II, Theaterstücke 9, (Der grüne Kakadu. Drei Einakter, 3), Der grüne Kakadu. Groteske in einem Akt, Seite 778

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10. Das Vernnechtnis

Telefon 12801.
— Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte.
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„OBSERVER
I. österr. behördl. concess. Bureau für Zeitungsberichte und Persont

Wien, IX/1 Türkenstrasse 17.
Filiale in Budapest: „Fipyelö“, VIII. Josefsring 31a. —
Ausschnitt aus:
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vom-.
Theater und Kunst.
(Burgtheater.) Arthur Schnitzler's Schauspiel:
„Das Vermächtniß“ ist eine Kriegserklärung gegen die
bürgerliche Gesellschaft, eine Kriegserklärung, welche drei
Menschenleben kostet. Das „Vermächtniß“ besteht in
einem Doppellegat: ein junger Mann aus gutem Hause
verunglückt bei einem Spazierritte und vermacht sterbend
seiner Familie — seine Getiebte und sein Kind; die
Nebendige Hinterlassenschaft soll in das häusliche Inventar
aufgenommen und als hoch willkommener Vermögens¬
Fzuwaas freudig begrüßt werden. Die Erbserklärung
zerfolgt; als aber das Kind stirbt, weist man der Ge¬
liebten die Thüre und die Verstoßene bringt sich um.
Die Moral verkünvet ein junges Mädchen; sie lautet:
„Was man für das Glück eines Anderen thut, kann
keine Sünde sein.“ — Das Glück ist ein „ausgeklügelter
„Fall“, dem man die künstliche Mache auf Meilendistanz
ansieht: Die bürgerliche Gesellschaft ist corrupt und
ihre rein äußerliche Sittlichkeit ist brutal; wirklich
sintlich ist nur die Gefallene, wirklich erhebend
ist nur die freie Liebe, weil sie lediglich an das Glück
— des Anderen denkt. Und um diese Maxime zu ver¬
fechten, braucht Herr Schnitzler drei Todte, braucht er
überdies als Sprachrohr ein junges Mädchen, das der
befehdeten bürgerlichen Gesellschaft entstammt und offenbar
Fer 5.
lusive
alle „Vorurtheile“ schon mit der Muttermilch eingesogen #onto.
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fahlbar
hat! Ebenso construirt, wie der Conflict, ist die Technik ivoraus
des Stückes; jeder Act lebt von dem Sterbefalle des
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früheren, es muß immer wieder Jemand aus der Welt ist das
verschwinden, damit Herr Schnitzler überhaupt weiter kommt 1### den
Abonn
Abonn
und damit sich seine Figuren des Langen und des Breiten#'!
um die neugeschaffene Situation herumschwätzen können.
Wenn der Tod nicht gar so zuvorkommend wäre, fiele
die ganze Logik und mit ihr das ganze Schau¬
Gespielt wurde — mit
spiel ins Wasser.
wenigen Ausnahmen — burgtheatermäßig; Herr Hart¬
gann überraschte als illegitimer Großpapa, Frau
Hohenfels plaidirte mit ihrer herrlichen Innigkeit
— für die Grundsätze des Herrn Schnitzler, Fräulein
Medelsky fand für die herbe Eifersucht einer Ver¬
schmähten die richtigen Töne. Frau Schratt entnohm
den Dialect der Gefallenen zu sehr den „enteren“ Grün¬
den, war aber im stummen Spiele des letzten
Publicum zeichnete
Actes wirklich greifend
reichlichen Beifall aus;
den anwesenden Vers##
schite sich also offenbar durch.
die bürgerliche Gese¬
ihres Feindes nicht besonders
die „Stoß=ins=Herze
alterirt. —
Telefon 12801.
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte.
Ausschnitt
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„OBSERVER
Nr. 32
I. österr. behördl. concess. Bureau für Zeitungsberichte und Personalnachrichten
Wien, IX/1 Türkenstrasse 17.
— Filiale in Budapest: „Figyelö“, VIII. Josefsring 31a —
Ausschnitt aus:
Zeichswehr (Wien)
vom 7/72.08.
Theater und Kunst.
„Das Vermächtniß.“
Schauspiel in drei Acten von Arthur Schnitzler. — Erst
Aufführung im Burgtheater am 30. November.
Moderne Dramatik, wie sie von „Jung=Wien“
aufgefaßt wird, ist die Kunst, den vollständigen Mange
an dramatischer Kraft und dramatischer Bewegung durch
Milieuschilderung, Stimmungsmalerei und philosophische
Deduction zu verbergen. Und um diese „Kunst“ vollends
gegen Einbruch der gesunden Vernunft zu versichern, ist noch
Eines nothwendig: das Universalmittel des „Talisman“ die
kecke Lehre, daß Jeder ein Ignorant ist, der das feine
Gewebe, den unermeßlichen Werth dieser „Kunst“ nicht sieht.
Dann ist der Erfolg mühelos und unausbleiblich. Denn der
Antor hat gar nicht nöthig, sich mit Einleitung, Steigerung,
Umkehr und Lösung eines dramatischen Conflictes
es die alten,
längst überwundenen
zu plagen, wie
Dramatiker Shakespeare oder Schiller gethan haben, sondern
er braucht nur irgend ein Milien fleißig zu studiren,
einige Momeutaufnahmen nach dem Leben zu machen, einige
verbrauchte Sentenzen frisch aufzubügeln und das Ganze in
mehr oder weniger Acte einzutheilen. Und er braucht nicht
erst die schwere, undankbare Mühe aufzuwenden, das liebe
Publicum in den Bann seines Talents zu zwingen, denn es
Für
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hütet sich ohnedies Jeder, die geringste Spur von Unbehagen
100
oder gar von Mißfallen zu äußern, weil er fürchtet, alsse
200
Ignorant gebrandmarkt zu werden. So ist der Erfolg in
500
der That mühelos und sicher. Schade nur, daß — bei uns sis
" 1000
längst nicht mehr das Premièren¬
in Wien wenigstens —
Abonnem
puhlicum über Werth oder Unwerth eines Stückes ent¬ gen
Abonnent scheidet, sondern jenes verzweifelt naive Publicum
der folgenden Aufführungen, welches an der unmodernen An¬
schauung festhält, ein gutes Stück müsse erheitern oder
erschüttern, aber jedenfalls dramatische Wirkung üben. Dieses
Publicum ist vermessen gerug, bei der schönsten Milieu¬
schilderung und der besten ältesten Phrase zu gähnen und das
Theater mit dem redlichen Vorsatze zu verlassen, alle wirklich
guten Freunde und Bekannten eindringlich zu warnen. And¬
dieser schrecklichen Klippe bleibt denn auch die moderne
Dramatik „Jung=Wiens“ kläglich hängen.
Zu diesen Betrachtungen regt das Schauspiel „Das
Vermächtniß“, von Arthur Schnitzler, sehr
eindringlich an. Das ist echte dramatische moderne,
Wiener Marke. Im ersten Acte geschieht nichts,
Hugo Losatti bei
der junge Dr.
als daß
einem Spazierritte vom Pferde fällt und an einer Gehirn¬
erschütterung oder anderen schweren inneren Verletzungen stirbt.
Er stirbt tadellos lebenswahr. Das ist gut und mitärztlichem
Verständniß beohachtet. Man könnte es in dem Schwerkranken¬
zimmer eines Spitales nicht besser sehen. Bevor er stirbt,
beichtet er seiner Mutter, er habe eine Geliebte und sei der
Vater ihres Kindes. Seine letzte Bitte, sein Vermächtniß
ist, man möge Geliebte und Kind im Elternhause aufnehmen
und ihnen dauernd ein Heim bieten. Im zweiten Acte stirbt
das Kind, mit weniger sorgfältiger Darstellung des Krank¬
heitsverlaufes, dafür aber mit dem Aufgebote großer, auf
alle, sehr zahlreichen Familienmitglieder ausgedehnter Zärt¬
lichkeit. Im dritten Acte wird die Mutter des todten Kindes,
die Toni Weber, systematisch aus dem Hause hinaus und in die
Donau hinein gedrängelt. Das ist Alles. Mehr Handlung