien Volks¬
bühne überlassen. Im heutigen Berlin fallen ja Unterlassungs¬
sünden dieser Art schon längst nicht mehr auf. Aber es ist immer¬
hin charakteristisch, daß unsere offiziellen Theater in puncto Ge¬
sinnung selbst da versagen, wo es sich um ihre erprobtesten Lieb¬
linge handelt. Rühren wir nicht weiter an die alte Wunde.
Freuen wir uns lieber an dem, was unsere anspruchsloseren
Bühnen in aller Bescheidenheit errichtet haben. Das Char¬
lottenburger Schillertheater brachte zur Schnitzler¬
Feier drei Einakter: „Die Gefährtin", „Paracelsus“
und den „Grünen Kakadu.“ Ich bin persönlich der Ansicht,
daß die „Gefährtin“, dies feine, leise, in Dämmerung gehüllte
Spiel menschlicher Seelen, im Charlottenburger Riesenhause nicht
recht am Platze ist. Ihr bestes Teil geht in den Dimensionen
des Amphitheaters verloren, verflattert im Raum und weckt
nirgends ein wirkliches Echo. Beim „Paracelsus“ und beim
„Grünen Kakadu“ liegt der Fall erheblich günstiger, und hier kam
denn auch der Schnitzlersche Grundakkord in Regie wie in Dar¬
stellung lebendig und klangrein heraus. Vielleicht hätte man sich
im „Kakadu“ manches farbiger, manches bewegter, manches
atemloser gewünscht. Aber das, worauf es ankam, war jedenfalls
in seines Wesens Kern begriffen, und aus den schillernden,
wogenden Farben dieses Revolutionsbildes lösten sich ein paar
ganz erstaunlich gute schauspielerische Physiognomien. Else
Baumbachs in prachtvollen Temperamenten fiebernde