8. Freiwild
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BE, DES THEATER M WINTER 189697.
Gele sich zusammensetzt, ist doch die nicht
nicht einmal die Direktoren. Das Theater ist
zu unterscharende Gefahr vorhanden, dass
eine zweifelhafte Gesellschaft geworden.
der ruhige und solide Entwickelungsgang der
Die Erfolge aber, und es sind ungefähr
Volkswirtschaft durch Sprünge, zu denen
45 Stücke, die das Repertoire beherrschen,
schliesslich der Atem fehlt, unterbrochen
sind das hoffnungsloseste an diesen Zustän¬
werde. Der grosse Vorzug, welchen die
den. Wildenbruchs Heinrichsdrama, Haupt¬
Banknote gegenüber dem Papiergeld hat, be¬
manns „Versunkene Glocke, Sudermanns
steht namentlich darin, dass die Ausgabe von
„Morituri", Sardous Marcelle“ und Schön¬
Banknoten bis zu einem gewissen Grade
thans „Renaissance“. Dies eine Harmlosig¬
selbständig von dem Bedürfnisse des Ver¬
keit, als waren nie die Schatten des Natura¬
kehrs geregelt wird.
lismus und der sozialen Not über die mo¬
lerdings geht die Behauptung der Bi¬
derne Bühne gegangen.
metallisten dahin, dass die Menge des im
Alle drei Jahre spielt sich im Herbst seit
Verkehr befindlichen Geldes für die Gegen¬
einiger Zeit eine Komödie in unserem Theater¬
wart bereits, von der Zukunft ganz zu schwei¬
leben ab, deren Veranlassung der „Schiller¬
gen, hinter dem Bedürfnis zurückbleibe, da
preis ist. Unser Kaiser hat bekanntlich vor
die Goldproduktion nicht imstande sei, die
dem Rat und Vorschlägen seiner Kommissio¬
Münzbecken der Kulturstaaten zu speisen.
nen nicht gerade den grössten Respekt. Er
Die hervorragendste Autorität für diese
ist gewöhnlich anderer Ansicht. Darüber
Ansicht ist der Wiener Geologe Eduard
fühlen sich hinterher die Herren beleidigt,
Suess. Indess finden die düsteren Prophe¬
statt sich vorher zu überlegen, ob es der
zeiungen der Bimetallisten in den gegenwär¬
Würde eines freien Mannes entspricht, ein
tigen Verhältnissen der Goldproduktion keine
Amt anzunehmen, in dem man nichts zu sa¬
Unterstützung.
gen hat und Ratschläge zu erteilen, von
denen mit einiger Zuversicht angenommen
werden kann, dass sie doch nicht beachtet
werden. Im Übrigen ist die Verteilung der
Schillerpreise für unsere dramatische Kunst
Das Theater im Winter 189697.
so ziemlich der gleichgültigste Vorgang, der
Von Leo BERG.
sich denken lässt. Es ist eine rein private
Die Theaterkrisen, die jeweilig ausbrechen,
Angelegenheit des Kaisers, wenn er mit dem
sind immer der sichtbar gewordene Wider¬
Preise beglücken will; im besten Falle kann
spruch des Kunstproblems Drama. Des
er nach den Grundsätzen dieser Stiftung
krankt an dem Widerspruch, dass es zugleich
einen vorhandenen Erfolg bestätigen. Junge
eine ganz individuelle und eine soziale Kunst
Dichter zu ermutigen, ihnen die Mittel zum
sein will, dass während es die reiste, in sich
freien Schaffen zu gewähren oder Aufführun¬
am feinsten ausgebildete Kunst ist, es doch auf
gen zu ermöglichen, die ohne eine kräftige
den Augenblick, auf die Masse sich ange¬
materielle Unterstützung nicht möglich wären,
wiesen sicht. Das Drama, das auf eine innere
hat gar nicht in den Intentionen des Stifters
logische Entwicklung hinzielt, soll am un¬
gelegen. Würdelos aber ist jedesmal das Ge¬
mittelbarsten auf die Sinne des Publikums
bahren der Presse und gewisser Dichter.
wirken. Das Problem ist, die innerlichsten
Dass der Kaiser einen Dichter nicht krönen
Kunstmittel in Klownspässe umzusetzen. Wäh¬
wird, der einen ihm persönlich unausstel¬
rend sich das Drama in die höchsten Kunst¬
lichen Stil bisher kultiviert hat und Tendenzen
formen hinauszuarbeiten strebt, strebt das
vertritt, die doch schnurstracks nicht den
Theater zum Zirkus und zum Tingeltangel.
seinigen nur, sondern denen jedes Fürsten
Es besteht zwischen Drama und Theater ein
zuwiderlaufen müssen, das hätte den Herr¬
unheimlicher Gegensatz nicht ers von heute.
schaften doch eigentlich selbstverständlich sein
Das Buchdrama hat sich nicht zufällig ent¬
sollen; ebenso, dass kein Mensch, also auch
wickelt, und das Theater nicht erst seit gestern
ein Kaiser, nicht so leicht einen Preis auf
seinen verächtlichen Klang bekommen. Man
ein Stück setzen wird, das ihn selbst zur
kann ganz allgemein das Gesetz aufstellen:
Zielscheibe hat, oder dessen Erfolg doch
Der Dramatiker ist auf die Bühne angewie¬
darin bestand, dass das Publikum es geglaubt
sen, aber indem er um sie buit, prostituiert
hat, wie im Falle des „Talisman". O über das
er seine Kunst. Die Geschichte des Dra¬
Anstandsgefühl unserer Dichter! Sie möchten
matikers ist selten etwas anderes als der
Revolutionäre sein und zugleich Akademiker
Prozess der Selbstauflösung des Künstlers.
und Hofdichter. Auf den ersten Wink von
In diesem Winter ist die Krise akut ge¬
ben streichen sie alle die Segel.
worden. Eine trostlose Verwirrung herrscht,
Der Preis fiel vor drei Jahren niemandem,
und niemand weiss mehr, was er will, sogar auch diesmal weder Hauptmann noch
Ka¬
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BE, DES THEATER M WINTER 189697.
Gele sich zusammensetzt, ist doch die nicht
nicht einmal die Direktoren. Das Theater ist
zu unterscharende Gefahr vorhanden, dass
eine zweifelhafte Gesellschaft geworden.
der ruhige und solide Entwickelungsgang der
Die Erfolge aber, und es sind ungefähr
Volkswirtschaft durch Sprünge, zu denen
45 Stücke, die das Repertoire beherrschen,
schliesslich der Atem fehlt, unterbrochen
sind das hoffnungsloseste an diesen Zustän¬
werde. Der grosse Vorzug, welchen die
den. Wildenbruchs Heinrichsdrama, Haupt¬
Banknote gegenüber dem Papiergeld hat, be¬
manns „Versunkene Glocke, Sudermanns
steht namentlich darin, dass die Ausgabe von
„Morituri", Sardous Marcelle“ und Schön¬
Banknoten bis zu einem gewissen Grade
thans „Renaissance“. Dies eine Harmlosig¬
selbständig von dem Bedürfnisse des Ver¬
keit, als waren nie die Schatten des Natura¬
kehrs geregelt wird.
lismus und der sozialen Not über die mo¬
lerdings geht die Behauptung der Bi¬
derne Bühne gegangen.
metallisten dahin, dass die Menge des im
Alle drei Jahre spielt sich im Herbst seit
Verkehr befindlichen Geldes für die Gegen¬
einiger Zeit eine Komödie in unserem Theater¬
wart bereits, von der Zukunft ganz zu schwei¬
leben ab, deren Veranlassung der „Schiller¬
gen, hinter dem Bedürfnis zurückbleibe, da
preis ist. Unser Kaiser hat bekanntlich vor
die Goldproduktion nicht imstande sei, die
dem Rat und Vorschlägen seiner Kommissio¬
Münzbecken der Kulturstaaten zu speisen.
nen nicht gerade den grössten Respekt. Er
Die hervorragendste Autorität für diese
ist gewöhnlich anderer Ansicht. Darüber
Ansicht ist der Wiener Geologe Eduard
fühlen sich hinterher die Herren beleidigt,
Suess. Indess finden die düsteren Prophe¬
statt sich vorher zu überlegen, ob es der
zeiungen der Bimetallisten in den gegenwär¬
Würde eines freien Mannes entspricht, ein
tigen Verhältnissen der Goldproduktion keine
Amt anzunehmen, in dem man nichts zu sa¬
Unterstützung.
gen hat und Ratschläge zu erteilen, von
denen mit einiger Zuversicht angenommen
werden kann, dass sie doch nicht beachtet
werden. Im Übrigen ist die Verteilung der
Schillerpreise für unsere dramatische Kunst
Das Theater im Winter 189697.
so ziemlich der gleichgültigste Vorgang, der
Von Leo BERG.
sich denken lässt. Es ist eine rein private
Die Theaterkrisen, die jeweilig ausbrechen,
Angelegenheit des Kaisers, wenn er mit dem
sind immer der sichtbar gewordene Wider¬
Preise beglücken will; im besten Falle kann
spruch des Kunstproblems Drama. Des
er nach den Grundsätzen dieser Stiftung
krankt an dem Widerspruch, dass es zugleich
einen vorhandenen Erfolg bestätigen. Junge
eine ganz individuelle und eine soziale Kunst
Dichter zu ermutigen, ihnen die Mittel zum
sein will, dass während es die reiste, in sich
freien Schaffen zu gewähren oder Aufführun¬
am feinsten ausgebildete Kunst ist, es doch auf
gen zu ermöglichen, die ohne eine kräftige
den Augenblick, auf die Masse sich ange¬
materielle Unterstützung nicht möglich wären,
wiesen sicht. Das Drama, das auf eine innere
hat gar nicht in den Intentionen des Stifters
logische Entwicklung hinzielt, soll am un¬
gelegen. Würdelos aber ist jedesmal das Ge¬
mittelbarsten auf die Sinne des Publikums
bahren der Presse und gewisser Dichter.
wirken. Das Problem ist, die innerlichsten
Dass der Kaiser einen Dichter nicht krönen
Kunstmittel in Klownspässe umzusetzen. Wäh¬
wird, der einen ihm persönlich unausstel¬
rend sich das Drama in die höchsten Kunst¬
lichen Stil bisher kultiviert hat und Tendenzen
formen hinauszuarbeiten strebt, strebt das
vertritt, die doch schnurstracks nicht den
Theater zum Zirkus und zum Tingeltangel.
seinigen nur, sondern denen jedes Fürsten
Es besteht zwischen Drama und Theater ein
zuwiderlaufen müssen, das hätte den Herr¬
unheimlicher Gegensatz nicht ers von heute.
schaften doch eigentlich selbstverständlich sein
Das Buchdrama hat sich nicht zufällig ent¬
sollen; ebenso, dass kein Mensch, also auch
wickelt, und das Theater nicht erst seit gestern
ein Kaiser, nicht so leicht einen Preis auf
seinen verächtlichen Klang bekommen. Man
ein Stück setzen wird, das ihn selbst zur
kann ganz allgemein das Gesetz aufstellen:
Zielscheibe hat, oder dessen Erfolg doch
Der Dramatiker ist auf die Bühne angewie¬
darin bestand, dass das Publikum es geglaubt
sen, aber indem er um sie buit, prostituiert
hat, wie im Falle des „Talisman". O über das
er seine Kunst. Die Geschichte des Dra¬
Anstandsgefühl unserer Dichter! Sie möchten
matikers ist selten etwas anderes als der
Revolutionäre sein und zugleich Akademiker
Prozess der Selbstauflösung des Künstlers.
und Hofdichter. Auf den ersten Wink von
In diesem Winter ist die Krise akut ge¬
ben streichen sie alle die Segel.
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Der Preis fiel vor drei Jahren niemandem,
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