II, Theaterstücke 9, (Der grüne Kakadu. Drei Einakter, 2), Die Gefährtin. Schauspiel in einem Akt (Der Wittwer), Seite 16


Gefaehrtin
9.2. Die anan d .
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Zeitung
zweimal so stark ist als die unseres stärksten denkbaren Gegners, und
einer auf allgemeiner Wehrpflicht basierenden Armee zur Ver¬
teidigung unseres Landes bedürftig wären, gleichviel welche Macht
das europäische Gleichgewicht stört. Dies vorausgesetzt, haben wir
es damit zu tun, daß Rußland, und nicht Frankreich, die Ursache
der deutschen Rüstungen bildet. Der militärische Berichterstatter der
Times hebt nun die merkwürdige Tatsache hervor, daß die Presse
der ganzen Welt bisher von der russischen Armee auffallend wenig
Notiz genommen hat, und dies sogar im Angesichte des Umstandes,
daß die beabsichtigte Vermehrung des deutschen Heeres durch die
veränderte Lage im südöstlichen Europa und durch den Rußland
zugefallenen Zuwachs an Macht und Prestige hervorgerufen wird.
Der Berichterstatter läßt daher den Popanz der Herausforderung
Frankreichs durch Deutschland fallen, indem er sagt: „In Deutsch¬
land ist die peinliche Erkenntnis wieder im Wachsen begriffen, daß
ein Krieg auf zwei Fronten von neuem drohe, von diesem Gesichts¬
punkte besehen, sind die deutschen Rüstungen vollständig gerecht¬
fertigt.“ Der Korrespondent hegt infolge dessen sogar Zweifel, ob
es möglich sein werde dem enormen Aufgebot, welches Rußland seit
dem japanischen Kriege aufstellt, genügende Kräfte entgegenzu¬
halten.
„Seit dem Jahre 1904,“ sagt er, „beträgt das russische Jahres¬
kontingent ungefähr 440,000 Mann. Bei dreijähriger Dienstzeit sind
daher selten weniger als 1,400,000 Mann unter den Waffen, und
es braucht nur eine Klasse unter den Fahnen behalten zu werden,
sso erhöht sich die russische Präsenzstärke auf 1,700,000 bis 1,800,000
Mann, ohne die irregulären Formationen in Rechnung zu ziehen.“
Im letzten Jahre hat das ordentliche russische Heeresbudget 50 Mil¬
ilionen Sterling, das außerordentliche wenigstens 30 Millionen be¬
tragen, und es befinden sich etwa 190,000,000 Sterling in der Gold¬
reserve. Wir haben letzte Woche auf Grund der Autorität des
Pariser Temps mitgeteilt, daß die russische Artillerie binnen kurzem
allem über 15,000 Feldgeschütze verfügen wird. Es ist also kein
Wunder, wenn der militärische Berichterstatter der Times erkannt
hat, „daß die in Aussicht genommene deutsche Heeresverstärkung
speziell durch den russischen Machtzuwachs hervorgerufen wird““
Noch kann ein Zweifel darüber bestehen, von welchem Staate die „
Bedrohung des Gleichgewichtes herrührt, und zwar nicht nur in
Europa.

X
Theater-und Mulik
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Münchener Theater.
Arthur Schui#l=Gasähnein“. — „Die offenen Türen“ von
Robert Faesi. — Die Hebbel=Feier.
Im Mai 1899 gab es in unserem Residenztheater einen
Schnitzler=Abend. Es wurden drei Einakter von ihm aufge¬
führt und sie hießen: „Die Gefährtin“, ein Schauspiel, das
Versspiel „Paracelsus“ und die Groteske „Der grüne
Kakadu“. Etwa einen Monat vorher hatten dieselben Stücke
ihre Erstaufführung am Wiener Burgtheater erlebt. Nach
einem Berichte unseres Wiener Referenten fand das erste
als das wertvollste Stück den meisten Beifall. Gerade um¬
gekehrt war es in München: „Der grüne Kakadu“ fand das
meiste Interesse und wurde noch oft gegeben. Das peinliche
Sujet der „Gefährtin“ aber wurde fast stillschweigend hin¬
genommen. Wer hätte nun denken können, daß von diesen
drei Stücken Schnitzlers, die längst nicht mehr auf unserem
Spielplan stehen, ausgerechnet gerade die „Gefährtin“ nach
so vielen Jahren wieder aufgeführt werden würde! Ein—7
Grund zu dieser Wiederbelebung läßt sich schwerlich finden,
mindestens wird man doch zugeben müssen, daß es zahl¬
lose Einakter gibt, von denen, die ein Dichter wie Paul Heyseffl)
geschrieben, ganz abgesehen, die dieser Ehre weit würdiger
gewesen wären. Nun denn, „Die Gefährtin“ wurde ge¬
geben und fand so ziemlich dieselbe Aufnahme wie damals:
zuerst ein respektvolles Schweigen, dann ein milder Applaus
für die Darsteller. Es ist eine sehr triste Ehegeschichte, die
das Thema dieses Einakters bildet. Die junge Frau eines
Professors ist soeben gestorben, eine Freundin derselben
kommt zu dem Gatten, um sich die möglichst rasche Rück¬
gabe von Briefen zu erbitten, die zwischen den beiden Freun¬
dinnen gewechselt worden sind. Die Freundin will glauben
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