II, Theaterstücke 8, Freiwild. Schauspiel in 3 Akten, Seite 130

8. Freiwild
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ihren Colleginnen gern mitgenommen werden. Ein übrig bliebe, als sich eine Kugel durch den Kopf zu be¬
Feuilleton
Officier, der Cavallerie=Oberstlieutenant Karinski, welche
jagen; ein anderer, der gesetztere Oberlieutenant Rohn¬
ganz schneidiger Soldat, aber auch ganz rücksichtslose
stedt, spricht die Hoffnung aus, daß Karinski die
Lebemann ist, der alle Weiber und namentlich die Uniform freiwillig ausziehe und zu einem bürgerliche
Thalia-Theater.
Schauspielerinnen als Spielzeug seiner Launen und Berufe übergehe. Da kommt Karinski selbst dazu, um
Gelüste betrachtet, ist sehr verstimmt darüber, daß Abschied von seinen Kameraden zu nehmen. Sein
(Freiwild“
sein Werben um die Gunst Anna's keinen Mienen und seine Worte lassen aber errathen, daß er
Es kommt selten vor, daß eine Novität ein so
Erfolg hat. Er schwört darauf, daß sie trotzdem eine sich nun selbst Genugthuung verschaffen werde. Bestürzt
tiefgehendes Interesse weckt, daß die Discussion übe
Einladung zu einem Souper annehmen wird. In
eilt ihm Rohnstedt nach, um ihn von einer unüber¬
dieselbe die Zwischenacte, welche gestern nicht kurz be¬
Gegenwart seiner Kameraden und einiger Civilisten, legten That zurückzuhalten. Gleich darauf erscheinen
messen waren, völlig in Anspruch nahm. Es wurde unter denen sich auch Paul befindet, schreibt er ein Paul und Anna in Begleitung des Arztes, welcher Paul Da
zum ersten Male das dreiactige Schauspiel „Freiwild
Brieschen an Anna und läßt dasselbe durch den vor einem brutalen Ueberfall Seitens des Lieutenants
von Arthur Schnitzler, dem bekannten österreichischen Piccolo des Cafes in die Wohnung der Schauspielerin warnt, und ihn veranlassen will, schnell abzureisen.
Autor gegeben, und das Thema, das in demselben in tragen. Als die Antwort kommt, Anna lehne ab, Aber Paul weigert sich, er will doch sehen, ob man
sehr geschickter Weise angeschlagen wird, bot dem zahl
springt er auf, um die Einladung persönlich zu wieder seines Lebens nicht mehr sicher ist, wenn man nach
reich versammelten Publicum in den Zwischenacten holen. Durch eine Champagnerwette verpflichtet
Ueberzeugung und Pflicht das Rechte gethan hat
reichen Stoff zu den lebhaftesten Reden und Gegen glaubt er seiner Ehre wegen diesen Schritt thun zu Während sich Anna und Werner noch Mühe geben
reden. Ueberall, auf den Corridoren, im Foyer, in der müssen. Als er dann erfolglos zurückkehrt, sieht er den Starrsinn Pauls zu beugen, erscheint Karinski
Restauration standen Gruppen lebhaft gesticulirender die spöttischen Gesichter der Kameraden und der und ruft dem Gehaßten entgegen, ob er sich ihm zun
Damen und Herren, die für und gegen die beiden
Civilisten, und mit dem Instincte des Eifersüchtigen Duell stellen wolle oder nicht. Statt aller Antwort
Helden des Schauspiels — denn es sind deren in der stellt er Paul zur Rede und verbietet ihm, zu lächeln. geht Paul ihm entgegen und fordert, daß er ihm Platz
That zwei — Partei nahmen. Aber nur eine Dieser beachtet das Verbot nicht, ein Wort gibt das mache. Nach einer mehrmaligen Aufforderung, auf zu
Stimme herrschte darüber, daß seit langer Zeit andere, und als Kacinski schließlich hochmüthig welche die gleiche Antwort erfolgt, reißt Karinski ein
im Thalia-Theater kein Stück gegeben worden ist, ausruft, es sei ihm doch wohl gestattet, ein Weibsbil
Pistol aus der Tasche und schießt Paul nieder, der
welches ein so spontan wirkendes Interesse und so viel wie diese Schauspielerin Riedel zum Souper einzuladen, gleich darauf seinen letzten Seufzer aushaucht. Mit
Anregung zum eigenen Nachdenken hervorgerufen hat, erhebt sich Paul und verabreicht dem rüden Gesellen den Worten: „Ich weiß, was jetzt meine Pflicht ist!
wie „Freiwild.
eine ganz gehörige Backpfeife. Tumult! Karinski geht Karinski ab. Damit schließt das Stück.
Man hat sehr viel Kluges, aber auch sehr viel will sich auf Paul stürzen, wird zurückgehalten und
Es ist nicht die Aufgabe des Kritikers, aus Anlaß Lie¬
Dummes gegen das sogen. Tendenzdrama gesagt und der Vorhang fällt.
dieses Stückes nunmehr in eine akademische Erörterung
geschrieben, und man wird zugestehen, daß ein Drama
Der Anlaß zum Duell ist gegeben, aber schon zu über die Berechtigung oder Nichtberechtigung des Duelle
welches lediglich geschrieben ist, um in einem zeit Anfang des zweiten Actes, welcher im Logis von Paul einzugehen, zumal der Autor selbst mit seiner Meinung Lei¬
weiligen Parteigezänk für oder gegen etwas Partei zu spielt, erfahren wir, daß er die Zeugen des Karinski zurückhält und nur die Thatsachen sprechen läßt. Wenn eige
nehmen, an Kunstwerth bedeutend verliert, wei
abgewiesen hat. Seine beiden Bekannten, der Arzt man eine Tendenz in dieses Stück hineinlegen will, so
meistens rein äußerliche Umstände falsche Gesichts
Dr. Werner und ein Giger Namens Grehlinger, er kann es höchstens Die sein, daß es grausam ist, einen wir
puncte aufstellen, doch es gibt auch Tendenzstücke
fahren Dies zu ihrem großen Erstaunen. Paul erklärt, Officier, der gewillt ist, sich einem Duell zu stellen,
die ihren Anlaß aus actuellen Zeitfragen herholen, daß er eines Lumpen wegen, den er gebührend ge¬ aus der Armee auszuschließen, weil der Gegner aus glei¬
diese aber aus dem trivialen Mischmasch der züchtigt hat, sein Leben nicht aufs Spiel setzen werde. Hochmuth, Feigheit oder philosophischer Ueberzeugung
Meinungen in eine reiner Atmospähre empor¬ Alle Gegenreden nützen Nichts, der Gigerl beruft sich
sich nicht schießen will. Das ist aber eine ganz neben
heben.
Zu diesen Dramen gehört unzweifel vergebens auf den Ehrencoder, welcher ein Duell ver¬
sächliche Sachen die Frage der Berechtigung des leich
haft
das Schnitzler'sche Drama „Freiwild
lange, und der Arzt verschwendet seine Worte, daß es Duells überhaupt nicht gelöst ist. Und in dieser
welches zu der jetzt vielbesprochenen Duellfrage eine für Paul nöthig sei, sich der allgemeinen Sitte zu Hinsicht verhält sich der Autor durchaus unbasteisch, und
künstlerisch ausgestattete Illustration gibt. Es sei die unterwerfen, weil er sonst gesellschaftlich unmöglich
Er gibt uns eine scharf umrissene Illustration des
Handlung kurz skizzirt, ehe über die Art und Weise, werde. Diese beiden Figuren sind vortrefflich gezeichnet
socialen Conflictes zweier Ehrbegriffe, der nun einmal
in welcher der Autor sein Thema behandelt hat, Näheres Der Poldi Grehlinger ist ein alberner Na¬
besteht und so leicht nicht ausgerottet werden wird
mitgetheilt wird
welcher wirklich nichts Höheres kennt, als trotz aller klugen Reden hüben und drüben. Die
Wir befinden uns in dem österreichischen Bade die conventionelle Etiquette, während der Arzt Charaktere der beiden Helden sind so klar, verständlich
in der Nähe Wiens. Der Kern der bunt zusammen die Motive der Handlungsweise seines Freundes wohl und anschaulich geschildert, daß man ihre Handlungs
gewürfelten Badegesellschaft bildet eine Gruppe Officier¬
zu würdigen weiß, aber den Freund vor unliebsamen weise völlig versteht. Vielleicht ist dem Autor sogar klei¬
Civilisten und Schauspieler. Der erste Act spielt auf Consequenzen seiner Handlungsweise zu behüten sucht, der Charakter des schneidigen Lieutenants, von
einem Platze, der links von einem Cafékiosk, rechts Beide Herren gehen unverrichteter Sache weg und dem man unmöglich verlangen kann, daß seine
von dem Theatergebäude flankirt wird, so recht der
Anna Riedel, welche von dem Handel erfahren hat
Gedanken über die oberflächliche, ihm anerzogen
Ort, wo sich das lustige und gemüthliche Zusammenstürzt ins Zimmer, um das Duell zu verhindern, und angewöhnte Denkungsart hinausgehen, noch besser
leben der Badegäste gut beobachten läßt. Ganz vor
Es folgt eine sehr hübsche Liebesscene, in welcher sich geschildert, als der kluge, nachdenkliche Paul, welcher
trefflich ist die Ungezwungenheit des Verkehrs geschildert, die Herzen Beider finden. Sie beschließen, so bald in seiner Verachtung der conventionellen Sitte sehr
Die Officiere und Badegäste verkehren im Caféhau¬
wie möglich gemeinsam nach Wien zu reisen, um sich kühl, ja sogar etwas abstract erscheint. Aber dies¬
und die Schauspieler und Schauspielerinnen kommen dort zu vermählen. Aber noch einmal tritt die Ver=Figur ist durchaus nicht unwahrscheinlich, sie hätte nur
aus dem Theater dazu, plauschen ein paar Worte mi
suchung an Paul heran. Oberlieutenant Rohnstedt etwas lebenswärmer gezeichnet werden müssen. Es
einander, begrüßen sich, zanken sich ein wenig, ver
kommt, um Paul vorzustellen, daß er ein Menschen fehlt ihr das pulsirende Leben, sie tritt von Anfang an
abschieden sich wieder u. s. w. Hier hört man ein
leben ruinire, wenn er nicht in das Duell willige, fertig vor uns hin, während das leidenschaftlich
Wort, dort ein anderes, welches sich aus dem allgemeinen Jener macht sogar den aus einem Officiersmunde brutale Temperament des Lieutenants in seiner Joh
Geplauder abhebt und auf Zukünftiges vorbereitet
seltsam klingenden Vorschlag, daß das Duell ja nur Steigerung bis zum wutherfüllten Haß das Interesse
bis schließlich die Plauderei zwischen einigen mehr eine Komödie zu sein brauche. Entrüstet und mit viel stärker fesselt.
hervortretenden Personen eine schärfere Physiognomie ziemlich brutalen Worten weist Paul den Vorschla¬
Der Kampf zwischen den Vertretern zweier mit
annimmt. Man erfährt, daß ein junger reicher Rentier, zurück. Er habe keine Gemeinschaft mehr mit dem diametral entgegengesetzten Anschauungen rief
Paul Rönning, so vertraut mit einer Schauspielerin
Lumpen, der sein Schicksal, aus der Armee ausgestoßen schon gesagt, ein lebhaftes Für und Wider im Publicum Ton
Anna Riedel, ist, daß man allgemein die Letztere für die zu werden, selbst verschuldet hat.
hervor, und mit äußerster Spannung verfolgte man viel¬
Geliebte des Ersteren hält, obgleich sie sich andern
Der dritte Act spielt wieder auf dem Platz vor den Fortgang der interessanten Handlung. Aber es Alle
Männern gegenüber sehr reservirt zeigt und das Be¬
dem Caféhause und Theater. Die Badegäste und wäre sehr ungerecht, wollte man dieses Interes¬
streben zeigt, als anständiges Mädchen zu gelten. Die Schauspieler unterhalten sich über den sensationellen lediglich auf das Conto des actuellen Stoffes aber
Officiere wissen davon zu erzählen, denn Anna Riedel Fall, der natürlich durch die liebe Fama ganz entstellt
schieben. Die Hauptursache des großen Erfolges
hat bisher standhaft alle Einladungen zu Soupers wiedergegeben wird. Die Officiere stehen rathlos der sich in lebhaften Hervorrufen der Darsteller pret
und sonstigen Vergnügungen abgelehnt, welche von zusammen; einer meint, daß Karinsky nichts Anderes documentirte, liegt doch in der meisterhaft abge¬