II, Theaterstücke 8, Freiwild. Schauspiel in 3 Akten, Seite 14

8.
Freiwil
box 14/2
26. November 1896.
renden Blatt.
Wien, Donnerstag

Seite 14.
gab sie ihm auch Lose und Promessen, welche die Lottokollektantin zum ko
decken sah: Sophocles' „Antigone" und Shakespeare's „Sommernachts¬
weisen Verkaufe übernommen hatte. Diese Effekten machte Guttman
und verspielte dasselbe. Als die Opischka diese Entlehnungen aus der
traum“. Wenn ein Verlustspiel an solcher Stelle frenetisch beklatscht
Dienstgeberin nicht länger verheimlichen konnte, gestand sie dieser ihr
wird unterm Eindrucke solcher Erinnerungen, dann muß es gut sein.
ein. Frau Jaechel erstattete die Anzeige.
Ich für mein Theil habe daran freilich nur die Geschicklichkeit Koppel¬
Opischka und Guttmann hatten sich daher gestern vor dem Schn
Ellfeld's — in der Verarbeitung Halm'scher Wildfeuerideen bewundern
dem Landesgerichtsrath v. Stourzh präsidirte, wegen Verbrechens
stahls, respektive der Diebstahlstheilnehmung zu verantworten. Die
können. Die Renaissancemaskerade der Dichter selbst ist Plunder,
geklagten wiederholten bei der gestrigen Verhandlung das schon in
aber der Regisseur that dafür sein Bestes. — Noch viel süßer ist die
suchung abgegebene reumüthige Geständniß.
„goldene Eva. Ihre Heiratsgeschichte soll auch im sechzehnten Jahr¬
Guttmann verantwortete sich damit, daß er gehofft hatte, au¬
hundert passirt sein und ist auch gereimt, aber sie fand trotz der an¬
Glück im Spiele zu haben.
Die Vertheidiger begehrten die Stellung von Eventualfragen
genehmen Leiblichkeit und der Brillantenpracht des Fräulein Groß
untreuung, respektive auf Mitschuld an diesem Verbrechen.
nicht den Anklang, wie die Schwierigkeiten, die die Marchesa=Witwe
Diesem Antrage wurde Folge gegeben. Die Geschwornen ver
aus dem renaissanceverklärten Albanergebirge ihrer eigenen Wiederver¬
die beiden Hauptfragen und bejahten die Eventualfragen ein
ehelichung machte. Wie richtig es übrigens ist, wenn man im Interesse
Bezüglich der Eventualfrage, die Opischka betreffend, machten zehn Sti
Zusatz: „ohne die Absicht, einen Schaden zuzufügen. Der Vertheid
der Schauspieler die mit Macht einreißende Unsitte des Reimdramas
Angeklagten verlangte die Einleitung des Moniturverfahrens. Dies¬
beklagt, das geht aus den Erfahrungen hervor, die ich selbst bei der
wurde abgelehnt.
Première „Eva's" machen mußte: im letzten Akte zeigten sich die Akteurs
Die Angeklagten wurden von der Anklage des Diebstahls, bezie¬
plötzlich so aufgereimt, daß sie dreißig bis vierzig zweifellos sehr
Diebstahlstheilnehmung, freigesprochen und wegen Veruntreuung, respe¬
schuld daran, die Opischka zu vier Monaten und Guttman
schöne Verse einfach in edler Coulissenprosa hersagten. Es war ein
Monaten schweren Kerkers, Letzterer als ungarischer Staatsbürge
recht trauriger Augenblick, als es weder mit dem Stücke noch mit den
Landesverweisung verurtheilt.
Zeilenenden mehr klappen wollte.
Der Vollständigkeit halber seien noch einige Schwänke, Volks¬
(Zur Affaire Bauer=Strobach.) Wie wir erfahren, wo
Gerichte bisher eine direkte Mittheilung von der Klage zurückzie
stücke, Dramen, Schauspiele rc. genannt, die ich beim besten Willen
Einspännerkutschers Franz Bauer nicht gemacht, weshalb gestern z
nicht alle sehen konnte, weil sie, kaum mit Riesenlettern an den
beiden Referenten des Bezirksgerichts Alsergrund darüber berathen
Anschlagsäulen genannt, auch schon wieder verschwunden waren. Kein
die Verhandlung gegen Bauer, der bekanntlich über Anzeige des Bür
Lied, kein Heldenbuch nennt ihre Namen, der Chronist muß es leider
Strobach wegen unvorsichtigen Fahrens angeklagt wurde, zu versch
etwa gleichzeitig mit der Verhandlung gegen den Bürgermeister on
thun. Also:
sei. Bürgermeister Strobach hat seinerzeit beim Polizeikommissariate
1. „Die Vielgeliebte von Fischer und Jarno. Nach
Bauer sei entweder betrunken oder unvorsichtig gewesen; daß er nich
den Aussagen von Leuten, die zur Sühne irgend welcher Unthat das
war, wurde jedoch damals von Wachorganen festgestellt.
schaurige Gelübde abgelegt zu haben scheinen, an einem Abend zwei
Zur Zurückziehung der Klage Bauer's wird uns berichtet, da
eine längere Konferenz im Rathhause voranging, zu welcher auch Dr
bis drei Premieren zu besuchen, soll diese Posse eine gedrängte Wochen¬
lechner (also nicht der Vertheidiger des Bürgermeisters) als juristis
übersicht der zugkräftigeren Pariser Vaudevilles, soweit sie bereits in
zugezogen wurde. Dieser soll nun den Fall Sepper als unbedenklich
Uebersetzungen vorliegen, bilden.
dagegen dringend angerathen haben, den Fall Bauer aus der Welt
2. „Der dritte Mann“ von Robert Misch. Darin kommt
Dieser Rath wurde auch befolgt und es soll der Obmann einer Gen
der zugleich Gemeinderath ist, auf den Dienstgeber Bauers ersprit
ein phantastisches Radlerinnenkostüm vor, für das Frau Nuscha Butze
gewirkt haben.
ihre Beine zur Verfügung stellen mußte. Frau Nuscha Butze ist eine tüchtige
Künstlerin, und ihr Kostümdichter ist ein unfähiger, alter Flausenmacher.
(Eine Irreführung des Postärars.) Die Köchin Eli=
Folglich muß sie, der Kontrakt verlangt es so, auf seine abgelagerten
reklamirte im Juli v. J. bei der Postdirektion einen Geldbetrag von für
den ihr eine Bekannte mittelst Postanweisung zugeschickt haben so
Scherze eingehen. Sie rächte sich aber und lachte ihn ganz ungenirt
jedoch nicht erhalten haben will. Wie die Postdirektion erhob, hatte
aus, als er die Kühnheit hatte, ungerufen mit ihr vor den Vorhang
die fragliche Postanweisung thatsächlich erhalten und eigenhändig unt
Da Elise Lustig die Echtheit der Unterschrift bestritt und entschieden le
zu treten.
3. Schiedsmann Hempel, von Keller und Herrmann.
Postanweisung erhalten zu haben, wurde gegen sie über Anzeige der P
vom staatsanwaltschaftlichen Funktionär des Bezirksgerichtes Alsergru¬
Herr Herrmann ist ein reizender Mensch, und die Couplets, dieser
klage wegen versuchten Betruges erhoben. In der gestrigen Verhandlu
gelegentlich abfeuert, verdienen ähnlich hohes Lob. Sie zeichnen sich
Einzelrichter Adjunkten Dr. Langer blieb die Angeklagte Elise
vor den Erzeugnissen der Konkurrenz durch satirische Schlagkraft und
daß sie die erwähnte Postanweisung nie empfangen habe. Durch die
anständige Form aus. Ob man indeß um ein gutes Couplet herum
Aussagen des Geldbriefträgers Ignaz Scheiber gewann der Richt
Ueberzeugung von der Schuld der Angeklagten und verurtheilte sie
gleich ein Volksstück dichten muß, diese Frage möchte ich den persön¬
Woche Arrests.
lichen Empfindungen der Leser zur freundlichen Beantwortung überlassen.
4. und 5. wären zwei aus dem Auslande importirte Waaren zu
(Eine leichtfertige Aeußerung.) Vor dem Bezirksgerichte
erwähnen: „Ehefesseln" von Paul Hervieu und „Masken
hatte sich gestern der Ingenieur der Staatsbahnen Herr Josef Jar
Klage des Dr. Viktor Adler wegen Uebertretung der Ehrenbeleidigt
von Robert Bracco. Herviens tragischer Dreiakter kam im Residenz¬
theater zur Aufführung, weil Herr Alexander, der Champion=Komiker
antworten.
Der Angeklagte hat in einer Versammlung, die der czechische Nati
dieser Bühne, en in Wien ein Gastspiel absolvirt, und mit Bracco's
klub am 19. Oktober abhielt, die Aeußerung gethan, Dr. Adler hat
„Masken wollte Direktor Blumenthal zeigen, daß die Italiener auch
lich des Strikes der Werkstättenarbeiter der Staatseisenbahngesellsche
Arbeitern Verrath geübt, indem er das Verhalten der Strikenden je
nicht mehr können, als ein Berliner Normal=Theatraliker. Wenn sich
Werkstättenchef verrieth, so daß sich dieser darnach richten konnte.
die Beherrscher unserer Schauspielhäuser dergleichen lehrhafte Experimente
vertrat Dr. Harpner. Der Angeklagte gab sofort zu, daß er au¬
und kostspielige Beweisführungen leisten können, so soll es uns in
Wort seiner Beschuldigung aufrechterhalten könne, und gab schließlich
ihrem eigenen Interesse freuen. Dies ihr Interesse wäre aber auch das
erklärung ab, in welcher er zugibt, daß seine Behauptung vollkomm¬
Richard Nordhausen
und aus der Luft gegriffen ist und Dr. Adler um Entschuldigung bit
einzig Interessante an der Sache.
zeitig mußte er sich verpflichten, diese Erklärung in fünf Blättern z
lichen, worauf der Richter Dr. Reichel den Freispruch verkünden konn
Aus dem Gerichtssaale.
Wien, 26. November.
— (Ein verurtheilter Arbeiterführer.) Der anläßlich
(Zu den Ehrenbeleidigungsklagen gegen den Gemeinderath
strikes der Arbeiter von Neunkirchen am 21. September d. J. von
Hütter.) Gestern hätte die Verhandlung über die Klagen der Herren Jose
gerichte Neunkirchen wegen Uebertretung des Koalitionsgesetzes und
Albert und Eduard Saborsky gegen den Gemeinderath Hütter wegen
der Amtsehrenbeleidigung und Wachebeleidigung angeklagte und
beleidigender Ausfälle in einer Gemeinderathssitzung beim Bezirksgerichte Aber¬
Strafausmaße von drei Monaten Arrests verurtheilte Arbeiterfüh
grund stattfinden sollen. Dieser Klage hat sich der Fleischhauer Eduard Böhm
Emanuel Berstl stand gestern vor dem Kreisgeriche Wiener=Neustadt
senat als Berufungskläger. — Nach vierstündiger Verhandlung
angeschlossen.
Herr Gemeinderath Hütter hatte mittlerweile die Vertagung beantragt,
Präsident O. L. Göschl das Urtheil, womit Dr. Berst von der
und da nun auch die Amtsehrenbeleidigungsklage des Marktdirektors Kain;
des einen Punktes des Koalitionsgesetzes freigesprochen
einlangte, so hat der Strafrichter Adjunkt Dr. Edler v. Schreyber diesem
Strafausmaß des Bezirksgerichtes Neunkirchen wurde von drei Mo¬
Antrage Folge gegeben. Die Amtsehrenbeleidigungsklage des Marktdirektors
drei Wochen Arrests herabgesetzt.
wird nicht im Referate VI (Richter Adjunkt Dr. Langer) durchgeführt werden,
sondern Adjunkt Dr. Edler v. Schreyber erhielt diese Strafsache von Amts¬
Temesvar, 25. November. (Tel. d. „Fremden=Blatt“.
wegen zugetheilt. Auch dürfte, wie wir erfahren, nicht der staatsanwaltschaft¬
gebliche Schriftsteller Alexander Bogdanovic, der sich früher in
liche Funktionär Dr. Kerticka v. Jaden als öffentlicher Ankläger fungiren,
und Wien aufhielt, wurde wegen einer in Dresden eingebrachten Ar¬
sondern es wird die Staatsanwaltschaft einen Vertreter entsenden.
der Liebe.) Die Lottoschreiberin Marie Opischka war