II, Theaterstücke 8, Freiwild. Schauspiel in 3 Akten, Seite 106

8.
Freiwild
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aus. Das Land un vom 19.
dramatischen Neuheiten, aber die man ernst¬
So wenig, und man hat sie schon blossgestellt
haft in einer allgemeinen Revue reden kann.
indem man sie der Öffentlichkeit preisgiebt.
Die Jungen sind auf der Bühne merkwürdig
Besonders, wo es sich um Frauenehre handelt,
schweigsam geworden. Die beachtens
die unrettbar verloren ist, wenn sie durch
Leistung war noch die einaktige Komödie von
richterliche Untersuchungen vor den Augen
Otto Erich Hartleben „Die sittliche Forderung
der Welt festgestellt werden soll. Das Duell
ein kleines Meisterstück realistischer Behand¬
von dieser Seite behandelt, könnte dem Gegen
lang des Dialogs, ausgezeichnet im Aufbau.
stande noch neue Zug abgewinnen, vor allem
Das erfreulichste aber an dieser Arbeit ist
aber ihn vermenschlichen oder menschlich
die moralische Freiheit des Dichters, der noch
motivieren. Schnitzlers Werk ist ein Thesen¬
lachen kann, wo andere an Gewissensbissen
und Prinzipienstück; das beste in ihm sind
ersticken oder vor lauter Moral unkünstlerisch
noch die komischen Scenen zwischen den
werden. Hartleben ist unser bester, vielleicht
Schauspielern, wiewohl auch ihre Komik darin
unser einziger Komiker auf der Bühne, der besteht, dass feuilletonartige Redensarten und
durch eine ganz kleine Verschiebung gesell¬
Übertreibungen einfach auf die Bühne über
schaftlicher Verhältnisse, durch eine gewisse
tragen werden. Das ist die Dramatik Lindau's
Abrundung phikströser Phrasen oder durch
und seiner Schule, die dadurch nicht über¬
die burschikosen Dekolletierungen die dras¬
wunden worden ist, dass sie von den Modernen
tischsten Situationen, die prachtvollsten We¬
in anderer Form wieder aufgenommen wurde.
dungen herausbringt und mit einer Bühnen¬
Den Ursprung aus dem Feuilleton, oder
gewandtheit, dass fast jeder Satz, jede Pointe
Familienblatt-Roman verrat auch das neue
zu ihrer dramatischen Wirkung kommt. Von Salinenwerk der Adelheid Weber, „Mutter¬
den jüngeren ist er jedenfalls der einzige,
rechte", das den Kampf zweier Frauen, der
der Theaterblut im Leibe hat.
naturlichen und der Pflegemutter zum Gegen¬
Von Neueren scheint Arthur Schnitzler
stale hat. Die Verfasserin ist nicht ohne
der einzige zu sein, der die Bühne für die
Talent und kennt auch das Publikum, das
nächste Zeit erobert zu haben scheint. Dieser
Blätter wie „Die Gartenlaube liest. Der
junge Wiener fing mit reizenden kleinen
Gegensatz zwischen den beiden Frauennaturen
Plaudereien an, die freilich schliesslich alle
ist hübsch gedacht, aber die Handlung ist
auf dasselbe hinauskamen und für ein Erst¬
romanhaft zurechtgelegt, dramatisch nur, so¬
lingswerk von verblüffender Technik waren.
fern es das Genrehafte pflegt, das leicht auf
Das machte mich freilich misstrauisch, wer
der Bühne wirkt und überraschende Wen¬
so reif anfängt, hat selten eine litterarische
dungen, welche packen, sind auf Kosten der
Zukunft. Auch haben mich seine Bühnen¬
Wahrheit aufgebracht. Sehr leichtsinnig ist
erfolge „Liebelei“ und „Freiwild nicht zu
hier, wie so oft in Frauenwerken, der Fall
vertrauensselig gemacht. Es ist die Kunst
eines jungen Mädchens behandelt; nur kann
und die Technik der einaktigen Plaudereien
man nicht sagen, ob die gesellschaftliche oder
auf ein grösseres Ganzes übertragen. „Frei¬
sittliche Auffassung der Verfasserin oder viel¬
wild“ ist zwar in Bezug auf sein eigentliches
mehr nur ihr Unvermögen, Menschen auf die
Thema (die Duellfrage) geschickt angepackt,
Bühne zu bringen, daran die Schuld trägt.
dass es sich schnell und geschickt vor uns
Frau Adelheid Weber kennt das Milieu, in
abrollt. Aber seine Dramatik ist nur in Schwung
dem sich ihre Personen bewegen, aber diese
und Zusammenhang gebrachte Plauderei: das
selbst nur sehr oberflächlich.
ist das Geheimnis seiner Technik. Seine
Figuren sind galvanisierte kleine Feuilletons.
Das eintönige Geplätscher ermüdet den Zu¬
Die Macht des Auslandes scheint auf dem
hörer; in den leidenschaftlichen Scenen merkt
deutschen Theater gebrochen zu sein. Die
man die Abgeblasstheit seiner Theatersprache,
Franzosen namentlich lassen uns gänzlich im
aus vormenschlichen Schicksalen werden Be¬
Stich. Augier und Dumas sind tot, Sardou
weisstücke. Das Thema selbst wird aber
weiss nun endlich, was man den Leuten im
darüber nicht klar gestellt, sondern eher ver¬
Theater bieten darf; er, der feine, politische
dunkelt. Der Held wird ein Opfer seines
Satiriker und grosse Sceniker von einst schreibt
Eigensinns mehr, als seiner Duellgegnerschaft.
rohe Ausstattungsstücke, die auch technisch
Über das Duell kann man nicht schreiben
nur ausnahmsweise interessieren können, oder
oder dichten, ohne banal zu werden. Seine
dramatisierte englische Gouvernantenromane
Dauer wird bedingt nicht nur durch die Macht
von tugendhaften jungen Mädchen, welche
der Standes vorurteile, sondern mehr noch durch
nur Bosheit in den schlimmen Verdacht ge¬
die Unmöglichkeit des modernen Menschen
bracht hat, wie die Marcelle, die, so unglaubig
auf andere Weise seine Ehre zu verteidigen.
es klingt, sich auf dem Theater erhält. Die
Ein Richterspruch beweist schliesslich eben jungen Franzosen aber sind langweilig, als
wie
abe
Be¬