II, Theaterstücke 8, Freiwild. Schauspiel in 3 Akten, Seite 15

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8. Freiwil
es

eller Hand
Feuilleton.
o
„Freiwild.
Berlin, 4. November.
Von Wiens junger Dichterwelt hört man bei uns gar wenig,
wie wenn eine Rückwirkung der starken literarischen Bewegung, die
hier seit etwa sechs Jahren zu spüren ist, auf Oesterreichs Hauptstadt
überhaupt nicht stattgehabt hätte. Und doch sind von Wien erst gewal¬
tige Vorstöße für das moderne Drama ausgegangen, an dessen Ausbau
unsere Dichter jetzt unermüdlich schaffen: von dort kam uns die
schöpferische Kraft Ludwig Anzengruber's, dessen Bedeutung
für die Neubelebung des realen Bühnenschaffens nicht hoch genug
geschätzt werden kann, und in Wien hatte sich auch ein Norddeutscher
heimisch gemacht, der das bürgerliche Drama für unsere Zeit vor
bereiten half, Friedrich Hebbel. Dann erst brach sich von Norden
her Henrik Ibsen, um neue starke Impulse zur Wiedergeburt der dra¬
matischen Dichtung zu geben. Bei uns ist für diese Saat ein frucht¬
barer Boden gewesen; in Wien wollte sich ein Neues nicht gestalten.
Man vernahm von „müden Seelen", die dort in schwächlicher, gesucht¬
weicher Lyrik sich ergossen, man hörte dann von allerlei mystisch¬
symbolistischer Poesie, bei der Wortklang Alles, Ideeninhalt, Gefühls¬
inhalt wenig bedeute; das Drama aber nahm keinen Aufschwung und
wollte sich in die Bahnen, die von Raimund zu Anzengruber führen,
nicht einlenken lassen. Ueber eine gefällige Nichtigkeit gelangten die
Bühnenschriftsteller auf Wiener Boden nicht hinaus. Endlich, im ver¬
gangenen Winter, trat in Arthur Schnitzler eine Erscheinung
auf, die gegenwärtiges Leben in künstlerischer Form der Bühne zu¬
führen wollte. Das Schauspiel „Liebelei", hier am Deutschen
Theater in meisterhafter Darstellung erfolgreich aufgeführt, brachte uns
die frohe Botschaft, daß auch in der einstigen Theaterstadt var op¬
der Drang nach einer unserem modernen Empfinden entsprechenden
Bühnendichtung empfunden und gepflegt wurde. Der junge Wiener
Arzt, dessen frühere Arbeiten einem kleineren Kreise nicht unbekannt
geblieben waren, galt mit Eins als der führende Geist der jungen
Wiener Dichterschule und an den Namen Arthur Schnitzler knüpften
sich fortan Hoffnungen.
Wie sehr diese Hoffnungen berechtigt waren, haben wir gestern
Abends im Deutschen Theater erfahren bei der Première von
Schnitzler's neuestem dreiaktigen Schauspiel „Freiwild". Das
Werk ist mit sehr großem Erfolge aufgeführt, sein Dichter konnte
wieder und wieder vor dem Vorhange erscheinen, um für den sehr
starken Beifall des Publikums zu danken; der äußere Erfolg war
vielleicht noch größer, als der von der „Liebelei", die innere Wirkung
stand der jenes Schauspiels zum Mindesten nicht nach. Nach den
ersten Eindrücken zu urtheilen, ist freilich die „Liebelei" poetisch reiner
und seiner als das „Freiwild"; indessen möchte ich damit dem älteren
Werke den literarischen Vorzug nicht unbedingt geben: dieses ist uns
aus der Buchausgabe) wohlvertraut geworden, seine zarte, duftige
Schönheit, seine Wehmuth und Tragik haben wir durch wiederholtes
Nachempfinden voll zu würdigen gelernt; bei „Freiwild" stehen wir
noch unter dem Banne des Neuen und — des Stoffes; denn un¬
zweifelhaft verdankt das Schauspiel die außerordentliche momentane
Wirkung, die es gestern geübt hat, nicht zuletzt seinem Stoffe und dem
*) S. Fischer's Verlag, Berlin.
W
Umstande, daß dieser eben in unserer unmittelbarsten Gegenwart im
Augenblicke alle Welt beschäftigt: in „Freiwild behandelt der Haupt¬
konflikt die Duellfrage.
Wenn der Vorhang hochgeht, sind wir in einen Badeort in
der Nähe Wiens — man denkt etwa an Baden — versetzt; die Sze¬
ein Theil des Kurgartens, der durch ein Kaffeehaus und das
Theater besonders belebt ist. Mit vollendeter Meisterschaft stellt
Schnitzler aus auf diesem Boden die Gestalten seines Schauspiels vor¬
Offiziere, die sich — nicht ohne Erfolg — um die Gunst der Schau¬
spielerinnen bewerben und nach Schluß der Vorstellungen mit ihnen
beim Souper auf ihre Art die Kunst unterstützen; den Arzt des
Ortes; weiter einen jungen Künstler, der das Glück hat, pekuniär
ganz unabhängig zu sein; weiter einen Pflastertreter mit dem
schönen Namen Poldi, in tadellosem Modeanzug und mit weiten
Bewegungen; endlich die Mitglieder des Sommertheaters mit¬
sammt ihrem Direktor und dem Theaterkassier. Diese drei Kreise
berühren einander bald, bald trennen sie sich von einander,
bald schließen sie sich; es herrscht ein Kommen und
Gehen auf dem Platze vor dem Theater, Gespräche schwirren hin und
her, Bekanntschaften werden erneuert oder neu angeknüpft. In all
dieser scheinbar so lockeren Technik und Ziellosigkeit aber überrascht
uns im Geheimen eine meisterliche Straffheit der Komposition und
Exposition. Ehe wir's noch recht gewahr werden, wie es kam, ist
der Hauptzweck der einleitenden Szenen erreicht: wir kennen
diese Menschen, wir kennen das Milieu, in dem sie leben. Das
Wissenswerthe über ihr Vorleben, über ihre Neigungen, über ihre
Vorzüge und Fehler, über ihre Absichten und Wünsche haben wir
spielend erfahren: in aller Zwanglosigkeit haben diese Offiziere und
„Zivilisten" und Bühnenmitglieder sich selbst und ihre Nebenmenschen
charakterisirt. Und dann lösen sich aus den drei Gruppen drei Haupt¬
gestalten aus: nach dem Durcheinander der Figuren kommt das
Finale, in dem sie mit einander wirken. Auf den Oberlieutenant
Karinski, auf Paul Rönning und Anna Riedel, die Liebhaberin der
Bühne, ist unser Interesse allgemach am schärfsten hingelenkt worden:
um ihr Schicksal wird sich das Schauspiel drehen. In kurzen Schlägen
wird der Konflikt nun entwickelt: der Oberlieutenant Karinski, der
in Spiel, Schuldenmachen und Verführungskünsten Meister ist, nach
außen aber auf absolut Standesgemäßheit" hält, wettet, daß er
die unnahbare Tugend der Schauspielerin Anna Riedel überwinden
werde; er verliert; und als er seine Niederlage berichten muß,
gewahrt er, wie Paul, dessen Herz Anna gehört, leise vor sich hin¬
lächelt. In seiner beleidigten Eitelkeit und im Hasse gegen den ver¬
meintlichen Nebenbuhler provozirt er eine Szene und sucht Paul
aufs äußerste zu reizen; indessen wahrt dieser seine Ruhe. Da
beschimpft der Offizier das Mädchen, ein „Mensch vom Theater", und
die Antwort bleibt nicht aus: Paul springt auf und ohrfeigt den
Verleumder.
Das der erste Akt: ein Meisterstück. Alles lebt, Alles ist an¬
schaulich, der Aufbau musterhaft, die Knappheit in der entscheidenden
Schlußszene unübertrefflich eindringlich und dramatisch; dabei wirkt
Alles, so allgemein es im Grunde gehalten ist, spezifisch österreichisch
— hier im Deutschen Theater besonders, da die Aufführung auf das
wundervollste abgestimmt war. Man wird an Anzengruber erinnert:
was er für das Volk that, hat Schnitzler für die „gebildeten Kreise
gethan; eine Reihe von Menschen unserer Zeit in ihren Lebens¬
anschauungen und Gewohnheiten glaubhaft vor uns hinzustellen und
aus diesen Anschauungen und Gewohnheiten einen im besten Sinne
dann
Könste ist das Duell
Offizier gewordenen
den Anschauungen de
erheischt; der Oberlie¬
Paul, da er es als se
Sache zum Ende bring
dem Offizier zu schlage
Er hat einen „Lumpen
Recht, ihn, der nur th
der Pistole zu fordern
und Widersinn ist der
heit hält ihn zurück,
zeugung kann ihn nich
Freunde, daß er sich in
die Vorstellungen eines
geohrfeigten Karinski
Duell seine Ehre real
den und vom Freunde
zu widerlegen weiß:
Ehre befleckt ist, sonde
keinen Grund ein, sich
sein Leben rauben zu
habilitirung erwirken
betragen!
Weniger das pe¬
in Frage, als ein Zeit
Paul Rönning und
Dilemma: wo liegt
Schnitzler weiß das
stimmungsvolle See¬
eine zarte, war em¬
einander finden — abe
desto mehr in das Fahr
Paul, der Duellgegner,
jetzt selbst ein „Freiwil
verzeiht ihm sein Ver¬
habe de principio 9
Praxis in einem solcher
er der Welt gegenüber
Allen von Karinski
seines Offiziersthums
seines Gegners sich reh-
Schlusse Alles zu der
Keine Lösung ist
so ist der Austrag der
wohl überhaupt unmög¬
Jenen zu finden wisse
nicht das Gegentheil.
unzweifelhaft zum Ren¬
wer der Schnellere
scheint mir ein Ende
Wohl aber a
im zweiten Akte auf
Freiwild ist un¬
liegen muß er
Stärkeren!