II, Theaterstücke 8, Freiwild. Schauspiel in 3 Akten, Seite 45

zelt in dem Boden, den die Lebensarbeit Richard
Wagners uns neu gewonnen hat. Freilich soll nun
Keiner glauben oder gar fordern, daß dem jungen Erd¬
reich des musikalischen Neulands lauter Lilien und Rosen
entsprießen. Auch in dem wohlgepflegten Garten der
Klassik blüht neben der Rose die Kamille und selbst an
Unkraut fehlt es nicht zwischen seinen Buchshecken. So
kann es denn auch keinen Einsichtigen wundern, wenn
auf dem Boden so junger künstlerischer Kultur auch un¬
scheinbare und wilde Pflänzlein treiben, und nur wer
alle Fühlung mit der Zeit, dem gemeinsamen Urgrund
unserer künstlerischen Bethätigungen, verloren hat, mag
darüber staunen, daß man auch den kleinsten oder ab¬
sonderlichsten Hervorbringungen der Zeitseele mit Theil¬
nahme begegnet. Zweifellos aber ist es einer auf den
Namen Wagners getauften kunstfreundlichen Vereinigung
würdiger, wagemuthig und liebevoll des Werdenden sich
anzunehmen, als ausschließlich in genußsüchtiger Ver¬
ehrung des Ererbten zu verharren.
Diese allgemeine Vorbemerkung ist nicht zum Schutze
eines Einzelnen niedergeschrieben und gar Richard
Strauß und Hugo Wolf, die beiden kräftigsten
Künstlerpersönlichkeiten der neuen Bewegung bedürfen
fremder Beschirmung am allerwenigsten aber gerade die
Aufführung einiger neuer Werke dieser jungen Ton¬
dichter im Konzert der Wagnervereine am
2. d. und die in der Oeffentlichkeit daran geknüpften
Urtheile und Betrachtungen mußten zum Anlaß
werden, einmal unsere grundsätzliche Stellung dar¬
zulegen. Die beiden Orchesterstücke aus Hugo Wolfs
komischer Oper „Der Korregidor fanden wenig Beifall,
zwei Gesänge von Richard Strauß für eine hohe
Stimme mit Begleitung des Orchesters wurden zwar
freundlich aufgenommen, aber stofflich und ästhetisch
sehr scharf betrittelt. Ich selbst, dem die lange und
reiche Entwicklung dieser beiden Tondichter genau be¬
kannt ist, will es bestätigen, daß diese Stücke keines¬
wegs Höhepunkte ihres Kunstschaffens bezeichnen. Das
scheint mir aber nicht hinreichend, um die Vorführung
dieser Stücke dem Konzertgeber zur Last zu legen, und
noch weniger kann ich es gerecht und richtig finden,
das kühle Verhalten der Hörerschaft zur Bestätigung
und Bekräftigung des eigenen abfälligen Urtheils zu
verwerthen. Daß die aus ihrem natürlichen Zusammen¬
hang mit einer dramatischen Handlung losgelösten
Stücke von Hugo Wols mit der Verständlichkeit auch
etwas an Wirkungskraft einbüßen mußten, war zu er¬
warten. Ebenso war vorauszusehen, daß die von Strauß
vertonten Dichtungen „Gesung der Apollopriesterin“ von
Em. von Bodmann und „Verführung von John Henry
Mackay nicht nach Jedermanns Geschmack sein würden
und daß zumal das erste in seiner unklaren
und unanschaulichen Symbolik dem richtigen
Verständniß Schwierigkeiten bereiten müsse. Stellt
man sich aber einmal auf den Standpunkt des Kompo¬
nisten, so wird man Strauß zugestehen müssen, daß er
für die von ihm gewählten dichterischen Vorwürfe den
richtigen Ton und die natürliche Form zu finden wußte.
Diese Art moderner Lyrik mit ihrem sprunghaften,
deutungsvollen Wesen und ihrer „Interlinearpoesie
verlangt gebieterisch nach einer ander Art musikalischer
Behandlung, als die einheitlichere, schlichtere Dichtung
unserer großen Meister, und wenn Strauß in der¬
führung“ die Hauptrolle des Seelenoffenbarers
dem wunderbar ausdrucksfähigen Orchester zu¬
gewiesen hat, so entspricht das genau der
Sonderart des Mackayschen Gedichts, das seine
beste Wirkung aus der Situation schöpft, seine feinsten
Reize zwischen den Zeilen birgt. Was Strauß als
ganz freier, selbständiger Tongestalter vermag, das hat
er am selben Abend wieder mit seiner sinfonischen
Dichtung „Till Eulenspiegels lustige Streiche", dem
lebensprühendsten Charakterbild der Musikliteratur ge¬
zeigt, das auch dieses Mal den hellen Jubel der Hörer
weckte. Tiefer und mächtiger noch berührte er die
Hörerschaft mit der aus dem Innersten geschöpften, von
größter Leidenschaft erfüllten, meisterlichen Wiedergabe
der Wagnerschen Faust-Ouverture und des Tristan¬
vorspiels, an das sich Rosa Suchers herrlicher
Vortrag des „Liebestodes" würdig anschloß.
Heinrich Welti.
* Aus Dresden, 3. November, berichtet man uns:
Gestern ging die einaktige Oper „Runenzauber
von Emil Hartmann erstmalig bei sehr mäßig be¬
suchtem Hause über unsere Hofbühne und errang einen
Achtungserfolg. Der Text, von J. Lehmann, ist auf
de
Musik
trotz ihrer Kürze an bedenklichen Längen,
weist einzelne große Schönheiten, sowie einem Reichthum
von düstern wie lieblichen Melodien auf, und wirkt so¬
wohl durch das starke Lokalkolorit wie durch die ein¬
gewebten nordischen Volksweisen neu, eigenthümlich und
meressant, ohne indessen frei von Anklangen zu sein, in
denen der aufmerksame Hörer alte Bekannte aus
der Wagnerschen Schule begrüßt. Die Aufführung
war mustergiltig. Die Hauptrollen Nanhild und
Regista lagen in den Händen der Damen Wittich und
Bossenberger. Fräulein Grimaldi, unsere hervorragende
erste Solotänzerin, hatte in letzter Stunde für die plötz¬
lich erkrankte Darstellern die stumme Rolle des Geistes
übernommen und gestaltete sie zu einer Leistung von
unheimlicher Schönheit. Die Darsteller sowie der
Komponist wurden am Schlusse mehrere Mal gerufen.
A. S.
Aus München schreibt unser Berichterstatter:
Die Direktion Meßthaler, die ein so jähes Ende am
Deutschen Theater gefunden, hat sich mit ihrer letzten
Erstaufführung, dem Schwank „Der Logierbesuch
von Hans Müller und Max Löwenfeld, kein gutes
Abgangszeugniß geschrieben. Es ist unfaßlich, wie ein
verständiger, künstlerisch nicht vollständig ehrgeizloser
Bühnenleiter seinem Spielplan ein so geringwerthiges
Stück einverleiben konnte. Noch unfaßlicher ist es, daß
er sich so wenig Mühe gab, die Fehler der Stückwahl
durch eine glänzende Besetzung einigermaßen weitzu¬
machen. Ein schlechtes Stück schlecht spielen zu lassen,
ist für / von so langer Hand vorbereitetes Unter¬
nehmen wie das Deutsche Theater einfach unverzeitlich.
Juristisch mag die plötzliche Enthebung Meßthalers von
seinem Posten anzufechten sein, künstlerisch ist kaum etwas
dagegen zu sagen. Meßthaler hatte ein volles Jahr
Zeit seinen Spielplan auszuarbeiten und zu sichten und
seine Spieler einzuüben und zu prüfen. Hier liegt eine
künstlerische Fahrlässigkeit vor, er die es keine Milderungs¬
gründe geht.

Ackerei.
* De Inspektor des Kirchhofes Pore¬
Lachaise, so erzählt ein Berichterstatter des „Temps" am
Allerseelentage, empfing mich in seinem Kabinet, wo Papiere
aller Art in Haufen umherlagen. Es ist dies ein munterer
alter Herr, der das Ehrenzeichen trägt. Er zählt dreißig
Jahre treuer Dienste. Er ist Philosoph. Uebrigens bietet
ihm sein Aufenthalt Stoff genug zur Unterhaltung. Wenn er
viel Todte auf dem Père-Lachaise eintreffen sieht, so kommen
noch mehr Lebendige, und diese liefern ihm lustige Ge¬
schichten. Ja, mein Herr, begann er, behaglich auf seinem
Sessel sich zurechtrückend, man erlebt spaßhafte Dinge hier
oben. Auf die Journalisten war er nicht gut zu sprechen.
O diese Zeitungsschreiben! Sie wissen nicht, was sie Alles
erfinden sollen, um das Publikum zu unterhalten. Sie
haben eine Masse von Legenden geschaffen, welche
alle Jahre regelmäßig zu Allerheiligen wiederkehren,
ein wahrer Rattenkönig thörichter Einfälle! So z. B. die
Geschichte mit der russischen Prinzessin. Es ist
jetzt einige Jahre her, daß sie auf der dritten Seite eines
Boulevardblattes zur Welt kam. Mit geheimnißvollen An¬
deutungen war da im Kanderwälsch der Feuilletonromane
erzählt, daß eine ungeheuer reiche vornehme Dame aus
Moskau auf dem Père-Lachaise begraben worden sei. Man
beschrieb ihr Grabdenkmal, eine Säule, überragt von
einer buntfarbigen Kuppel, und ihre Kapelle, deren
Boden mit kostbaren Marmorplatten ausgelegt sei,
und ihren Sarg aus Bergkristall. Dazu die Bemerkung, die
Prinzessin habe ihr Testament bei einem Pariser Notar
niedergelegt und vermache die Gesammtsumme ihres Ver¬
mögens (ungefähr zwei Millionen Rabel) der braven Person,
welche sich bereit zeigen würde, während dreihundertfünfund¬
sechszig Tagen und dreihundertsechsundsechzig Nächten sich
mit ihrer Leiche in die Einsamkeit der Gruft einzuschließen und
unter keinem Vortrand irgend welcher Art sich zu entfernen.
Die Prinzessin wollte ohne jede Unterbrechung bewacht
sein. Sie hatte nichts dawider, daß man angesichts ihres
Leichnams nach Herzenslust aß und trank oder sich mit
Lektüre erheiterte. Aber keine Sekunde durfte man sie allein
lassen. Diese Erzählung aus dem Märchenschatz der
Scheherezade fand ihren Weg in die Oeffentlichkeit so ziemlich
überall, zunächst in Frankreich, dann in ganz Europa
und Amerika. Sollte mans glauben? Tausende
von Briefen hat der Inspektor erhalten mit
der Bitte um weitere Mittheilung über die fein¬
hafte Prinzessin und um genaue Angabe der Bedingungen,
welche zu erfüllen seien, um sie zu beerben. Und man schreibt
noch heute an ihn. Erst heute früh sind ihm mit der Post
zwei außerordentlich naive Schreiben zugegangen. Das eine
kommt von London, das andere aus einer französischen
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