8.
Freiwild
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Publikum auf Unglauben müßen. Das radicale „Daily Gheele
durch den Vertrag werde Rußland die stärkste Macht im Osten; der eng¬
lische Handel werde schwer darunter leiden. Die „St. James Gazette"
schreibt: „Während Europa sich den Kopf über die Türkei zerbrach, hat
Rußland seine Ziele im fernen Orient verfolgt und erreicht. Was will
schlechteren Natur heraus spricht und handelt. Die vollkommene
Natürlichkeit des charakteristisch abgestuften Dialoges entspricht der
zwanglos und frei sich entwickelnden Handlung. Dem händel¬
süchtigen Spieler Karinski, dessen Darstellung übrigens die schau¬
spielerisch schwächste Leistung im ganzen Stücke war, sind zwei
Kameraden zur Seite gestellt, der harmlos heitere Husarenlieutenant
Vogel, der an Herrn Höfer einen prächtigen Vertreter fand, und
der Oberlieutenant Rohnstedt, in seiner gediegenen Tüchtigkeit,
seiner Gerechtigkeit und treuen Kameradschaftlichkeit als Offizier
und Mensch das erfreuliche Gegenbild zu seinem verkommenen
Regimentskameraden. Diesem Vertreter des Ehrbegriffes gegen¬
über kann man von einer militärfeindlichen Tendenz des Dichters
füglich nicht reden. Die Scene, in der Rohnstedt trotz vorheriger
Abweisung Rönning zum Duell zu bereden und ihm die Sachlage
rein menschlich klar zu machen sucht, trug Herrn Schady einen
Beifall bei offener Scene ein. Und der Beifall war verdient. Die
keineswegs leichte Rolle wurde von Herrn Schady schlicht und
wahr durchgeführt, es war die vollendetste Leistung unter dem
manchen Guten, das im Laufe dieser Spielzeit dem Künstler ge¬
lungen ist. In der Rolle des das Duell verweigernden Rönning war
Herr Botz erst im zweiten und dritten Auszuge ganz entsprechend,
da gelang ihm aber die Lösung der Aufgabe auch vollkommen. Herr
Marx wird sich hüten müssen, bei den Wiederholungen noch stärker auf¬
zutragen; sein amüsanter Poldi steht hart an der Grenze, wo die
komische Charakterisirung in Caricatur umschlägt. Wie unter
Rönning's Freunden das Gigerl dem schneidigen Husarenlieutenant,
so steht der ernstere Doctor dem Oberlieutenant Rohnstedt gegen¬
über. In der Unterhaltung des ersten Actes war Herr Bayr¬
hammer ein wenig gezwungen, um so naturwahrer in der ganz
vortrefflich gespielten Aufregung, in die ihn die Weigerung seines
Freundes versetzt. So wenig der Arzt mit dem wiener Stutzer
gemein hat, das Duell erkennt auch er nach der thätlichen Be¬
leidigung als unvermeidlich an und sucht, als sein Rath ungehört
bleibt, wenigstens die schleunige Entfernung seines Freundes durch¬
zusetzen. Freilich gelingt es ihm nicht, das drohende Zusammen¬
treffen seines unklug eigensinnigen Freundes mit dem verzweifelten
Rächer seiner beleidigten Ehre zu verhindern.
Den Uebergang von den Vertretern der Gesellschaft zum
Theatervölklein vermittelt die kleine Riedel, wegen deren Be¬
leidigung durch Karinski die Katastrophe eintritt. In der vor¬
letzten Scene, in der Anna im Vereine mit dem Doctor den Ge¬
liebten zum Verlassen des Badeortes zu bewegen sucht, hätte Frl.
Niedt etwas leidenschaftlicher werden dürfen. In allen anderen
Scenen ließ sich kaum eine bessere Wiedergabe der Rolle denken,
als die junge, talentvolle Künstlerin darbot. Von ihrer Anna
ging wirklich ein Zug unverdorbener Reinheit aus, daß wir mit
Rönning uns von Theilnahme für diese hülflose, wortkarge Un¬
schuld ergriffen fühlten. Dem armen jungen Mädchen, das für
seine Ehre kämpft und in edlem Stolze seine Liebe zu unterdrücken
sucht, steht die fesche Soubrette Peppi gegenüber. Es zeigt von
Frl. Jurberg's ungewöhnlicher Charakterisirungskunst, wie sie die
ähnlichen Rollen in „Liebelei" und „Freiwild" verschieden im
Tone zu halten wußte. Die Soubrette, die den in sie verliebten
ausbleibenden Hochwasser im
fahren entstehen, die theils die an der Oder gelegenen Ortschaften,
wur¬
theils die Stadt Breslau bedrohen. Da die Vorfluth durch die
als
alte Oder fehlt und die, an und für sich unbedeutende, Vorfluth dorf
Komiker (Herr Kunstadt), dem der Dichter einige Züge aus den
italienischen „Bajazzi gegeben hat, mit Offizieren betrügt, steht
schon eine Stufe tiefer als die wiener Putzmachermamsell. In der
gemeinen Geschwätzigkeit wie im lebhaften stummen Spiele hat Frl.
Jurberg eine echte, in jedem Zuge wahre Gestalt geschaffen. Nicht
ganz erfreulich machte sich aber diesmal eine Neigung bemerkbar,
die Kraftstellen möglichst vorn an der Rampe vorzutragen. Gut
und wirksam waren auch die kleineren Rollen des Theaterdirectors
Regisseurs, ersten Liebhabers und Theaterkassirers durch die Herren
Steinrück, Thomas, Lettinger und Scholz besetzt.
Auf
nun
Die ganze Aufführung war tadellos abgerundet, alles griff
der
frisch in einander, und wenn das Badeleben im Hintergrunde sich
eine
gege¬
auch in recht bescheidenen Grenzen hielt, so zeugte es doch von der
zuver
Sorgfalt der Regie. Wenn man die Darstellung von „Freiwild
lagen
mit den ersten Aufführungen dieser Spielzeit vergleicht, so wird
dritte
man die erzieherische Begabung und den eisernen Arbeitsfleiß Herrn
bestir
Niedt's als eine ganz außerordentliche Leistung rühmen müssen.
geme
an
Vielleicht sorgt der verdienstvolle Regisseur auch noch dafür,
der
daß der österreichische Dragoneroffizier, der schon durch einen
dem
Ulanenhelm ausgezeichnet ist, künftig auf das Tragen der preußischen
einer
Offizierschärpe verzichtet, die Herr Kühns sich ganz völkerrechts¬
und reglementswidrig angemaßt hat. Das Werk des Dichters und
die Darstellung wirkten einträchtig zusammen, um eine tiefe
Wirkung hervorzubringen. Es ist, mag der Einzelne dabei auch
Pre
inzelnes wenig erfreulich finden, ein Stück, unmittelbar aus dem
Leben der Gegenwart geschöpft und mit dichterischem Vermögen
wie mit dramatischer Gewandtheit zum wirkungsvollen Bühnenbilde
Aus
voll Spannung und Steigerung gestaltet.
über
Ueber dem Eindrucke von Schnitzler's Schauspiel vergaß man
fast Paul Linsemann's geistreich witzige Plauderei, die nach Art
und
der kleinen französischen Einacter „pour le lever du rideau uns
lehr¬
den Verfasser eines Theaterstücks in seiner Aufregung am Abende
Refe¬
fort
der Première vorführt. Mit manchen gesuchten Witzen, aber
Arti¬
unterhaltend erzählt der Dichter (Herr Botz) einer jungen Malerin
Den
(Frl. Hohenau), was er von der Einreichung seines Stückes bis
könn¬
Theo¬
zu diesem Abende durchgemacht hat. Er versäumt sich bei der
die
Freundin und erhält hier die Nachricht vom Durchfalle seines
„Opus 1, für den ihn die Verlobung entschädigt. Herr Botz
führte die Plauderei mit Geist und Humor ganz reizend durch,
und seine Partnerin hatte glücklicherweise nicht viel zu sprechen,
denn die kleine Rolle läßt sich kaum dilettantenhafter und lang¬
weiliger verderben, als es durch Frl. Hohenau geschah. Daß Frau
Klas
gesta
Gallus wie gewöhnlich lautes Reden und heftige Bewegungen
sind
für humor voll hielt, war nicht überraschend; aber von Herrn Höflich
Vor¬
wäre wohl eine wirksamere Ausarbeitung der dankbaren Rolle des
dad
bewe¬
Theaterdieners, der den Durchfall des Stückes erzählt, zu erwarten
beso
gewesen. Hier wurde also die Aufführung, mit rühmlicher Aus¬
allse
nahme des Hauptdarstellers, der graziösen Plauderei nicht völlig
gerecht. Um so besser, daß bei dem Hauptstücke des Abends die
Le
Aufführung der Bedeutung des Werkes so gut entsprach.
gew.
Wo
Freiwild
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Publikum auf Unglauben müßen. Das radicale „Daily Gheele
durch den Vertrag werde Rußland die stärkste Macht im Osten; der eng¬
lische Handel werde schwer darunter leiden. Die „St. James Gazette"
schreibt: „Während Europa sich den Kopf über die Türkei zerbrach, hat
Rußland seine Ziele im fernen Orient verfolgt und erreicht. Was will
schlechteren Natur heraus spricht und handelt. Die vollkommene
Natürlichkeit des charakteristisch abgestuften Dialoges entspricht der
zwanglos und frei sich entwickelnden Handlung. Dem händel¬
süchtigen Spieler Karinski, dessen Darstellung übrigens die schau¬
spielerisch schwächste Leistung im ganzen Stücke war, sind zwei
Kameraden zur Seite gestellt, der harmlos heitere Husarenlieutenant
Vogel, der an Herrn Höfer einen prächtigen Vertreter fand, und
der Oberlieutenant Rohnstedt, in seiner gediegenen Tüchtigkeit,
seiner Gerechtigkeit und treuen Kameradschaftlichkeit als Offizier
und Mensch das erfreuliche Gegenbild zu seinem verkommenen
Regimentskameraden. Diesem Vertreter des Ehrbegriffes gegen¬
über kann man von einer militärfeindlichen Tendenz des Dichters
füglich nicht reden. Die Scene, in der Rohnstedt trotz vorheriger
Abweisung Rönning zum Duell zu bereden und ihm die Sachlage
rein menschlich klar zu machen sucht, trug Herrn Schady einen
Beifall bei offener Scene ein. Und der Beifall war verdient. Die
keineswegs leichte Rolle wurde von Herrn Schady schlicht und
wahr durchgeführt, es war die vollendetste Leistung unter dem
manchen Guten, das im Laufe dieser Spielzeit dem Künstler ge¬
lungen ist. In der Rolle des das Duell verweigernden Rönning war
Herr Botz erst im zweiten und dritten Auszuge ganz entsprechend,
da gelang ihm aber die Lösung der Aufgabe auch vollkommen. Herr
Marx wird sich hüten müssen, bei den Wiederholungen noch stärker auf¬
zutragen; sein amüsanter Poldi steht hart an der Grenze, wo die
komische Charakterisirung in Caricatur umschlägt. Wie unter
Rönning's Freunden das Gigerl dem schneidigen Husarenlieutenant,
so steht der ernstere Doctor dem Oberlieutenant Rohnstedt gegen¬
über. In der Unterhaltung des ersten Actes war Herr Bayr¬
hammer ein wenig gezwungen, um so naturwahrer in der ganz
vortrefflich gespielten Aufregung, in die ihn die Weigerung seines
Freundes versetzt. So wenig der Arzt mit dem wiener Stutzer
gemein hat, das Duell erkennt auch er nach der thätlichen Be¬
leidigung als unvermeidlich an und sucht, als sein Rath ungehört
bleibt, wenigstens die schleunige Entfernung seines Freundes durch¬
zusetzen. Freilich gelingt es ihm nicht, das drohende Zusammen¬
treffen seines unklug eigensinnigen Freundes mit dem verzweifelten
Rächer seiner beleidigten Ehre zu verhindern.
Den Uebergang von den Vertretern der Gesellschaft zum
Theatervölklein vermittelt die kleine Riedel, wegen deren Be¬
leidigung durch Karinski die Katastrophe eintritt. In der vor¬
letzten Scene, in der Anna im Vereine mit dem Doctor den Ge¬
liebten zum Verlassen des Badeortes zu bewegen sucht, hätte Frl.
Niedt etwas leidenschaftlicher werden dürfen. In allen anderen
Scenen ließ sich kaum eine bessere Wiedergabe der Rolle denken,
als die junge, talentvolle Künstlerin darbot. Von ihrer Anna
ging wirklich ein Zug unverdorbener Reinheit aus, daß wir mit
Rönning uns von Theilnahme für diese hülflose, wortkarge Un¬
schuld ergriffen fühlten. Dem armen jungen Mädchen, das für
seine Ehre kämpft und in edlem Stolze seine Liebe zu unterdrücken
sucht, steht die fesche Soubrette Peppi gegenüber. Es zeigt von
Frl. Jurberg's ungewöhnlicher Charakterisirungskunst, wie sie die
ähnlichen Rollen in „Liebelei" und „Freiwild" verschieden im
Tone zu halten wußte. Die Soubrette, die den in sie verliebten
ausbleibenden Hochwasser im
fahren entstehen, die theils die an der Oder gelegenen Ortschaften,
wur¬
theils die Stadt Breslau bedrohen. Da die Vorfluth durch die
als
alte Oder fehlt und die, an und für sich unbedeutende, Vorfluth dorf
Komiker (Herr Kunstadt), dem der Dichter einige Züge aus den
italienischen „Bajazzi gegeben hat, mit Offizieren betrügt, steht
schon eine Stufe tiefer als die wiener Putzmachermamsell. In der
gemeinen Geschwätzigkeit wie im lebhaften stummen Spiele hat Frl.
Jurberg eine echte, in jedem Zuge wahre Gestalt geschaffen. Nicht
ganz erfreulich machte sich aber diesmal eine Neigung bemerkbar,
die Kraftstellen möglichst vorn an der Rampe vorzutragen. Gut
und wirksam waren auch die kleineren Rollen des Theaterdirectors
Regisseurs, ersten Liebhabers und Theaterkassirers durch die Herren
Steinrück, Thomas, Lettinger und Scholz besetzt.
Auf
nun
Die ganze Aufführung war tadellos abgerundet, alles griff
der
frisch in einander, und wenn das Badeleben im Hintergrunde sich
eine
gege¬
auch in recht bescheidenen Grenzen hielt, so zeugte es doch von der
zuver
Sorgfalt der Regie. Wenn man die Darstellung von „Freiwild
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mit den ersten Aufführungen dieser Spielzeit vergleicht, so wird
dritte
man die erzieherische Begabung und den eisernen Arbeitsfleiß Herrn
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Niedt's als eine ganz außerordentliche Leistung rühmen müssen.
geme
an
Vielleicht sorgt der verdienstvolle Regisseur auch noch dafür,
der
daß der österreichische Dragoneroffizier, der schon durch einen
dem
Ulanenhelm ausgezeichnet ist, künftig auf das Tragen der preußischen
einer
Offizierschärpe verzichtet, die Herr Kühns sich ganz völkerrechts¬
und reglementswidrig angemaßt hat. Das Werk des Dichters und
die Darstellung wirkten einträchtig zusammen, um eine tiefe
Wirkung hervorzubringen. Es ist, mag der Einzelne dabei auch
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inzelnes wenig erfreulich finden, ein Stück, unmittelbar aus dem
Leben der Gegenwart geschöpft und mit dichterischem Vermögen
wie mit dramatischer Gewandtheit zum wirkungsvollen Bühnenbilde
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voll Spannung und Steigerung gestaltet.
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Ueber dem Eindrucke von Schnitzler's Schauspiel vergaß man
fast Paul Linsemann's geistreich witzige Plauderei, die nach Art
und
der kleinen französischen Einacter „pour le lever du rideau uns
lehr¬
den Verfasser eines Theaterstücks in seiner Aufregung am Abende
Refe¬
fort
der Première vorführt. Mit manchen gesuchten Witzen, aber
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unterhaltend erzählt der Dichter (Herr Botz) einer jungen Malerin
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(Frl. Hohenau), was er von der Einreichung seines Stückes bis
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Theo¬
zu diesem Abende durchgemacht hat. Er versäumt sich bei der
die
Freundin und erhält hier die Nachricht vom Durchfalle seines
„Opus 1, für den ihn die Verlobung entschädigt. Herr Botz
führte die Plauderei mit Geist und Humor ganz reizend durch,
und seine Partnerin hatte glücklicherweise nicht viel zu sprechen,
denn die kleine Rolle läßt sich kaum dilettantenhafter und lang¬
weiliger verderben, als es durch Frl. Hohenau geschah. Daß Frau
Klas
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Gallus wie gewöhnlich lautes Reden und heftige Bewegungen
sind
für humor voll hielt, war nicht überraschend; aber von Herrn Höflich
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wäre wohl eine wirksamere Ausarbeitung der dankbaren Rolle des
dad
bewe¬
Theaterdieners, der den Durchfall des Stückes erzählt, zu erwarten
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gewesen. Hier wurde also die Aufführung, mit rühmlicher Aus¬
allse
nahme des Hauptdarstellers, der graziösen Plauderei nicht völlig
gerecht. Um so besser, daß bei dem Hauptstücke des Abends die
Le
Aufführung der Bedeutung des Werkes so gut entsprach.
gew.
Wo