II, Theaterstücke 9, (Der grüne Kakadu. Drei Einakter, 1), Paracelsus. Versspiel in einem Akt, Seite 58

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„UDSERTER
I. Seterr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschaltte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Basel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christiania,
Oenf, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolls,
New-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petess¬
burg, Toronto.
Gasimanrabe ehne denfhr.
rTag, Berlis

Ausschnitt aus
vom:
12.815

Sen
P. Im Lessing=Theater ging gestern (Sonn¬
abend) Hauptmanns Traumdichtung „Hanne¬
les Himmelfahrt“ neueinstudiert in
Szene und hatte wiederum einen großen Erfolg.
Es war ein Erfolg fast wie bei einer Novität,
denn ebenso atemlos und voll Spannung wie
seinerzeit bei der wirklichen Premiere folgte das
zahlreiche Publikum den Vorgängen auf der
Bühne, und der gedämpfte Beifall, in dem so oft
die Achtung vor dem Werke und seinem Autor
zum Ausdruck kommt, sprach eine beredtere
Sprache als lautes Beifallsgetöse. Mit welcher
Sorgfalt, mit welcher Liebe Hauptmanns Werke
an dieser Bühne gepflegt werden, ist eine zu be¬
kannte Tatsache, als daß sie noch besonders her¬
vorgehoben werden müßte, und so ist eigentlich
nur festzustellen, daß die Traumdichtung in
stimmungsvoller Inszenierung und vollendeter
Darstellung bis in die kleinste Rolle gegeben
wurde. Die verschiedenen Stimmungen flossen
wundervoll ineinander über, und die wirren
Fieberträume der armen Hannele auf dem dürf¬
tigen Lager des düsteren Armenhauses gestalte¬
ten sich trotz ihres sprunghaften Wechsels z
einem einzigen harmonischen dichterischen Gan¬
Ver¬
zen. Hierin lag die Kunst der Regie, das
ständnis für die Intentionen des Dichters. Daß
aber dieses alles so vollendet zum Ausdruck kam,
lag an der glänzenden Besetzung der einzelnen
Rollen. Ida Orloff verkörperte die Titelrolle in
geradezu idealer Weise. Wie sie die Fieberstim¬
mungen des geängstigten Kindes schilderte, wie
sie den Traumerscheinungen gegenüberstand, war
ebenso glänzend in der naturgetreuen Darstellung
wie ergreifend in der Wirkung. Die Rolle des
Lehrers Gottwald und des Fremden hatte in
Heinz Monnard einen ausgezeichneten Ver¬
treter, der das Doppelseitige, das die Figur des
angebeteten Lehrers in der Fieberphantasic des
Kindes erhält, verständnisvoll auseinanderzuhal¬
ten wußte. Die vielen Chargen, von denen Irene
Triesch als Mutter Hanneles, der Mattern
Reichers, Marrs Waldarbeiter sowie die Armen¬
häusler der Damen Albrecht und Wüst und der
Herren Forest und Ziener mit besonderer Aner¬
kennung zu nennen sind, waren, wie bereits be¬
merkt, glänzend besetzt. — Dieser Aufführung
ging noch eine andere Neueinstudierung, Schnitz¬
lers einaktiges Schauspiel „Die Gefährtin“
voraus, das vor etwa 10 Jahren unter der Direk¬
tion Brahm im Deutschen Theater zum ersten
Male gegeben wurde. Das Stück, das die Un¬
treue einer plötzlich gestorbenen Frau behandelt,
zeichnet sich weniger durch eine besonders inter¬
essante und vor allem glaubhaft erfundene Hand¬
lung aus als durch einen glänzend durchgeführ¬
ten Dialog. Aber dieser letztere Umstand war
wohl schwerlich der Grund zu der Neueinstudie¬
rung, man geht wohl in der Vermutung nicht fehl,
daß Oscar Sauer Gelegenheit gegeben werden
sollte, die Rolle des Professors Pilgram zu
spielen. Und das war allerdings Grund genug,
denn was der Künstler hierin leistete, war groß,
war künstlerisch vollendet. Die Anlage des
Charakters, die strikte Durchführung, die Behand¬
lung des Dialogs brachten eine unendlich fesselnde
Figur zustande. Es gab Momente, die von emi¬
nent packender Wirkung waren. Denkt man sich
aber diese Leistung fort, so bleibt nicht viel
übrig, und deshalb gebührt der lebhafte Beifall
auch lediglich Sauers Leistung, in der er durch
Mathilde Sussin und Kurt Stieler gut unterstützt
wurde.
en
#nderlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-Vork,
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe ehne Gewähr).
eisen Courier, Berlin
Ausschnitt aus:
Morgenausgabe
2. 862.10009
vom:
TEATNTERG
7
Vor den Kulissen.
Das Lessing=Theater vermittelte gestern Abend
zwei starke Eindrücke. Stark über das Theater
- so, daß sie noch in der Seele nachhallen,
Finaus
wenn längst wieder das bunte Leben der Umwelt
brausend und schäumend dahinzieht: mit knatternden
Autos, mit läutenden Straßenbahnen, mit gleich¬
giltigem Geschwätz, von dem man im Vorüberschreiten
hier ein Fetzchen und da ein Fetzchen auffängt.
Zwei starke Eindrücke. Den ersten bot Schnitzlers
Das
einaktiges Schauspiel „Die Gefährtin“
kleine, feingefügte Werk, das durch die Freiheit und
Größe der in ihm verfochtenen Moralanschauung
ungewöhnlich anzieht, offenbart so recht des Dichters
Können. In diesem Drama der inneren Vorgänge
zeigt er sein Vermögen der psychischen Analyse. Sein
Professor Pilgram — der mit dem Geliebten der ver¬
storbenen Gattin Abrechnung hält; der ihm die Liebe
verziehen hätte, ihm aber nicht verzeiht, daß die Tote
ihm nichts, als eine kurze Episode gewesen ist — mag
nicht mit dem üblichen Maße zu messen sein. Er er¬
hebt sich über das Durchschnittsmenschentum und
wuchtet empor, und doch erscheint er nicht fremd, nicht
wie ein Ausnahmewesen — Schnitzler schaltet ihn
mühelos in den Kreis unserer Anschauungen ein.
Oder vielmehr: unmerklich macht er aus seiner An¬
schauung die unsere.
Sauer gab den Pilgram, und er war der
Pilgram. Er breitete über die Gestalt des Gelehrten
111
TErt
philosophische Ruhe und Abge####theit, unter der doch
das zuckende Herz immer wieder aufbegehrte:
Resignation im Kampfe mit unerfülltem und nie zu
erfüllendem Wünschen. Stieler spielte die nicht
angenehme und nicht leichte Rolle des Dr. Hausmann
mit bemerkenswertem Takt, und Frl. Sussin hatte
für die Olga Merholm, die Freundin des Hauses
Pilgram, frauliche Güte.
Eine abermalige Neueinstudierung von Haupt¬
imanns „Hanneles Himmelfahrt beschloß
den Abend. Es gibt kaum eine zweite Bühne, die
mit solcher Liebe, mit solchem innigen Erfassen diese
wie aus Mondenschein gewobene, zarte und in all
ihrem Mystizismus so realistische Dichtung uns vor¬
führen könnte. Das Letzte freilich, bas, was uns die
beflügelte Phantasie schenkt, wenn wir „Hannele“ in
der Lektüre auf uns wirken lassen, vermögen die
— hier wird
Mittel der Szene nicht zu gewähren
doch immer ein Wenn und ein aber bleiben. Allein,
das Lessing=Theater erreicht die Grenze des irgend¬
möglichen, und das ist viel, sehr viel.
Es bedeutet ein Großes, wenn man das Funktio¬
nieren des Apparats nicht sieht, ihn nicht als
Apparat empfindet. Auf der Brahm=Bühne
legt er den Worten des Dichters keine
Fesseln an; er begleitet sie, ordnet sich ihnen
unter und dient dazu, sie sinnfällig zu illustrieren.
Und mit seiner Hilfe ersteht in leuchtender Pracht
das ergreifende Martyrium Hanneles.
Ida Orloffs Hannele ist bekannt. Bekannt
mit der schnürenden Angst des gehetzten, gequälten
Kindes, bekannt mit dem brünstigen Begehren nach
Frieden und Erlösung, mit der rührenden Schlichtheit
und mit der wehen Sehnsucht nach weichen, streichelnden
Händen. Herr Monnard vertrat den Lehrer
Gottwald voll wirklicher Gemütswärme, mit einem
Die früher
Ton, der nichts Gekünsteltes hatte.
von Else Lehmann verkörperte Schwester Marthal
hat Frl. Sussin übernommen; ihre mütter¬
liche, sanfte, wohltuende Art ließ sie an der
rechten Stelle erscheinen. Irene Triesch sprach die
Mutter Hanneles mild und schön, Reicher als!
Stiefvater hatte den Höhepunkt seiner charakteristischen
Darstellung in der Szene, da Mattern gegen den ver¬
kannten Heiland trotzt und unter der Anklage des
Mordes zusammenbricht.
Die Damen Wüst, Albrecht, die Herren
Forest und Ziener als Armenhäusler, Marr
als Waldarbeiter Seidel, Froböse, der sich mit
dem Amtsvorsteher wieder in Berlin einführte,
Rickelt als Arzt und Stieler, dessen schwarzer Engel!
auch ohne Worte tief eindringlich spricht, halsen, anf
ihrem Teil zu der Wirkung der Traumdichtung, der
N. W.
die Zuschauer ergriffen folgten.