II, Theaterstücke 9, (Der grüne Kakadu. Drei Einakter, 1), Paracelsus. Versspiel in einem Akt, Seite 42

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Mediziner de Bary und Briesemeister haben als Sänger Welt= eine musikalische Komponente gegeben.
Pahratrisas Renatssänte
„Sagekraft“ und „Sichtrede“ willen rückt er den Paracelsus unter
Zu Friedrich Gundolfs Buch
die großen Rede=Menschen, die genialen Sager, in die Nähe
Luthers etwa oder Sebastian Franks.
Es gibt, neben vielen anderen, auch eine Paracelsus=Renaissance.
Diese Untersuchung führt Gundolf über den Paracelsus hinaus
Der Name des Theophrastus Bombastus von Hohen¬
zu einem ganz allgemeinen Problem, dem Problem des Gelehrten¬
heim wird nicht nur von Fachmedizinern, die ja neuerdings so
Stils überhaupt: wie weit ist naturwissenschaftliche, ja wissen¬
viel Sinn für die Geschichte ihrer Wissenschaft haben, bei fest¬
schaftliche Literatur möglich, die mehr ist als bloße Fach=Literatur?
lichen Gelegenheiten — Rektoratsreden, Kongressen, populären
Es ist klar, daß der Naturforscher hier schlimmer daran ist als
Vorträgen — fast so gern und häufig zitiert wie Altmeister Hippo¬
der Geisteswissenschaftler, weil er schon durch seinen Gegenstand
krates. Der Leipziger Medizinhistoriker Sudhoff gibt, nach
— und sei es der Mensch — immer weiter weggerät vom Menschen,
streng philologischer Methode, des Paracelsus sämtliche Werke her¬
weil er selbst das Leben — auch das des Kranken — als „Ding¬
aus; das „Paramirum“ erschien bei Diederichs unter dem Titel
masse“ zu behandeln geneigt oder genötigt ist. Immerhin, könnte
„Von Krankheit und gesundem Leben“ kommentiert von I. D.
man sagen, bleibt auch die Sprache eines Max Weber (bei dem
Achelis. Erwin Guido Kolbenheyer, Mitglied der
ja übrigens das sogenannte Gedanken =Experiment eine
Dichterakademie und Dr. med h. c., baute um den Arzt und
methodisch wichtige Rolle spielt!) kaum hinter der naturwissen.
Mystiker eine Romantrilogie, und Arthur Schnitzler legte
schaftlichen zurück auf dem Wege der „Entichung und Dingver¬
ihm, vor Jahren schon, seine oberflächlich=tiefsinnige Weisheit in
formelung“, ist fast ebensosehr bloße Chiffersprache geworden mit
den Mund, die für den Arzt des ausgehenden neunzehnten Jahi¬
dem geradezu bewußten Ideal der chemischen oder mathematischen
hunderts charakteristischer sein dürfte als für den des sechzehntens
Symbolsprache. Damit aber ist die Ausschaltung des
„Sicherheit ist nirgends. Wir wissen nichts von anderen, nichts¬
Menschlichen vollzogen, die „Forschungssprache ist Hand¬
von uns; wir spielen immer, wer es weiß, ist klug.“
werksgerät wie Mikroskop und Retorte, Geburtszange und Akku¬
Gundolf in seinem „Paracelsus“ (Georg Bondi, Berlin)
mulator“. Ueberflüssig zu sagen, daß dies Gundolf ein Greuel
ist gleich weit entfernt von Schnitzlers spielerisch=modernem Skep¬
sein muß. Er war ja auf die Medizin und auf die Naturwissen¬
tizismus, Kolbenheyers „gotelnder und mystelnder" Romantik, wie
schaft nie sehr gut zu sprechen, an vielen Stellen finden sich bei
freilich auch von irgendwelcher medizinischen Philologie und ge¬
ihm prinzipielle Ausfälle oder kleine Seitenhiebe auf diese wenn
lehrten Kommentatoren=Tätigkeit. Er will hier so wenig wie sonst
nicht Erfindung so doch Renommierleistung des von dem George¬
je die fachlich=philologische Literatur vermehren, sondern „die
Kreis in Bausch und Bogen verdammten neunzehnten Jahr¬
gesamtgeistige Art des Mannes zeigen, der wie kein anderer Arzt
hunderts. Wenn er jetzt versucht, der Medizin sozusagen eine
der neueren Zeit unmittelbar der Geistesgeschichte angehört“. Was
bessere Seite abzugewinnen, so ist es charakteristisch, daß er drei¬
ihn an der Gestalt des Paracelsus reizt, ist das, was über das
hundert Jahre zurückgehen muß, um sie sich schmackhaft zu machen
Medizinisae (und über das Philologische) hinausgeht: er sieht in
und eine ihn ansprechende Gestalt zu finden: eben den Paracelsus.
ihr das Urbild des faustischen Mythos, der sich zu Un¬
Dem gelang es noch, „naturforscherliche Zusammenhänge aus dem
recht an die Person des „Wunderdoktors und kleinen Markt¬
ursprünglichen Sehen ins geistige Sagen zu überführen“. Diese
schreiere aus Knittlingen“ geheftet hat. Nicht besser weiß Gun¬
Gabe rühmt Gundolf bei den Neueren höchstens noch an
dolf die Paracelsus=Stimmung zu beschwören als mit den Versen
Fechner, Virchow ist ihm schon nicht mehr „gesamt=mensch¬
des ersten Faust=Monologes: „Wie alles sich zum Ganzen webt ...“
lich“ genug, gehört deshalb wohl auch nicht, wie Paracelsus, in
Wenn Paracelsus keinen Goethe gefunden hat, wenn die Faust¬
die allgemeine Geistesgeschichte und darf nicht etwa wie dieser mit
Legende ihren Namen eben von einem anderen, Kleineren her¬
dem „Licht=Biographen“ Goethe in einem Atem genannt werden.
nahm, so gerade deshalb, weil er selbst schon zu bedeutend und zu
deutlich war, zu wenig mehr Rohstoff, weil er ein eigenes reiches
Auch an dieser Stelle ist Gundolf (und Paracelsus) wiederum
und zu sehr schon geformtes Werk hinterließ.
moderner und zeitnäher als ihm vielleicht selbst bewußt ist: es
Nein, Paracelsus war kein obskurer Jahrmarktschreier — er
besteht in der jüngsten Medizin eine ganz ausgesprochene Ab¬
war, zeigt uns Gundolf, einer, der — wie Friedrich der Zweite
kehr von Virchow und dem von ihm aufgestellten Ideal der
oder Dante — an der Schwelle von Mittelalter und Neuzeit stand,
Zellular=Pathologie, das die letzten 80 Jahre medizinisch-natur¬
er bezeichnet den Punkt, wo aus Alchymie Chemie wird. Mittelalter¬
wissenschaftlicher Entwicklung beherrscht hat. Wenn bisher
lich in seinem Privatglauben und modern in seiner Erfahrungs¬
nach der ein wenig zugespitzten Formulierung dieser
wut, hat er, gegen Schule und Fakultäten, vor denen er zeitlebens
neuesten Richtung, die sich eben in der Zeitschrift „Hippo¬
auf der Flucht war die seine Dücher verfolgten und ihn nicht
Frates“ (Hippokrates=Verlag, Stuttgart) zusammengefunden hat
zur Ruhe kommen ließen, als Erster in der Natur wieder wir¬
und Namen wie Honigmann, Much, Buschke aufweist —
kende Kräfte, „Wirksale“, gesehen. Allerdings: statt Leichen
wenn bei allem Fortschritt an Erkenntnissen bisher der Kranke
zu zergliedern, wie der erste moderne Anatom Vesal, hat er den
häufig dem Experiment untergeordnet wurde und das Heilen
lebenden Körper — noch und wieder — einbezogen in den Kos¬
beinahe nur ein Nebenerfolg des Forschens war, so soll jetzt statt
mos, den Einfluß auch der Gestirne bei jeder Krankheit erkennen
der Zelle und des einzelnen Organs die Konstitution, die Gesamt¬
wollen. Jedes Ding ist diesem makrokosmisch denkenden und
persönlichkeit, kurz: der Mensch in den Mittelpunkt und vor jede
sehenden Arzte ein „Gewächs des Alls“, für seine Lehre schlägt
nur-wissenschaftliche Erkenntnis rücken. Und in dem Maße wie
Gundolf die Bezeichnung „Astrobiotik", „Gestirnlebenslehre“, vor
man hier — gundolfisch zu reden — zum Menschtum zurückkehrt und
— zum Unterschied von der eigentlichen Astrologie, mit deren
den Kranken oder die Krankheit keineswegs mehr in eine „Ding¬
„Magie“ er nichts zu tun hat. Das macht ihn vielleicht zeit¬
masse“ (von pathologisch veränderten Zellen) aufzulösen und dem¬
gemäßer als Gundolf selbst weiß: wird doch gerade heute wenig¬
stens die Möglichkeit und erkenntnistheoretische Zulässigkeit solch
entsprechend zu behandeln gesonnen ist, in dem Maße scheint auch
die Sprache wieder fähig, Menschliches auszudrücken, allgemein
kosmischer Einwirkungen von ernsthafter Seite behauptet.
Will man Paracelsus als einen Ersten und einen Vorläufer der
lesbar und hörbar zu werden: jedenfalls sind die Beiträge des
neuen Naturwissenschaft bezeichnen, so darf man nicht übersehen
ersten Heftes dieser (übrigens auch im Drucktechnischen ästhetisch
— und Gundolf übersieht es um so weniger als hier offenbar sein
einwandfrei, ja fast allzu anspruchsvoll ausgestatteten) Zeitschrift,
eigenes Grunderlebnis liegt und er. sozusagen wider besseres
selbst wo sie Spezialprobleme (wie Syphilis oder Unfallneurose)
modernes Wissen, gefühlsmäßig auf seiten des Paracelsus
behandeln, auch dem fachmäßig nicht Vorgebildeten zugänglich
steht —, daß dieser „Kräfte Wirkungen Strahlungen
und verständlich, ja einige von ihnen sind stilistisch geradezu er¬
ahnte, wo die spätere Naturwissenschaft beweisbare er¬
staunlich auf der Höhe (auch und gerade, wenn sie nicht bewußt
kennbare Gesetze sucht" Das wird ganz klar bei seinen
als medizinische Philosophie in aphoristischer Form, also fast
Rezepten, in die er gewissermaßen das ganze Weltgefüge, „Welt¬
literarisch=schöngeistig auftreten) — ohne dabei in jenen gemütlich¬
gewächs“, chiffermäßig bannen will, bei seiner Darstellung von
belehrenden und jedes harmlose Fremdwort umständlichst ver¬
Symptomen, die er allerdings durchaus zu deutlichen Krankheits¬
deutschenden Onkel=Doktor=Ton zu verfallen, der leider auf Allge¬
bildern im hautigen Sinne zusammenfaßt. Nicht der klinische Fall
meinverständlichkeit abzielenden Auslassungen von Fachleuten fast
interessiert natürlich den Literarhistoriker Gundolf bei dieser (nun
regelmäßig eigen ist. Vielleicht darf man in diesem Zusammenhang
seben doch: medizinphilologischen) Betrachtung, sondern die
wieder einmal an den umgekehrten Fall erinnern, wo in ein
Schilderung des Falles. Und gerade um seiner Sprache, seiner] belletristisches Werk ungescheut komplizierte medizinische Termini
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