II, Theaterstücke 9, (Der grüne Kakadu. Drei Einakter, 1), Paracelsus. Versspiel in einem Akt, Seite 16

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Paracelsus
9.1. 1
Telephon 12801.
Alex. Weigl’s Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
„OBSERVEP“ 1
Nr. 91
1
I. österr. behördi. conc. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichtt
Wien, IX/1, Türkenstrasse 17.
- Filiale in Erdapest: „Figyelö“ —
Vertretungen in Berlin, Chicago, Geuf, London, Newyork, Paris, Rom, Stockhol
bis . Sr), Dolzan
Ausschnitt aus:
1 779 2
Schiller=Theater.
Dus Schiller=Theater veranstaltete gestern, dem
Zuge der Zeit folgend, einen Einakter=Abend, der
iim Großen und Ganzen einen schönen Verlauf
fnahm. Die auserwählten Stücke sind sämmtlich an
anderer Stelle schon mebrfach aufgeführt und auf
ihre Wirksamkeit erprobi, und so konnte auch die
Inscenirung und Darstellung eine bereits vorge¬
zeichnete Bahn einschlagen. Die Komödie von
Max Dreyer, „Unter blonden Bestien",
machte den Anfang, verpuffte aber unter der un¬
50; gezogenen Unruhe des Hauses und an der Unzu¬
Für
inclusive
länglichkeit des Herr Georg Paeschke, der das
Porto.
thöricht verliebte Zappelmännchen und Geigeelein
200
Zahlbar
zu spielen hatte. Sehr peinlich berührte dieses un¬
500
reif würgende Spielen mit der zeschmeidig geist= I] im Veram
„ 1000
reichen Rolle und das höchst durftige Sprecher= sehnitte ist
Im
talent besagten Darstellers, der überhaupt gestern
ich steht es g
Abennemer einen unglücklichen Abend hatte. Nur die blond¬
ändern.
Abonnente mächtige Holstenfigur des Herrn Pategg kam dem
Geist der scherzhaft frischen Komödie nahe. Dann
enthaltend
Der wurde es besser. Zwar wurde auch der weich¬
r Morge
Inhaltsan, säuselnde Stimmungsgehalt von Hugo von Hof¬
iener Zeitun
blätte mannsthals Todtentanzdichtung „Der Thorund
wirthschaftli
der Tod“ nicht zur Genüge ausgeschöpft, aber
wodurch
ird. Diese M
es wehte doch wenigstens ein geheimnßvolles Etwas
Leben de
durch die Scene, ahndevoll vom Todesschauer um¬
theilunger
raunt. Herr Lettinger sprach die zartschmelzenden
Verse schön und würdig, doch das war nur ein
Sprechen, dem die Untertöne des dekadenten Em¬
pfindens nicht voll zu Gebote standen. So eine
Dichtung liest sich übrigens besser im stillen Kämmer¬
lein, als sie sich leibhaftig darstellen läßt. Herr
Albert Steinruck erreichte als Fiedler Tod beinahe
den großen stillen Zug und Fräulein Mallinger
zauberte im somnambulen Gretchenton den hold¬
seligen Liebreiz des todten Mädchens herbei in ihrer
schwermuthsvollen Naivetät. Nun aber gings auf
die Höhe des Abends. Ein volles Gelingen um¬
1
blühte das geistvolle Versspiel „Paracelsus“
von Arthur Schnitzler, die weitans werthvollste
Gabe des Einakter=Cyklus. Herr Lettinger führte
das geistesüberlegene Spielen des Wunderdoktors
mit dem Basler Spießbürgerthum mit fester Hand
zum Ziel. Herr Pategg gab sich in dem breit¬
behäbigen Waffenschmied Cyprian aus seiner ganzen
vierschrötig humorvollen Natur, Fräulein Marianne
Wulf entschleierte mit zarten lichten Pulsen den
Seelenreiz des hochgearteten Eheweibes Justina
und Herr Kirschner, der Stadtarzt, spreizte die
selbstgefällige Dummheit des approbirten Quack¬
salbers in der entsprechend grobkörnigen Bravour.
Ueberhaupt war das ganze Bühnenbild von einer
klaren Schönheit. Das liebenswürdige Lustspiel
„Post festum“ von Ernst Wichert machte den
Beschluß und fröhlichen Kehraus. Da waren die
Schillertheaterleute in ihrem eigensten Fahrwasser.,
Herr Rickelt polterte den alten General in all
seiner brummstimmigen Behäbigkeit, Elisabets
Scholz sekundirte harmonisch als Generalin, Else
Wasa plauderte und Marie Mallinger zwiischerte
sich in die Verlobung hinein und Hans Kuhnert
gab den eckigen, allmählich aufthauenden Professor
aus dem Brustton seines besten Könnens. Es war
wirklich sehr nett.
Telephon 12801.
Alex. Weigl’s Unternenmen für Zeitungs-Ausschnitte
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Serhnerageblatt
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vom:
*. P. Der Einakterabend des Schiller=Theaters bot gestern
eine bunte Schüssel, in der für jeden Geschmack etwas zu finden
war.
Freilich Max Dreyer, Hugo v. Hofmannsthal. Arthur
Schnitzler und Ernst Wichert hinter einander, das ist ein bischen
viel des Euten, und ein Zuviel für unsere Eindrucksfähigkeit. Wicherts
„Post festum“ war auch in Anbetracht der vorgerückten Stunde wirklich
ein überflässiger Spätling. Aber gelacht wurde im Publikum herzlich
darüber, Hans Kuhnert gab den zerstreuten Professor mit
liebenswürdiger Glaubhaftigkeit, Gustav Rickelt und Elisabeth
Scholtz war ein sehr würdiges und gemüthliches Elternypaar
und Marie Mallinger eine anmuthige schalkhafte Tochter.
Auch Dreyers „Unter hlonden Bestien“ wurde flott heruntergespielt. lusive
„ Else Wasa gab die junge Frau mit Geist und Feinheit, in ihrer orto.
Lektion an den zudringlichen Liebhaber (Georg Paeschke) vergaß sie zhlbar
nicht ihre Würde und Vornehmheit, und Max Pategg als ihr Voraus.
vertrauensseliger Ehegatte hatte bei dem Bericht vom Attentat des
heißblütigen Musikers auf seine Hausehre ein so herzhaftes, gesundes ist das
Lachen, wie es nur den wahrhaft Glücklichen eigen ist.
ht es den
Zwischen diesen beiden realistischen Stücken nun Hofmannsthals ru.
Akeingestimmtes romantisch=philosophisches Versdrama „Der Thor und
eder Tod.“ Gewiß läßt sich über die Aufführbarkeit streiten,
Manche werden den höheren Genuß nur im Lesen des Werkez iltend die
finden. Aber wenn auch Rudolph Lettinger, der mit Verständniß die orgen¬
„Berse sprach, vielleicht durch die Schuld seines etmas spröden Zeitung")
s die poetische Wirkung nicht ganz auszuschöpfen schattliche
hte, so war doch Albert Steinrück trefflich als Tod in seinem Diese Mit¬
igen schlichten Pathos und die Inszenesetzung des Stückes eine
rbar stimmungsvolle so vaß ein tiefer Eindruck blieb.
Schnitzlers anmuthiges satirisches Versspiel „Paracelsus“ weckte
gleichfalls reichen Beifall. Max Pategg als biderber, auf
sein häusliches Glück
pochender Waffenschmied Cyprian,
Marianne Wulf als
seine anmuthsvolle Gattin Justina,
Margarethe Horwitz als liebliche Cäcilia und Max Kirschner
als aufgeblasener Medikus waren alle an ihrem Platze. Georg
Paeschke hätte den verliebten Junker leichtblütiger auflassen können.
Alles, was Rudolph Lettinger als Clandio schuldig geblieben
war, gab er reichlich als Paracelsus, eine Gestalt voll innerer
Kraft, voll Feinheit im Spott und geistiger Ueberlegenheit, wirklich
der Arzt bis in die Fingerspitzen, der die Seelen wie, die Körper
heilt und die Beleidigungen nur mit dem leisen Spott des Weisen
straft. Von dem vielen Beifall des Abends kam daher der reichste
au' Schnitzlers Werk.