II, Theaterstücke 8, Freiwild. Schauspiel in 3 Akten, Seite 107

wild
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M. MARCHER DE FORTSCHRITE DER ABRIKULTURCHEME.
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hatte es nie ein witziges Frankreich gegeben.
man nicht den realistischen Banalitäten unserer
Sie werden so roh, so tappisch, so breitspurig,
Tagesreporter verfallen und den Dichtern kein
und wenn Stücke wie Paul Herrn
Unrecht thun will. Im Allgemeinen aber,
fesseln in Berlin überhaupt gegeben werden,
habe ich über diese Gestalt des nordischen
so schreibt sich dies Glück von dem Ansehen
Meisters an anderer Seite gesagt, kann das
ihrer Vorfahren und dem grossen Repertoir¬
Publikum wenigstens das Eine von ihm lernen,
Mangel des deutschen Theaters her. Die
dass ein Mensch nicht aufhört, seine eigene
französische Dramatik, die ja immer nur wenige
Psychologie zu haben, weil ihn die Gesellschaft
Motive gehabt hat, hat sich erschöpft. Auch
ausgestossen hat. Das Drama ist gleichsam
den Possendichtern fällt nichts mehr ein, als
ein wieder aufgenommenes Verfahren. „Die
geschmacklose Vergröberungen älterer Motive
Bahne wird zum Tribunal.
und Situationen. Das eigentliche dramatische
Menschliche Handlungen und Schicksale
Genie der Franzosen aber sitzt nicht in Paris,
vor eine höhere Instanz zu bringen, ist die
sondern in Brüssel und heisst Maeterlinck,
eigentliche Lebenstendenz des Dramas, das
aber zu ihm hat man weder in Paris noch in
Steuer, welches sie zwischen die Gefahren
Berlin den Mut
raffinierter Künstlereien und roher Zirkuseffekte
Die stärksten Dramatiker unser Zeit sind die
hindurchbringt. Sie befreit das Publikum von
Nordgermanen, lösen und Strindberg. Aber
der Ohnmacht passiven Zuschauens, sie lost
seit der Wildente will sich auch von ihnen
seine geistigen Lebenskräfte und macht aus
kein Werk mehr bei uns einbürgern. Die
dem Theater ein organisches Ganzes. Der
letzten Dramen Ibsens sind nach wenigen
Zuschauer aus der dramatischen Handlung
Aufführungen von der Bühne verschwunden.
ausgeschlossen, — man begreift wahrlich nicht
Der „John Gabriel Borkman hat ein glück¬
mehr, zu welchem Zwecke er sich der Un¬
licheres Schicksal, aber keinen Erfolg gehabt,
bequemlichkeit eines Theaterbesuchs aussetzen
wiewohl er seinem Gegenstand nach gewisser¬
soll. Seine Schaulust zu befriedigen oder ihn
massen sogar aktuell ist. Trotzdem ist er die
zu zerstreuen, ist die Aufgabe des Zirkus und
Alles überragende Erscheinung dieses Theater
des Tingeltangels, und sie erreichen ihren
Jahres, gegen diese Kunst der Darstellung
Zweck besser und leichter. Das Theater steigt
und dramatischen Technik gemessen, ist alles
und fällt mit dem öffentlichen Geiste eines Volkes.
Andere der stotternde Versuch von Anfängern.
Ein Volk, dessen Theater im Niedergange be¬
Freilich, es ist die Kunst der Auflösung, keine
griffen ist, steht immer schon vor der Gefahr,
naiv aufbauende Dramatik, das realistische,
seine politischen Freiheiten zu verlieren.
aber künstlerisch rekonstruierende Verfahren
mehr als das des schaffenden Dichters. Der
alternde Ibsen identifiziert sich nicht mehr
mit seinen Personen, was er freilich so recht
M. Marcker: Die Fortschritte der Agrikul¬
nie gethan hat. Für ihn hat die realistische
turchemie in den letzten 25 Jahren.
Formel einen ironischen Nebensinn, er steht
über seinen Gestalten und charakterisiert als
(Ber. d. d. chem. Gesellsch. XXX Nr. 5)
Ironiker, d. h. naturgetreu, aber immer schon
Der Begriff Agrikulturchemie ist weiter
ein wenig vom Standpunkte seines nächsten
als der Name besagt und die physiologischen
Dramas aus, das er aber dann, wenn er es
Wissenschaften spielen darin fast eine noch
schreibt, schon wieder überwunden hat. Das
grössere Rolle als die Chemie. Marcker bie¬
im Allgemeinen oder Einzelnen zu verfolgen,
tet uns daher in seinem Vortrag weit mehr, als
würde den Raten dieses Aufsatzes sprengen,
man erwartet, er schildert in kurzen Zügen die
innerhalb dessen ich auch eine Würdigung
wissenschaftliche Entwicklung der gesamten
des Dramas nicht versuchen kann. Er giebt
Ackerbaulehre im letzten Viertel des Jahr¬
die Psychologie eines verkrachten Bank¬
hunderts.
direktors, dessen Leben und Verhältnisse wir
Bei der Lehre von der Pflanzenernährung
schrittweise, durch gegenseitige Enthüllungen
untersucht die Agrikulturchemie, welche Nähr¬
der mithandelnden Personen seitwärts und
stoffe, in welchen Formen und Mengen, für
rückwärts vor uns aufsteigen sehen. Die
die höchste Pflanzenproduktion erforderlich
Bankdirektoren in Wirklichkeit mögen anders
sind. Die wichtigsten Bestandteile der Pflanze
sein. Workman ist Ibsen, wenn er ein ver¬
sind die Kohlehydrate (in Form von Cellulose
krachter Bankdirektor wäre, wie Faust ein
und Stärkemehl etc.) und die Eiweissstoffe.
hypothetischer Goethe und Hamlet ein hypo¬
Die erstern enthalten Kohlenstoff und die Be¬
thetischer Shakespeare, oder Karl Moor
standteile des Wassers (Wasserstoff und Sauer¬
Schiller, falls er ein Rauberhauptmann gewesen
stoff), bei den letztem tritt zu diesen Ele¬
wäre. Dies Grundgesetz der Dichterpsycho¬
menten noch Stickstoff und Schwefel. Man
logie muss man allerdings festhalten, wenn
hat schon lange erkannt, dass die Pflanzen