Paracelsus
box 14/6
9.1.
eogesaussenner-ecse
16. RUNGESTRASSE 22-24
Benchengnutsche und ausländische Presse auch auf Inserate.
Lictert Listen über geplante Bauten aller Art. Geschäftseröffnungen.
Pestlichkeiten usw.
Berliner Morgenpost
Berlin SW. 10
Ausschnit aus der Nummer vom:
54. MAl W24
Theater=Kunst
Wissensench.
Schnitzler und Tolstoi
im Deutschen Thealer.
Gastspiel Alexander Moissi.
Ja, es ist nicht leicht, durch Erfolge in aller
Welt verwöhnt zu werden und doch einfach zu
bleiben. Unser lieber, bewunderter, glänzend kon¬
servierter und so unendlich begabter Moissi hat
auf seinen langen Gastspielfahrten nun allmäh¬
lich eine Art angenommen, die zum Widerspruch
herausfordert. Der einst so Stürmische, Feurige,
in dem immer ein zitterndes Gefühl sich bis zur
Explosionsgefahr zusammenzuballen schien, ist
mehr und mehr ganz bewußt, berechnend, solo¬
spielerhaft geworden. Er scharmiert mit dem
Publikum, in das er betonte Stellen, oft gar
selbstgefällig, hineinspricht. Er zerdehnt Sätze,
um einen Effekt wie Pfefferkörner euszubreiten.
Er legt seine Wirkungen gleichsam auf den Teller,
schmiert ein Brot erst mit Butter, dann mit Mar¬
melade, dann mit Gelee, und legt noch eine
Butterschicht darüber. Das muß einmal gans
klar ausgesprochen werden. Gerade wer die alte
Neigung zu diesem feinen Sprecher, diesem phan¬
tasiereichen Schauspieler bewahrt hat, muß am
dringlichsten wünschen, daß er die Stargewohn¬
heiten, die sich eingeschlichen haben, wieder zum
Fenster hinauswirft.
Schnitzlers reizvoller und geistreicher Ein¬
akter „Paracelsus“ stellt dar, wie der Wun¬
derdoktor, Abenteurer und Menschenkenner des
16. Jahrhunderts in ein Patrizierhaus kommt,
dessen Herrin er einst geliebt hat. Durch das
Philistertum des Gatten gereizt, entfaltet er
seine hypnotischen Zauberkünste und leuchtet in
allerlei Rätsel und Unsicherheiten der braven
Bürgerehe hinein. Der Schauspieler würde den
stärksten Eindruck machen, wenn er zuerst als
schlichter Mensch unter Menschen auftreten und
dann erst seinen Dämon loslassen würde. Aber
Moissi kann nicht abwarten. Er muß sofort mit
der Miene eines in Trance befindlichen Geister¬
menschen hereintreten, weil das anscheinend die
Aufmerksamkeit stärker fesselt. So bleibt alles
im gleichen Ton, es fehlt an Steigerung und Be¬
wegung. Und doch fühlt man, wie außerordent¬
lich der Künstler in dieser Rolle sein könnte. Denn
er hat die magische Kraft des Blicks, das Lächeln
der Ueberlegenheit, die gebietende Sicherheit des
Wesens, die dem Paracelsus angemessen sind.
Das Ensemble der übrigen kommt nur recht und
schlecht mit. Grete Mosheim in einer Neben¬
rolle, hatte am ehesten einen persönlichen Umriß.
In Tolstois wunderschöner kleiner Ko¬
mödie aus dem Nachlaß, die unter dem Titel
„Er ist an allem schuld“ die Verderblich¬
keit des Branntweins annagelt, spielt Moissi den
Wanderburschen, der in das Bauernhaus hüpft,
artig und manierlich ist, bis der Schnaps ihn zu
m kleinen Diebstahl verleitet, und nachher als
ein schluchzender Büßer fortwankt. Solche ent¬
gleisten Exiftenzen und schwachen Seelen, an denen
die russische Literatur reich ist, haben ihm von
jeher am besten gelegen. In diesen Rollen war
er mir immer lieber, als wenn er deklamato¬
liebenswürdiger Bursch von de Landstraße, voll
von Schnurren, mit der komischen Grandezza
eines kleinen proletarischen Hochstaplers. Aber
auch da hört das Liebäugeln mit den Zuschauern
nicht auf und verdirbt ganze Partien. Teurer
Alexander Moissi, such' ein Obdach, geh' ein in
irgendeinen festen Kreis, wo du auch einmal
zurückzutreten verstehst, hinter den Mitspielern,
hinter dem Gesamtwerk einer Dichtung, und
unsere Liebe zu dir wird wieder ihre ganze alte
Zärtlichkeit zurückgewinnen.
Max Oeborn.
sear Scnwerressden
T
G
eadairee euratnee Tiirrnes-Aussemmer-acao
BERLIN SO 16, RUNGESTRASSE 22-24
Bearbeitet die deutsche und ausländische Presse suck auf la##erste.
Liefert Listen über geplante Bauten aller Art. Geschäftseröffnungen.
Festlichkeiten usw.
Neue Dreußische=Zeitung
(Kreuz=Zeitung) Morgenausgabe — Berlin SW. 48
Ausschnitt aus der Nummer vom:
=.A. MAl W28
Kunstchronik.
Deutsches Theater. Zum erstenmal spielte Moissi den
Paracelsus in Schnitzlers gleichnamigen einaktigen Vers¬
spiel, der zu dem Schluß kommt: Wir spielen immer, wer es weiß,
ist klug. Es wal eine gewandte darstellerische Leistung, die den
klingenden Verseh
cht wurde; jene überragende, seelisch¬
geistige Eindrisglich freilich, die Paracelsus braucht, um an
einem schönen Hunin#rgen in Basel um 1500 im Hause des
Waffenschmiedes Cypsian Dinge und Erlebnisse — freilich nur
im Traum — auf den Kopf zu stellen, fehlte freilich. Den Schluß
des Abends machte eine Neubelebung der Tolstoischen Komödie:
Er ist an allem Schuld womit bekanntlich der Alkohol
gemeint ist; hier wiederholte Moissi seinen namentlich in den
Szenen des Zusammenbruches erschütternden Wanderburschen, der
in die Galerie seiner Tolstoi=Gestalten mit Recht gehört.
box 14/6
9.1.
eogesaussenner-ecse
16. RUNGESTRASSE 22-24
Benchengnutsche und ausländische Presse auch auf Inserate.
Lictert Listen über geplante Bauten aller Art. Geschäftseröffnungen.
Pestlichkeiten usw.
Berliner Morgenpost
Berlin SW. 10
Ausschnit aus der Nummer vom:
54. MAl W24
Theater=Kunst
Wissensench.
Schnitzler und Tolstoi
im Deutschen Thealer.
Gastspiel Alexander Moissi.
Ja, es ist nicht leicht, durch Erfolge in aller
Welt verwöhnt zu werden und doch einfach zu
bleiben. Unser lieber, bewunderter, glänzend kon¬
servierter und so unendlich begabter Moissi hat
auf seinen langen Gastspielfahrten nun allmäh¬
lich eine Art angenommen, die zum Widerspruch
herausfordert. Der einst so Stürmische, Feurige,
in dem immer ein zitterndes Gefühl sich bis zur
Explosionsgefahr zusammenzuballen schien, ist
mehr und mehr ganz bewußt, berechnend, solo¬
spielerhaft geworden. Er scharmiert mit dem
Publikum, in das er betonte Stellen, oft gar
selbstgefällig, hineinspricht. Er zerdehnt Sätze,
um einen Effekt wie Pfefferkörner euszubreiten.
Er legt seine Wirkungen gleichsam auf den Teller,
schmiert ein Brot erst mit Butter, dann mit Mar¬
melade, dann mit Gelee, und legt noch eine
Butterschicht darüber. Das muß einmal gans
klar ausgesprochen werden. Gerade wer die alte
Neigung zu diesem feinen Sprecher, diesem phan¬
tasiereichen Schauspieler bewahrt hat, muß am
dringlichsten wünschen, daß er die Stargewohn¬
heiten, die sich eingeschlichen haben, wieder zum
Fenster hinauswirft.
Schnitzlers reizvoller und geistreicher Ein¬
akter „Paracelsus“ stellt dar, wie der Wun¬
derdoktor, Abenteurer und Menschenkenner des
16. Jahrhunderts in ein Patrizierhaus kommt,
dessen Herrin er einst geliebt hat. Durch das
Philistertum des Gatten gereizt, entfaltet er
seine hypnotischen Zauberkünste und leuchtet in
allerlei Rätsel und Unsicherheiten der braven
Bürgerehe hinein. Der Schauspieler würde den
stärksten Eindruck machen, wenn er zuerst als
schlichter Mensch unter Menschen auftreten und
dann erst seinen Dämon loslassen würde. Aber
Moissi kann nicht abwarten. Er muß sofort mit
der Miene eines in Trance befindlichen Geister¬
menschen hereintreten, weil das anscheinend die
Aufmerksamkeit stärker fesselt. So bleibt alles
im gleichen Ton, es fehlt an Steigerung und Be¬
wegung. Und doch fühlt man, wie außerordent¬
lich der Künstler in dieser Rolle sein könnte. Denn
er hat die magische Kraft des Blicks, das Lächeln
der Ueberlegenheit, die gebietende Sicherheit des
Wesens, die dem Paracelsus angemessen sind.
Das Ensemble der übrigen kommt nur recht und
schlecht mit. Grete Mosheim in einer Neben¬
rolle, hatte am ehesten einen persönlichen Umriß.
In Tolstois wunderschöner kleiner Ko¬
mödie aus dem Nachlaß, die unter dem Titel
„Er ist an allem schuld“ die Verderblich¬
keit des Branntweins annagelt, spielt Moissi den
Wanderburschen, der in das Bauernhaus hüpft,
artig und manierlich ist, bis der Schnaps ihn zu
m kleinen Diebstahl verleitet, und nachher als
ein schluchzender Büßer fortwankt. Solche ent¬
gleisten Exiftenzen und schwachen Seelen, an denen
die russische Literatur reich ist, haben ihm von
jeher am besten gelegen. In diesen Rollen war
er mir immer lieber, als wenn er deklamato¬
liebenswürdiger Bursch von de Landstraße, voll
von Schnurren, mit der komischen Grandezza
eines kleinen proletarischen Hochstaplers. Aber
auch da hört das Liebäugeln mit den Zuschauern
nicht auf und verdirbt ganze Partien. Teurer
Alexander Moissi, such' ein Obdach, geh' ein in
irgendeinen festen Kreis, wo du auch einmal
zurückzutreten verstehst, hinter den Mitspielern,
hinter dem Gesamtwerk einer Dichtung, und
unsere Liebe zu dir wird wieder ihre ganze alte
Zärtlichkeit zurückgewinnen.
Max Oeborn.
sear Scnwerressden
T
G
eadairee euratnee Tiirrnes-Aussemmer-acao
BERLIN SO 16, RUNGESTRASSE 22-24
Bearbeitet die deutsche und ausländische Presse suck auf la##erste.
Liefert Listen über geplante Bauten aller Art. Geschäftseröffnungen.
Festlichkeiten usw.
Neue Dreußische=Zeitung
(Kreuz=Zeitung) Morgenausgabe — Berlin SW. 48
Ausschnitt aus der Nummer vom:
=.A. MAl W28
Kunstchronik.
Deutsches Theater. Zum erstenmal spielte Moissi den
Paracelsus in Schnitzlers gleichnamigen einaktigen Vers¬
spiel, der zu dem Schluß kommt: Wir spielen immer, wer es weiß,
ist klug. Es wal eine gewandte darstellerische Leistung, die den
klingenden Verseh
cht wurde; jene überragende, seelisch¬
geistige Eindrisglich freilich, die Paracelsus braucht, um an
einem schönen Hunin#rgen in Basel um 1500 im Hause des
Waffenschmiedes Cypsian Dinge und Erlebnisse — freilich nur
im Traum — auf den Kopf zu stellen, fehlte freilich. Den Schluß
des Abends machte eine Neubelebung der Tolstoischen Komödie:
Er ist an allem Schuld womit bekanntlich der Alkohol
gemeint ist; hier wiederholte Moissi seinen namentlich in den
Szenen des Zusammenbruches erschütternden Wanderburschen, der
in die Galerie seiner Tolstoi=Gestalten mit Recht gehört.