II, Theaterstücke 8, Freiwild. Schauspiel in 3 Akten, Seite 114

8.
Freiwil
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mehr als dadurch England veranlaßt werden könnte,
Publikum auf¬
Die Sudanexpedition und die Mächte.
hülfe bei der von allen europäischen Mächten gemeinsam zu unter¬
durch den Vertrag
Die Entscheidung des Appellationsgerichtshofes in Alexandrien, nehmenden Action behufs Lösung der türkischen Krise zu versagen
lische Handel wer
insachen der für die Dongola expedition verwendeten Reservegelder
Die russische Regierung kann demnach erst nach einer allseitig be¬
schreibt: „Währen
der ägyptischen Staatsschuldenkasse wird in englischen Regierungs¬
friedigenden Lösung der türkischen Angelegenheit daran denken, falls Rußland seine Zi
schlechteren Natu
durch ihr Welschen der Ohrfeige eine Demonstration gegen den Mil¬
Lobetheater.
Natürlichkeit des
tarismus zu insceniren glaubten, fällt es schwer eine parlamen¬
„Freiwild." — „Opus I.
zwanglos und
tarisch zulässige Bezeichnung zu finden. Den Dichter und sein
süchtigen Spieler
Werk soll man dafür nicht verantwortlich machen. Den bei der
Zum zweiten Male bereits in dieser Spielzeit ist Dr. Arthur
spielerisch schwä
Schnitzler, der jüngste und erfolgreichste der wiener dramatischer
Aufführung von „Liebelei" ihm nachgerühmten Vorzug, daß er die
Kameraden zur
Dichter, nun auf der Bühne des Lobetheaters zu Wort gekommen
Verschuldung auf beiden Seiten gerecht vertheile, zeigt auch sei¬
Vogel, der an
neuestes Schauspiel.
Das Auftreten der gleichen Schauspieler in den nahe verwandten
der Oberlieutena
Oberlieutenant Karinski — der deutsch=österreichische Dichter
Rollen von „Freiwild“ und „Liebelei“ fordert den Vergleich zwischer
seiner Gerechtigt
hat wohl nicht ohne Absicht grade für diese Gestalt einen slawischen
den beiden dreiactigen Schauspielen noch stärker heraus, als er
und Mensch de
Namen gewählt — ist wegen mancher Dinge, die er auf dem Kerb¬
ohnehin durch manche Parallele in der Dichtung begründet ist
Regimentskamera
Die Gegenüberstellung der beiden Mädchencharaktere, der tief empfin¬
holz hat, bereits auf dem Sprünge, als er wegen einer jungen
über kann man
Schauspielerin, die ihn zurückweist, einen Streit mit dem Beschützer
denden Unglücklichen (Frl. Niedt) und des leichtfertigen Alltags¬
füglich nicht red¬
der kleinen Anna Riedel vom Zaune bricht. Wenn dieser Beschützer,
geschöpfes (Frl. Jurberg), wie der beiden Manner, des trotz seiner
Abweisung Rönn
Paul Rönning, nun aber meint, die Sache sei mit der Ohrfeige
ernsteren Anlage zur Liebelei Verleiteten und des oberflächlichen
rein menschlich
abgemacht, er brauche sich mit einem so schlechten Menschen wie
heiteren Genußmenschen (Herr Höfer), kehrt in beiden Stücken nu¬
Beifall bei offen
dieser Karinski nicht zu schießen, so wirft der Dichter wohl eine
unter geringer Verschiebung wieder. Es ist eine bestimmte technische
keineswegs leicht
Frage auf, er nimmt aber nicht Partei. Es ist gewiß sehr schlimm
Grundlage, auf welcher der bühnenkundige Dichter beide Male das
wahr durchgefür
daß ein Vertheidiger des Rechtes wegen seiner ehrenwerthen Hand¬
Gerüst seines Dramas aufrichtet. Aber in seinem zweiten Schau¬
manchen Guten,
lung von einem frivolen Raufbolde bedroht werden kann. Aber
spiele zeigt sich alles voller und reicher ausgebildet. Die Absichten
lungen ist. In de
des Verfassers sind hier auch fest und bestimmt durchgeführt. Aus wenn dieser Karinski nicht k. k. Offizier, sondern mit seinen Tem¬
Herr Botz erst
peramente ein Arbeiter oder Hausknecht wäre, so würde er die
den einzelnen Personen sind Gruppen geworden, in denen ein¬
da gelang ihm
Beschimpfung, die er durch die körperliche Züchtigung erlitten hat
Reihe verschiedener Charaktere, alle mit gleicher Lebenswahrheit ge¬
Marx wird sich
zeichnet, hervortreten. Die komischen Scenen wechseln nicht nur ganz gewiß ebenso zu rächen suchen, dem Vertheidiger der Unschuld
zutragen; sein
geschickt und ungezwungen mit den ernsten ab, sondern bilden wirk= auflauern und ihn mit einem Knüttel niederschlagen oder mit einem
komische Chara
Messer niederstechen. Das liegt, man mag es noch so sehr bedauern
lich den unentbehrlichen Hintergrunde der Handlung selbst. Die
Rönning's Freu¬
in der menschlichen Natur, und es scheint doch äußerst fraglich, ob es
Satire über das Theaterwesen birgt in ihrer humor voll lustigen
so steht der er¬
jemals gelingen wird, diese Natur so weit zu veredeln, daß
Einkleidung eine scharfe Spitze. Der Dichter versteht es, innerhall
über. In der
derartige traurige Vorkommnisse sich nicht mehr ereignen. Wenn das
der einer Dichtung gezogenen Grenze die socialen und künstlerischen
hammer ein w
Gigerl Poldi (Herr Marx) ein sehr naher Verwandter des duell¬
Uebelstände unseres Bühnenwesens zu verurtheilen. Vorgänge wie
vortrefflich gesp
süchtigen Reservelieutenants aus Sudermann's „Ehre", den „Codex
die in dem Stücke geschilderten, daß der Director des „Kunst¬
Freundes versetzt
nach dem Streitigkeiten ordnungsmäßig geschlichtet werden, der
instituts eine junge Schauspielerin als unbrauchbar entläßt, um
gemein hat, da¬
Selbsthülfe gegenüber als Sicherungsmittel anpreist, so klingt das
sie dann für das halbe Geld für die gleichen Rollen wieder an
leidigung als un
zunehmen, sollen durchaus nicht nur in Sommertheatern kleiner aus diesem Munde sehr komisch. Aber wenn man mit Paul
bleibt, wenigsten
Rönning das Zuschlagen für nothwendig und selbstverständlich an¬
Badeorte sich abspielen. Der Dichter hat auch den Titel seine
zusetzen. Freili¬
sieht, so muß man sich doch auch sagen, daß der Geschlagene das
Stückes weiter gefaßt, als die tendenziöse berliner Kritik erkennen
treffen seines un
in irgend einer Weise zurückzugeben suchen wird, und da ist ein¬
wollte. „Freiwild“ ist nicht nur der dem Offizier das Duell ver¬
Rächer seiner be¬
gewisse Regelung von Schlag und Gegenschlag durch den „Codex
weigernde Civilist, als „Freiwild für das freche Begehren der
Den Uebe
vielleicht doch nicht so ganz lächerlich. Der Dichter läßt, und damit
Herren aus der „Gesellschaft und des Herrn Theaterdirector¬
Theatervölklein
verfährt er eben als Dichter, die Gründe für und wider Rönning's
erscheinen auch die jungen Mädchen, die von der Noth gezwungen
leidigung durch
Ablehnung des Zweikampfes ganz aus den Personen und der
werden, durch Auftreten auf der Bühne ihr Brot zu verdienen.
letzten Scene,
Handlung heraus sich entwickeln. Und er läßt seinen Helden, der
Es ist ein für die künstlerische Beurtheilung leicht störenden
liebten zum Ve¬
kein Duell eingehen, aber doch dem wüthenden Gegner mit der
Uebelstand, wenn auch ein glücklicher Zufall für den Kassenerfol¬
Niedt etwas le
Pistole entgegentreten will, echt menschlich inconsequent handeln
des wirklich bedeutenden Stückes, daß manches darin heute als un
Scenen ließ sich
Das verleiht dem Stücke in der That eine so große Anziehungskraft.
mittelbare Anspielung auf den beklagenswerthen Vorgang in
als die junge,
Fragen und Verhältnisse, die heute nun einmal überall vor¬
Karlsruhe wirken muß, obwohl Schnitzler's Drama bereits vorher
ging wirklich ei¬
handen sind und die Gemüther aufs heftigste bewegen, tauchen in
vollendet worden ist. Nicht gegen die interessante, bis zuletz
Rönning uns v.
den ernsten wie in den komischen Scenen fortwährend vor uns
fesselnde Dichtung richtete sich das vereinzelte Zischen beim Schluss
schuld ergriffen
auf. Aber es werden dabei nirgends von der Bühne herab
des ersten Aufzugs, sondern gegen den widerlichen Parteifanatismus,
seine Ehre kämp¬
Tendenzreden ins Publikum gehalten, wie Graf Trast, Fuldas
mit dem ein Theil des hiesigen Premierenpublikums seiner Freud
sucht, steht die
„Sclavin", und wie sonst die verschiedenen Sprachrohre ihrer Ver
Ausdruck gab, als Oberlieutenant Karinski (Herr Kühns) von
Frl. Jurberg
dem Civilisten Paul Rönning (Herr Botz) einen Schlag ins fasser sich nennen, gethan haben. Nein, es sind lauter wirkliche
ähnlichen Rolle
selbständig ohne Ziehen am Draht sich bewegende Menschen, von
Gesicht erhielt. Die That ist im Gange der Handlung durchaus
begründet. Aber für den Geschmack und Takt jener Zuschauer, die denen jeder nach seinem Empfinden, aus seiner besseren oder Tone zu halten


een der