3.
wild
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FELIX POPPENBERG.
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Und doch: nicht nur Hartlebens Gestalten wären leicht überzeugender
ausgefallen, auch der ganze Ton dieses Ritterstückes wäre ihm ad quater
gewesen, wenn er von seinem Cynismus gerade hier ein Quantehen gegeben
hätte. Er hätte dann spielend zu dem letzten Schluss kommen können, zu
dem alle Guten kommen und den er schon im Kommersbuch fand :
Gekränkt an der Ehre, verläumdet, verkannt,
Behandelt mit schneidendem Hohne
Was wirft, von edlem Zorn entbrannt,
Der Mann der Welt an die Krone ?
Es sind vier Worte in stolzestem Ton,
Und ruhig zieht der Edle davon.
BERLINER SUITE.
FELIX POPPENBERG.
Nachts, wenn die Klingeln der Pferdebahnen, das Donnern und Sausen
der Stadtbahn schweigt, wenn das grellscharfe Licht der elektrischen Monde
dem schummerigen Flackergaslicht einer schlafenden Kleinstadt gewichen,
dann ist die Zeit, das alte Berlin sich aufzusuchen. Tags wirds zu hell über¬
flutet und übertönt, der Gegenwartsrhythmus schlägt brausend darüber hinweg.
Aber Nachts schweigt, trotz aller Weltstadtillusion, vom langen Minne¬
pfad der Friedrichstrasse abgesehn, das hastende Treiben. Und die neuste Er¬
rungenschaft, der Nachtomnibus in seiner monströsen schwerhinschwankenden
Archenform, stimmt zu den alten Bildern, die wir suchen, gut.
Als Gefährte wandelt neben uns E. Th. A. Hoffmann, mit hastig
trippelnden Schritten; das bizarre Gesicht zuckt in tausend Fältchen, possir-
lich und unheimlich zugleich. Und er, der im nüchtern nikolaitischen Berlin
das Spukhafte entdeckt, die Geister die unter der Hülle schlummern, führt
uns durch die Nacht.
In die alte Königsstadt geht es über die Kurfürstenbrücke, wo er einst
den armen Geheimen Kanzleisekretär Tusmann zum grossen Friedrich Wilhelm
auf das mächtige Ross gehext. Wie düster liegen die schwarzen Mauern des
Königschlosses an dem trüben Wasser, mit seinen stumm-trägen Kähnen. Nur
wenige Minuten und wir sind im berlinischen Griechenland, auf der Museums¬
insel mit ihren südlichen Arkaden, ihren überragenden Säulentempeln, so ver¬
wunschen hineingestellt in die nordische Nebelwelt, und über dem Wasser
bizarr kontrastvoll schimmert die zopfige Gartenmauer von Schloss Monbijou.
Es ist pikant, wie sich die Städte das Land der Griechen mit der Seele
suchten und ihr eigenes Wesen mit dem Fremden keck und skrupellos amalga¬
mirten. In München eint sich wie zum Fastnachtsscherz Griechentum und
Bierphilisterium. Hier die Propyläenweit mit ihren edlen Säulenbauten in
stiller heller Ruhe. Durchschreitet man das erhabene Thor, so kommen schnell
derbfrische Biergärten mit grünen Tischen unter überhängenden Bäumen, mit
polternden Masskrügen und Radiweibern.
In Berlin aber reckt in die festlich heitere Feierpracht hellenischer
Architektur eine eisengeschiente Riesenhand sich hinein. Wie im zweiten Faust
wild
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FELIX POPPENBERG.
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Und doch: nicht nur Hartlebens Gestalten wären leicht überzeugender
ausgefallen, auch der ganze Ton dieses Ritterstückes wäre ihm ad quater
gewesen, wenn er von seinem Cynismus gerade hier ein Quantehen gegeben
hätte. Er hätte dann spielend zu dem letzten Schluss kommen können, zu
dem alle Guten kommen und den er schon im Kommersbuch fand :
Gekränkt an der Ehre, verläumdet, verkannt,
Behandelt mit schneidendem Hohne
Was wirft, von edlem Zorn entbrannt,
Der Mann der Welt an die Krone ?
Es sind vier Worte in stolzestem Ton,
Und ruhig zieht der Edle davon.
BERLINER SUITE.
FELIX POPPENBERG.
Nachts, wenn die Klingeln der Pferdebahnen, das Donnern und Sausen
der Stadtbahn schweigt, wenn das grellscharfe Licht der elektrischen Monde
dem schummerigen Flackergaslicht einer schlafenden Kleinstadt gewichen,
dann ist die Zeit, das alte Berlin sich aufzusuchen. Tags wirds zu hell über¬
flutet und übertönt, der Gegenwartsrhythmus schlägt brausend darüber hinweg.
Aber Nachts schweigt, trotz aller Weltstadtillusion, vom langen Minne¬
pfad der Friedrichstrasse abgesehn, das hastende Treiben. Und die neuste Er¬
rungenschaft, der Nachtomnibus in seiner monströsen schwerhinschwankenden
Archenform, stimmt zu den alten Bildern, die wir suchen, gut.
Als Gefährte wandelt neben uns E. Th. A. Hoffmann, mit hastig
trippelnden Schritten; das bizarre Gesicht zuckt in tausend Fältchen, possir-
lich und unheimlich zugleich. Und er, der im nüchtern nikolaitischen Berlin
das Spukhafte entdeckt, die Geister die unter der Hülle schlummern, führt
uns durch die Nacht.
In die alte Königsstadt geht es über die Kurfürstenbrücke, wo er einst
den armen Geheimen Kanzleisekretär Tusmann zum grossen Friedrich Wilhelm
auf das mächtige Ross gehext. Wie düster liegen die schwarzen Mauern des
Königschlosses an dem trüben Wasser, mit seinen stumm-trägen Kähnen. Nur
wenige Minuten und wir sind im berlinischen Griechenland, auf der Museums¬
insel mit ihren südlichen Arkaden, ihren überragenden Säulentempeln, so ver¬
wunschen hineingestellt in die nordische Nebelwelt, und über dem Wasser
bizarr kontrastvoll schimmert die zopfige Gartenmauer von Schloss Monbijou.
Es ist pikant, wie sich die Städte das Land der Griechen mit der Seele
suchten und ihr eigenes Wesen mit dem Fremden keck und skrupellos amalga¬
mirten. In München eint sich wie zum Fastnachtsscherz Griechentum und
Bierphilisterium. Hier die Propyläenweit mit ihren edlen Säulenbauten in
stiller heller Ruhe. Durchschreitet man das erhabene Thor, so kommen schnell
derbfrische Biergärten mit grünen Tischen unter überhängenden Bäumen, mit
polternden Masskrügen und Radiweibern.
In Berlin aber reckt in die festlich heitere Feierpracht hellenischer
Architektur eine eisengeschiente Riesenhand sich hinein. Wie im zweiten Faust