II, Theaterstücke 9, (Der grüne Kakadu. Drei Einakter, 1), Paracelsus. Versspiel in einem Akt, Seite 53

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die sie bei ihrem Garten nicht fand und die stach dieser bei
ihr gesucht hatte. Die freundschaftlich einander entgegen¬
gestreckten Hände hatten einander nicht gefunden. Und
doch war sie ihm Gefährtin gewesen; sie
hatte ihn von
seiner Wissenschaft nicht ferngehalten. Sie hatte sich
Die Darsteller
seiner Liebe zur Wissenschaft geopfert.
ließen das Stück bei der Lektüre voll zur Geltung kommen
und verstanden es auch mit dem Buch schauspielerisch zu
interpretieren. — Die Komödie von Gustav Wied „Eine
Abrechnung“ versetzt uns in ein Greisenheim. Wir glauben
einen Max Liebermann vor uns zu haben. Ein schönes
naturalistisches Werk, Hellmalerei, literarisch sich an
Dickens anlehnend, ein lebenswarmer Humor. Nur einige
kleine Anachronismen. An 60 Jahre lang sind der
ältere Helms und der jüngere Krakau Freunde. Zu¬
letzt leben sie in einem Zimmer im Greisenheim, in
einem Zimmer, das durch eine gedachte Scheidewand, die
„Neutrale“, in zwei Zimmer geteilt ist. So lange sie
Freunde sind, zieht sich auch durch ihre Freundschaft eine
Neutrale“; etwas liegt in der Luft; je näher sie dem
sensibler und zänkischer sie werden,
Grabe kommen, je
um so mehr wetterleuchtets in der Freundschaft. Endlich,
am 80. Geburtstage Helms schlägt der Blitz ein. Fast
60 Jahre lang hat sich Krakau „in dem Thema nicht
vertiefen“ wollen. Endlich reißt ihm die Geduld. Halb
von Wunsche gedrängt, das Geheimnis nicht mit in sein
GBrab zu nehmen, zum Teil auch ##s Gereiztheit über die
geeisenhaften Schikanen Helms' plaet er mit der Wahr¬
hilt heraus: Knud, des Geheimrats und der Tochter
Helms' Sohn, der Stolz des alten Helms', ist nicht der
Enkel Helms'. Der Herr Geheimrat, die Ehre und das
Renommee Helms' im Greisenheim, ist nicht der Schwieger¬
sohn Helms'. Denn seine Tochter ist nicht seine Tochter,
sondern die seines Freundes Krakau. Helms' Gattin
hatte, durch die Filzigkeit Helms' zur Verzweiflung ge¬
trieben, bei dessen Freunde Krakau Trost gesucht und ge¬
funden; die beiden Liebenden hatten keinen freien Willen
gehabt: Wir sehen die Folgen des Blitzschlags. Der alte
Helms kann die Situation nicht mehr erfassen; er fühlt,
daß etwas Fürchterliches gescheben ist, daß Krakau sein
Freund nicht mehr sein kann; er treibt ihn über die
Neutrale. Aber die Gewohnheit der Freundschaft ist
stärker. Zum Hassen ist Helms zu schwach; und Krakau
hat an seinem Geheimnis gelitten und gebüßt; er ist
seinem Freunde aufrichtig zugetan. Und es weichen
die Schatten der Vergangenheit. Der alte Krakau ist so
taktvoll, seinem Freunde die bittere Pille zu versüßen.
Es kommt zu einem Ausgleich. Krakau lägt alle Ehren,
die seitens des Greisenheims dem Schwiegervater des
Geheimrats zuteil werden, neidlos Helms zukommen.
Wegen längst vergangener Zeiten wollen sich die Alten
nicht aufregen. Die „Tochter“ ist die rechtmäßige Tochter
Helms' und die natürliche Tochter Krakaus. Und in der
Freude, daß ihre Freundschaft, der Inhalt ihres Daseins,
nicht gelitten, werden die beiden Alten die besten Freunde.
Der Blitz hat die Luft gereinigt. Alle Zankäpfel
schaffen die Alten aus ihrem Zimmer, und die Neutrale
Die feinen, naturwarmen Farben¬
wird beseitigt.
töne des Stücks stellen große Ansprüche an die
Darsteller. Wit können mit Freuden konstatieren, daß
die Darsteller der beiden Hauptfiguren auf das natur¬
getreuste gespielt haben. Vom Buche merkte man nichts;
es wäre auch schade gewesen, wenn dieses das meisterhafte
Stimmungsbild gestört hätte. Auch die Tarsteller der
übrigen Insassen des Greisenheims blieben prächtig natur¬
wahr, vom 92=jährigen Senior bis auf den „bloß“
60=jährigen Jüngsten. Einen schönen Kontrast bildete
das Erscheinen der Repräsentanten der „gegenwätigen
Zeit“ der Studenten, deren kunstvoller Chor in die Stätte
des Absterbens den Schall des frischen Lebens brachte.
Es war das schönste Stück des Abends. — Das Lustspiel
von Raoul Auernheimer „In festen Händen“ versetzt uns
in die Welt des Schmutzes der modernen „guten Gesell¬
schaft“ in die Atmosphäre des Ehebruchs, in der die Ehe
„rechtlos“ ist und nur das „außereheliche Verhältnis“
respektiert wird. Die „Provinzpomeranze“ Emma ver¬
steht es, sich ihre Liebe zum Gatten auch im Schmutze zu
bewahren. Sie „wimmelt“ alle „Jäger“, die ihr nach¬
stellen, alle „Ehrenmänner" und „Freunde“ ihres Gatten
mit der Lüge ab, daß sie bereits in „festen Händen“ sei,
d. h. schon einen Geliebten habe. Ehrerbietig zieht sich
der „Freund“ ihres Gatten, Julius, in die Reserve und
verrät dem Gatten Alfred, nachdem er Emma Schweigen
gelobt, daß seine Gattin bereits in festen Händen sei. Es
kommt zu einer Szene, bei der Alfred einsehen muß, daß
er auf dem besten Wege war, durch „vikante“ Lektüre
und die Versuche, die „Provinzialin“ der Großstadtluft zu
akklimatisieren, seine Gattin in den Sumpf herein¬
zuziehen, daß es seine kluge Gattin im Kampfe gegen
den Schmutz gelernt hat, am Tage „nur" Gattin, gegen
Abend aber Geliebte ihres Gatten zu sein, ohne untreu
zu werden. Die Farben sind dick aufgetragen, die Hand¬
lung kurz gefaßt und konsequent durchgeführt. Ein
Schlager, ein scharfer Witz neben dem anderen. Eine
geistvolle Satire, die uns mit dem Anblicke des Schmutzes
nicht verschont, aus Schmutz aufgebaut ist und doch zu
einem glücklichen Ende führt. — Die Darsteller ließen den
prickelnden Dialog keinen Augenblick fallen; es wurde
flott und weltgewandt gespielt. Und auch der Dar¬
stellerin der Emma, einer Brettlnovize, merkte man es
nicht an., daß sie debütierte. — An Beifall ließ keins der
Stücke des Leseabends etwas zu wünschen übrig.