II, Theaterstücke 9, (Der grüne Kakadu. Drei Einakter, 1), Paracelsus. Versspiel in einem Akt, Seite 7

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Paracelsus
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Ausschnitt
„OBSERVER“ Nr. 11
I.
I. österr. behördl. conc. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
Wien, IX/1. Türkenstrasse 17.
Filiale in Budapest: „Figyelé“ —
Vertretungen in Berlin, Chicago, London, Newyork, Paris, Stockholm.
Ausschnitt aus:
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Deutsches Theater. ##
=FZum ersten Male: Winterschlaf“. (Drama in
drei Aufzügen von Max Dreyer. Neu einstudirt:
„Paracelsus“. Versspiel in einem Aufzuge von Arthur¬
Schnitzler.—. Der Dichter des „Probekandidaten“ ist in
den Berliner Schriftsteller= und Theaterkreisen eine populäre
Figur geworden. Dreyer trifft den Zeitgeist bis in den
Kern seines Wesens, er fühlt ihn ahnend voraus, und
gerade wegen der zeitgemäßen Antworten, die er
in seinem Drama auf vorherrschende Strömungen giebt,
sind diese Stücke rasch beliebt geworden. „Der Winter¬
schlaf“, der zuerst vor drei Jahren im „Neuen
Theater“ aufgeführt wurde, enthält noch mehr als
eine satirische Beleuchtung gewisser vorwaltender
Meinungen; dies Drama ist umweht von der
Luft echter Poesie, die einen herben Grundzug hat,
ohne den idyllischen Charakter ganz zu verlieren. Der
Dichter führt uns in ein weltabgeschiedenes Forsthaus,
in eine Waldeinsamkeit, die kaum je von dem hoch¬
flutenden Strom modernen Lebens berührt wird. Hier
vertrauert ein junges Mädchen ihr eben erst
aufgeblühtes Dasein. Sie ist Braut, ihr Verlobter
Forstgehilfe, eine rohe und nur fürs Materielle
empfängliche Natur. Ein eingeschneiter Wanderer wird
ins Forsthaus getragen. Er ist Schriftsteller, und als
Für 50 Zeitu er unter der liebevollen Pflege des Mädchens erwacht, inclusive
100
taucht die ganze reiche, großartige Welt geistigen Lebens P’orto.
200
und humanen Wirkens vor den Augen des Mädchens Zahlbar
500
auf. Sie wagt nicht, ihr Verhältnis zu dem Forstgehilfen in Voraus
„ 1000
zu lösen, aber ihr Entschluß steht fest, daß sie sich in
dem bewegten Treiben der Großstadt eine neue itte ist das
Im Ge
Wirksamkeit suchen will. Der alte, vernünftige und steht es den
Abonnement
Abonnenten## wohlgesinnte Förster willigt ein, auch der Forstgehilfe tern
giebt gezwungen nach, aber vereitelt durch seine rohe
Gewaltthat die Ausführung des Entschlusses und zerstört
das Lebensglück des Mädchens. Die Herren Nissen,
Rittner und Sommer vertraten die Rollen des
Försters, des Forstgehilfen und des Schriftstellers, und
Frl. Sarrow gab die zum Licht emporstrebende und
loden zu grunde gerichtete Försterslochter. Der Dichter
wurde mehrere Male gerufen und verneigte sich vor
dem Vorhang.
Den Schluß des Abends bildete Schnitzlers Vers¬
spiel „Paracelsus“. Der Baseler Zauberer wurde von
Herrn Reicher mit den geisterhaften Nimbus alchy¬
mistischer Geheimniskrämerei gegeben, und Herr
Nissen hielt das Sagenspiel in der Rolle des
biederen und feisten deutschen Stadtbürgers und
Waffenschmieds. Die Damen Dumont und Heims
umgaben die weibiichen Rollen mit dem Schimmer
#tiger und naiver Tändelei.
„ODSENVEN
Nr. 19
I. österr. behördl. conc. Bureau für Zeitungsberichte u. Personainachrichten
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Unterhaltungstlaut.
* Im Deutschen Theater weckte die Aufführung von
Max Dreyer's Drama in drei Aufzügen „Winterschlaf“
am Sonnabend den eigenartig lebens= und erregungsvollen
Eindruck eines Premièrenabends, bei welchem den Verfasser
die Dankbarkeit eines begeisterten Publikums mit Hervorrufen
auszeichnet. Uns war das Stück als eine der ersten Talentproben,
die wir vor fünf Jahren von Dreyer kennen lernten, noch in frischer
Erinnerung, und dennoch wollte es auch uns scheinen, als wehe
darin ein neuer lebenskräftiger Odem. Das verschneite Forst¬
haus, in dem die Handlung spielt, steht anscheinend so fest auf dem
Boden der Wirklichkeit, die Ausgestaltung hat etwas so Natur¬
treues, und der Konflikt spitzt sich so dramatisch vollgewichtig
zu, daß man von der Glaubhaftigkeit des Vorgeführten in
innerster Seele ergriffen wird. Allerdings ist noch deutlich
erkennbar, daß Max Dreyer durch die Schule Ibsen's ge¬
gangen ist und mit den Jungen und Jüngsten auf
dem Felde der Geistesschöpfungen Fühlung gehabt hat.
Das Deutschderbe in der Ausdrucksweise und dem Empfinden
der Männer, denen die enge Scholle und der menschen¬
Für
50 ferne Wald den Gesichtskreis verengte,
eher
100 vergröbert als gemildert, und ein Akt der Brutalität bildet:
200 den erschütternden Ausgang. Wie in Halbe's „Jugend“ sinkt
500 in „Winterschlaf“ der Vorhang über dem Opfer eines jungen
1000 Menschenlebens. „Trude“, die Försterstochter, verlobt mit dem das
Forstgehilfen unter des Vaters Dach, sehnt sich nach Welt und #den
Khonne Leben. Die Verlobung mit dem schmucken, von Gesundheit
Abonner strotzenden Kernmenschen ist
ihrerseits
eine
mehr
Folge der Verhältnisse als einer glühenden Liebe, und
als plötzlich ein verschneiter Wanderer, der von socialen
Reformationsgedanken erfüllte Schriftsteller Hans Meincke,
in den Kreis der Weltabgeschlossenen tritt und ungeahnte Aus¬
blicke eröffnet, fühlt Trude, daß sie noch einmal hinaus muß
in den vollen Lebenskampf im Gewoge der Menschheit.
Franz, der Forstgehilfe, weiß, daß sie ihm dann verloren
geht; die alte „Prozenttante“ im Hause des Försters stachelt
den Mann der rohen Gewalt noch besonders auf und zeiat
ihm in ihrer kupplerischen Findigkeit den Weg, zum Ziel
zu gelangen.
Die Nacht verschleiert seine That.
Trude aber vemag die ihr angethane Schmach nicht
zu überleben und erdrosselt sich mit den langen
Zöpfen ihres goldblonden Haars. — Wir wollen keine Ver¬
gleiche ziehen zwischen der früheren Erstaufführung im Neuen
und der jetzt stattgehabten im Deutschen Theater. Zu sagen
ist, daß Hermann Nissen den alten Förster warmblütig lebens¬
wahr und mit all den Merkmalen der ihm vom Dichter ge¬
gebenen Eigenart darstellte; daß Luise von Pöllnitz die Rolle
des teuflischen Kuppelweibes in bewundernswerter Selbst¬
verleugnung künstlerisch vollendet spielte; daß die Vorführung
des verlobten Paares Lotti Sarrow und Rudolf Rittner in
nüchterner Natürlichkeit gelang. Ueber Oskar Sauer's Auf¬
fassung des Schriftstellers läßt sich streiten, immerhin kann
man sie als eine verständnisvolle gelten lassen. — Einen wahren
Heiterkeitssturm erregte die Frage des Försters an seinen Gast,
der ihm erzählt, daß er in seinem Beruf als Schriftsteller
eine Gefängnisstrafe erlitten habe: „Ja, sind denn die
Kerls jetzt verboten?“ — So übte lex Heinze eine fördernde
Rückwirkung auf den Winterschlaf im Forsthause. —
Mehrmals wurde Max Dreyer hervorgernfen. — Das Vers¬
spiel Arthur Schnitzler's „Paracelsus“, schon früher im Deut¬
schen Theater gegeben und jetzt neu einstudiert, hatte weniger
Glück. Obwohl die Beziehungen des Wunderdoktors der
früheren Zeit zu dem Hypnotiseur der Gegenwart klar her¬
vortreten, fühlte man sich befremdet. Aeußerlich schien Emannel
Reicher den „Paracelsus“ mit Gevätter Tod verwechselt zu
haben. Auch in diesem Stück gab Herr Nissen Vorzügliches.
Bühneneinrichtung und Ausstattung beider Stücke zeugten von
größter Achtsamkeit des Regisseurs Emil Lessing.—
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