II, Theaterstücke 9, (Der grüne Kakadu. Drei Einakter, 2), Die Gefährtin. Schauspiel in einem Akt (Der Wittwer), Seite 32

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Gefaehrtin
9.2. Die
####s Drei Einakter
Knna=Deutsches Künstlertheater.“
Man fragt sich vergeblich, warum Herp=Schnitzler uns eine so
peinliche Situation durchleben läßt, um #le so banale Sache mit¬
zuteilezt.
ie Frau ist soeben als Leichegaus dem Haus getragen.
Die leßen Verren vom Gefolge sind=Noch da. Ein verspäteter
Kranz win vom Diener hereingebracht. Die schwarze Stimmung,
die voll einem Sterbefall unzertrennlich ist, umfängt den Zuschauer.
Und dann werden die Akten dieser im Tod erfrorenen Ehe ge¬
öffnet.
Die Frau hatte einen Liebhaber. Der Mann wußte es und
fand sich damit ab. Sie war nicht dazu geschaffen, die Gefährtin
eines Mannes zu sein, sie war Weibchen, Geliebte, Mätresse. Er
hatte über ihre Natur keine Illusionen und wußte, daß sie ihm
nach einigen Jahren des Sinnenglücks untreu werden mußte.
Es erscheint der Liebhaber in dem Zimmer, aus dem man vor we¬
nigen Stunden die Leiche der Frau hinausgetragen hat. Er
kommt frisch von seiner Verlobung und ist so ausgesucht fein¬
fühlend, das in dieser Sitüation mnitzuteilen. Wenn er's nicht täte,
würde Herr Schnitzler nicht zu seiner feuilletonistischen Pointe
kommen, und also tut er's. Das ist dem doppelt vereinsamten
Gatten nein aber doch zu viel. Er begehrt auf.
Was? Dann ist meine Frau ja nicht einmal Ihre Geliebte
gewesen, sondern Ihre Dirne. Pfui, mein Herr! Verlassen Sie
das entweihte Haus!
Als der seelenvolle Liebhaber hinaus ist, verrät eine Freundin,
daß die verstorbene Frau von dem Verlöbnis seit langem wußte
nar
und der kommenden Ehe als einer unvermeidlichen sozialen Not¬
wendigkeit gelassen entgegensah. Der geknickte Hinterbliebene und
der geneigte Zuschauer sing damit um die Erkenntnis reicher, daß
derartige weibliche Naturen eine sehr realistische Auffassung der
Liebe haben und ihrer Galan auch gern in eine Ehe entlassen, wenn
sie dahinter nur keinen erotischen Geitbewerb wittern. Wer das
noch nicht wußte, mag ja übert# worden sein. Wer die Bana¬
lität als Banalität empfand, li####r der Skrupellosickeit, die hier
im Dienst armfeliger Wirkungen Leichengeruch n#d sinnlichste
Sinnlichkeit ineinander wol. —
Nach dieser „Gefährtin“ die einen im wesentlichen harm¬
# los heiteren Abend einleitete, folgte Hartlebens bekannte „Sitt¬
Fliche Forderung“. Obwohl Framu Göse Bassermann
v#r einer vorbildlichen Rita weit entfernt war, entfaltete das

muntere Stückchen auch im Künstlertheater seine ironischen Reize.
Der ästhetische Glanz des Dialogs hätte im Spiel der Darsteller
blendender funkeln können. Hartleben war ein sehr feiner Sprach¬
künstler und auch wohlgemeinte Einschiebsel wirken bei ihm leicht
plump. Plump aber darf dieser Schmetterling, der treulos von
Blüte zu Blüte flattert, unter keinen Umständen werden. In der
Grazie liegt sein geistiger Adel umschlossen.
Was heute einen etwas faden Geschmack auf der Zunge
hinterläßt, ist gerade der soziale Einschlag, auf den die Jugend
der achtziger Jahre Wert legte. Die schöne Courtisane Rita—
Rivera will uns glauben machen, daß die äußeren Lebensumstände
an der Entwicklung ihrer erotischen Vielseitigkeit die Schuld
trugen. Weil ihr Vater sie in eine Vernunftehe zu schicken ge¬
dachte, weil sie ins Proletariat hinabsank, darum mußte sie sich
einer finanziell außerordentlich lohnenden Vielmännerei ergeben.
Die gute Seele ist ein armes, unschuldiges Opfer der sozialen
Verhäl nisse geworden und die Jugend der achtziger Jahre lächelte
keinesnegs, wenn sie ihre revolutionären Anwandlungen hatte.
Ueberflüssig zu sagen, daß diese Rita durch kein Milieu erzeugt
wurde, sondern mit angeborenen Instinkten aus dem Schoß der
Natur hervorsprang. Wäre sie in fürstlichem Luxus groß ge¬
worden: sie wäre die gleiche geblieben; nur daß sich dann in einer
aristokratischen Ehe abgespielt hätte, was sich nun in der inter¬
nationalen Artistensphäre ereignet.
Hartleben will die rückständige Moral von Schilda und
Schöppenstädt geißeln. In der wehleidigen sozialen Begnündung
aber steckt eine letzte Furcht, ein letztes Sich=Beugen vor dem
gehaßten Philisterium. Er gibt seiner weiblichen Gestalt einen
moralinsauren tragischen Zug, weil er sie in ihrer freien Ur¬
sprünglichkeit, in ihrer angeborenen Vielseitigkeit, in ihrer amora¬
lischen Unbekümmertheit nicht zu zeigen wagt. Wenn Rudolstadt
nur in Ordnung gewesen wäre, wären so bedauerliche Dinge nicht
geschehen! Die heimliche Wertschätzung, die durch diesen Ge¬
dankengang dem symbolischen Städtchen widerfährt, müßte im
Grunde den Magistrat veranlassen, den Dichter noch nachträglich
zum Ehombürger zu ernennen. —
Den Beschluß des Abends bildete die „Partie Piquet“.
die einst Friedrich Haase zur Enfaltung seiner besonderen Fähig¬
keiten Anlaß gab. In der Rolle des Chevalier von Rochefervier ist
ein Rahmen geschaffen, in den ein schauspielerisches Spezialtalent
ein delikates Avistokratemporträt hinzeichnen kann. Bassers
mann besaß dieses Spezialtalent nicht. Was er bot, ging nir¬
gends über die kandläufige Charakteristik eines gealt#rten Aristo¬
kraten hinaus, blieb natürlich auch nirgends dahinter zurück, hinter¬
ließ aber doch eine leichte Enttäuschung, weil die Virtuosenrolle eine
virtuose Leistung erwarten ließ. In der „sittlichen Forderung“, wo
ich seinem Auftreten mit gemischten Gefühlen entgegensah, ging die
Sache um so besser. Er schuf hier aus dem schüchtenen Liebhaber
einen treuen deutschen Philister reiferen Alters; der vollkommen.
echt und glaubwürdig wirkte. In dem Schnitzlerschen Nichts; das
den vergnüglichen Abend grämlich einleitete, hatte er so wenig.
etwas zu spielen, wie die anderen. Erich Schlailjer