II, Theaterstücke 9, (Der grüne Kakadu. Drei Einakter, 1), Paracelsus. Versspiel in einem Akt, Seite 57

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Die Gefaehr
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Menschen uns nicht erkennen dürfen. Die er zu kennen glaubte,
Schnitzler, Die Gefährtin. Neueinstudiert: Hauptmann,
war eine ganz andere, als ihm feststand. Wo er Tragik ahnte,
Hanneles Himmelfahrt.
war unbewußteste Lebensgewandtheit, wo er aufheben wollte, war
An letzte Dinge, die zwischen Menschen sind, rührt Schnitzler
niemand gefallen.
n dieser „Gefährtin". Und fast blutvoller, wie soll ich sagen, be¬
Die schauspielerischen Leistungen bewegten sich mit Selbstver¬
rechtigter als zuvor oder auch später geschieht es hier. Man weiß,
ständlichkeit auf dem an dieser Bühne üblichen Niveau. Oskar
daß er zu dem allumfassenden Thema: Mann gegen Weib, Weib
Sauer als getäuschter Wissender, als Professor Pilgram, war
gegen Mann, diesem in Vergangenheit und Zukunft ureinzigen durchgängig ausgezeichnet, manchmal blieb sogar der „letzte Rest“.
Thema alles Theaters, des Brauchbaren genug beigebracht hat.nicht mehr zu wünschen übrig. Kurt Stieler brachte die
Man gesteht ihm ferner zu, daß er unter den Leuten, die zu (menschliche) Ueberflüssigkeit des von ihm dargestellten Dr. Alfred
unsern schönen Zeiten im leider gar nicht rein klingenden Orchester
Hausmann zu guter Wirkung und ließ im besonderen keinen
sitzen (es muß das am allerhöchsten Dirigenten oben liegen), doch
Zweifel an dem Format aus dem Dutzend, das der Dichter dieser
wöhl einer, der die erste Geige spielt.
Figur so sehr gut aufzupassen gewußt hat. Mathilde Sussin
So darf man gerade deshalb dreist bemerken,
fand sich mit großem Geschmack mit der Tatsache ab, daß sie mehr
daß er diese seine Geige sozusagen mit der Sordine
herumzustehen als zu sagen hatte.
auf den Saiten handhabt. In einer ihm eigentümlichen
Nach der „Gefährtin“ gab es eine Neueinstudierung
Weise, die natürlich mit dem Besten in seiner Kunst verwandt und
von Hauptmanns „Hannele“. An Ausstattung und
verschwägert ist, die aber leider, eben im Orchester und zur höheren
Spiel fehlte nichts. Irene Triesch, Emanuel Reicher,
Ehre der ganzen Musikübung, bekämpft werden muß. In der
Hans Monnard, Mathilde Sussin waren sehr gut. Bei
„Gefährtin“, so schien es gestern, ist das erreicht. Das sonst (vom Ida Orloff störte einiges „Schauspielerische“. Nur so hier und
Ganzen aus gesehen) auf ein allzu reserviertes „piano“ tempe¬
da. Oder sollte das doch vielleicht daran gelegen haben, daß wir
rierte Klavier seiner Kunst wird hier mit deutlicherer „fforza“
sseit „Hannele“ schon einen Schritt weiter gingen ..? st—.
als sonst gemeistert. Ein Protest klingt da auf, so dröhnend von
innerster Kraft, so vollgepfropft bis zum Rande mit irdischester
Wahrhaftigkeit, daß man fühlt, hier gibt's nichts mehr zu fordern.
Wenn der alte Fontane den „Lärm in Gefühlen“ nicht mochte,
ihm so vorsorglich aus dem Wege ging, daß man zuweilen die Ab¬
sicht merkte, so erscheint Schnitzler gerade in diesem Lärm der
Vorwurf für seine Kunst. Und wenn Fontanes Figuren (auch die
des eigentlichen Nachfahren des unvergleichlichen Märkers, des
Grafen Kayserling z. B., haben das) sich gerade durch das
zeichnen, was sie nicht sagen, so stellen sich die des Wieners in
vollendeten Gegensatz zu ihnen. Sie tun nichts anderes, als von
sich zu sprechen. Sie erzählen von nichts anderem als von sich.
So in der „Gefährtin“. Die Fabel besteht darin, daß ein Mann
zeigt, wie er zu innerst und zu äußerst zu einer Frau gestanden
hat, die plötzlich starb. Alles kommt in dem Dialog, aus dem das
Stück eigentlich besteht, zur Sprache. Wie er sie eigentlich nicht
liebte, wie er völlig klar sah, was er hatte von ihr verlangen
dürfen. Wie er sich selbst und sie zu jeder Stunde beobachtet, be¬
lauert hat, und wie er sich dann trotzdem in fundamentalstem
Irrtum befinden — mußte. Der Stein, an dem das Schifflein
seines Wissens scheitert, liegt da, wo geschrieben steht, daß wir