II, Theaterstücke 9, (Der grüne Kakadu. Drei Einakter, 1), Paracelsus. Versspiel in einem Akt, Seite 59

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Telephon 12.801.
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. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Aussohaltte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-Vork,
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewähr).
Ausschnitt apferliner Börsen Zeitung, Berliu
Morgenausgabe
vom 612 1000-
Kunst und Wissenschaft.
Im Lessing=Theater wurde gestern Haupt¬
manns „Hanneles Himmelfahrt“ in teilweise
neuer Besetzung aufgeführt und wirkte in gewohnter
ergreifender Weise. Das Mitleid mit der Armen, die
sich umbringt, weil sie schlecht behandelt wird, tut seine
Schuldigkeit. Die Bezeichnung „Traumdichtung“ spricht
allerdings dafür, daß das Ganze nur ein Traum ist,
es braucht gar nicht auf unser Mitleid zu wirken.
Ober soll die Vignette „Traumdichtung“ anders zu
deuten sein? Vielleicht daß Hanneles Traum Dich¬
tung ist? Sei dem, wie immer, die Verlegenheits¬
bezeichnung ist nicht nach unserem Geschmack.
Darauf ging ein einaktiges Schauspiel von Arthur
Schnitzler „Die Gefährtin“ betitelt, in Szene. Ein
blutleeres Nichts. Der Professor Pilgram hat es gewußt,
daß seine Frau ihn mit einem Dr. Hausmann betrügt
und schwieg. Nun stirbt die Frau und der Geliebte
der Verewigten macht einen Trauerbesuch. Bei
dieser Gelegenheit erzählt der junge Mann dem
Witwer, daß er sich verlobt habe und daß er seine
Braut schon zwei Jahre kenne. Da braust der Pro¬
fessor auf, denn — der junge Doktor hat seine ver¬
storbene Gattin zu einer Dirne gemacht, da er ja
seit zwei Jahren schon seine jetzige Braut liebe.
Aber
Der junge Doktor wird hinausgewiesen.
da ist eine Frau Olga Merholm, die dem Ver¬
letzten gut zuredet. Er soll gar nicht zusammen¬
brechen, seine verstorbene Gefährtin wußte, daß
das schöne Verhältnis einmal auf diese Weise
zu Ende gehen werde und verläßt ihn zu selbiger
Stund. Der Professor erklärt verreisen zu wollen,
aber es scheint, er will sich umbringen. Wenigstons
kann men sich so etwas denken, wenn der Vorhang
fällt.
Gespielt wurde das Nichts von Sauer, der den
betrogenen Gatten mimte und von Mathilde Sussin,
die alles wußte, recht natürlich. Nur verschluckte
Sauer die Hälfte seiner Sätze. Ein Witzbold hinter
uus sagte: Auch die bessere Hälfte seiner Rolle be¬
grub er.
Die sogenannte psychologische Studie rührte nicht,
sondern langweilte.
G—n.
Teleuns
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L ästerr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschaltte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-Vork.
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Guellienangabe ehne Gewähr).
Ausschnitt aus:
Berliner Morgenpost, Berlen
vom: 1283 1000
Lessing=Theater.
Neu einstudiert: „Hanneles Himmelfahrt“
von Gerhart Hauptmann und „Die Ge¬
fährtin“ von Arthur Schnitzler.
Dieser Abend, der in seinem Gefühl zwei Stücke
vereinigte, die sich im Adel der Empfindungen eng
berühren und finden, gehört zu jenen, deren man
um ihrer reinen Kunst willen eine recht häufige
Wiederholung wünschen muß. Mag mar Brahm
auch noch so oft der Starrheit wegen schelten, mit
denen er an seinen etwas eng begrenzten, künstlerischen
Prinzipien festhält — an solchen Abenden muß man
jeden Widerspruch vergessen und kann immer wieder
nur bewundern, wie schlicht und vornehm bei ihm
gearbeitet wird, und wie unter seiner, Leitung die
eigentlichen Taten der Bühne geschehen. Denn Taten
sind es, und ihr Wert wird um so mehr offenbar,
je tiefer man sich in das Wesen dieses Kunstwollens
zu versenken geneigt ist.
Schnitzlers Einakter, der den Abend er¬
öffnete, ist noch vom Deutschen Theater her bekannt.
Er stammt aus dem Zyklus „Lebende Stunden“ und
gibt in der eindringlichen Art des Wiener Stimmungs¬
künstlers die Gefühle eines alten Arztes, der seiner
jungen Frau die Untreue zu verzeihen geneigt war, so¬
lange er sie von echter Liebe diktiert wähnte, und der
sie noch nach ihrem Töde mit Ekelt von sich
abtut, als er erfährt, daß sie nur von niedrigen
Instinkten getrieben war. Das Stückchen ist kein
Meisterwerk. Tramatische Momente fehlen ihm fast
ganz, es hält sich eigentlich nur in Reflexionen,
aber wie es am Lessingtheater gespielt wird, gewinnt
es an innerem Leben, und wächst so gewaltig empor,
daß die längst verklungene Tragödie in hellen Farben
aufs neue ersteht. Das ist freilich in erster Linie die
Kunst des nie genug zu lobenden Oscar Sauer,
der in Mathilde Sussin und Stieler zwei
nicht zu unterschätzende Partner hatte, aber es ist auch
ein Verdienst der Bühne selbst, die die Stimmung zu
halten und zu heben wußte.
Noch deutlicher aber trat dieses Verdienst im
neuen Stück hervor. In jener poetischsten und
rührendsten Kindertragödie, die das Theater überhaupt
besitzt. Wie das Lessing=Theater „Hanneles
Himmelfahrt“ langsam zur größten Einfachheit
zzurückzuführen wußt, wie es zielbewußt Traum und
Wirklichkeit von einander schied und trotzdem, ttotz
der jetzt stärker betonten Melodramatik die Wirkung
in die blühendste Höhe hob, das ist die große und
ehrliche Tat, die der gestrige Abend brachte.
Freilich, auch hier darf die Darstellung nicht ver¬
gessen werden. Die Orloff ist als Hannele nuns
mal nicht zu übertreffen, Reichers Mattern und
die Armenhäusler sind noch immer wie aus dem
Elendsdasein geschnitten. Dazu kommen nun jetzt
die Triesch als Hanneles Mutter und Diako¬
nissin, mit ihrem warmen, zwingenden Ton, der
und
prachtvolle Monnard als Lehrer Gottwald
Und
„Fremder“, und Froböse als Amtsvorsteher.
mit ihrer vereinten Kunst wurde#es wirklich ein
Abend, den man nicht so leicht vergessen wird. .:
Paul A. Kirsteing