II, Theaterstücke 8, Freiwild. Schauspiel in 3 Akten, Seite 139

8. Freiwild
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in= und Radfahr sowie zum einmaligen neuen Be¬
nach Rom begeben, um eine allgemeine „Römische fession gesprochen, bereits wieder vollständig ver¬
der Kunst= und Gartenbau=Ausstellung. Der Preis
Centrums-Korrespondenz" zu begründen.
gessen hat.
selben beträgt einschließlich der Stempelgebühr 45
Arthur Schnitzler hat schon in der Liebelei
die fire Idee seines Gegners von Ehre nicht
„Freiwild
gezeigt, welch ernste Gedanken er durch Bilder aus
er bleibt bei seinem „Nein" gegenüber den herz
Schauspiel in 3 Akten von Arthur Schnitzler.
unser modernen Sitten= und Gesellschaftsleben wach¬
Bitten des Offiziers, der nun zu Ende ist und
Deutsches Theater, 14. Januar.
zurufen versteht. „So weit kommt's": das in
einer bedeutungsvollen Warnung scheidet; denn er
Mr. Wir sind ein großer Verehrer der Autorität.
das traurige und doch wieder klärende Ergebniß dieser
welches Blut in dem Kameraden fließt, und war
Die vernünftig und mit liebendem Ernste geübt
ernsten Gedanken. „Freiwild“ ist nach diese
Zwang der Ehre gebietet. Wohin sich Roen:
Autorität findet uns stets auf ihrer Seite. Von der
Richtung hin ein bedeutsames Werk. Was
wenden wird, überall folgt ihm der seine Ehre
Polizei erwarten wir Vernunft und Ernst, — „Liebe
es wiederspiegelt? Eine „einfache Geschichte. Da is
lierende Offizier: und im Café-Garten — eben
steht ja nicht in ihrem amtlichen Lexikon. Nun ist bei
in kleinerer Stadt bei Wien ein flottes Offizierkorps
das liebende Paar sich zur Abreise rüsten — erfol¬
uns die Polizei auch Censurbehörde. Sie muß also
untermischt mit leichtlebigem und ernstem Element, in
Begegnung. Noch eine Aufforderung von Seite
mit ihrer geistigen Thätigkeit der Kritik offen
seinen Reihen ein schneidiger, dem Spiele und der Lieb¬
Offiziers: Roenning, wollen Sie sich mit mir schla¬
stehen. Die Polizei in Wien hat Arthur
huldigender Oberlieutenant, mit hartem Kopf in al¬
Und ein hartes „Nein" vom Gegner. Da krach
Schnitzlers „Freiwild sofort verboten —
seinen Wünschen, von seiner Ehre Alles, vom Weibe
Schuß. Roenning ist todt. Anna aber, die in
und „ganz Oesterreich" nickte hiezu Beifall,
besonders dem der Bühne in allen Gestalten, nichts
Welt ziehen soll, hat nur eine — eine erschüttern
natürlich meinen wir alle Polizeien im Bruder
haltend; da ist ein junges, in Ehrbarkeit erzogene
Frage: „Wohin?"
lande. Bei uns hat die Polizei keine Todesangst vor
Mädchen, das um des Brodes willen zur Bühne ging
Das nur in groben Strichen der Thatbest
dem Stück bekommen: sie war entschieden weitherzigen
und in einer sommerlichen „Schmiere" jene nied
des Stückes, das überreich ist an Charakte¬
und ließ es passiren. Natürlich mit etwas Kritik. Und
riae Theaterlust athmen soll, die ihre Selbstachtung
und durchaus wahr in jedem kleinsten Zuge aus
diese Kritik — ja gewiß mit anzuerkennender Noblesse gefährdet; sie ist besser wie die Andern
modernen Leben, niemals abstoßend durch absich
geübte — hat uns etwas beunruhigt. Wenn z. B. ein und darum wird sie verhöhnt, gehetz
Schlüpftigkeiten, das aus dem Kreise des Offi¬
Offizier über die Theaterleute, diese „Parias der als „unbrauchbar für die Anziehungskraft de
wie aus jenem des Bürgerthum
Gesellschaft“, unfläthig spricht, so läßt die Censur es
Theaters entlassen, falls sie, die der Kritik
verbenwerthigsten Elemente vorführt und Lich
durchgehen; der Offizier darf die um ihre moralische
gefiel, nicht mit der halben Gage oder der
Schatten richtig vertheilt. Bürgerthum, Soldaten
Achtung noch ringende Schauspielerin ein M..
Freundschaft des „Direktors“ sich begungen will; da und — eine köstliche Einlage
„Schmieren.
nennen, wenn ihm dann aber der ehrlich für die ist auch ein achtbarer Mann aus dem Bürger¬
mit ihren rech
Ehrencodices
dieben
Beschimpfte eintretende Civilist eine Ohrfeige versetzt,
stande, der das verlorene, verwaiste Mädchen in eller
ineinander und illus¬
Zeit mit verblüffe
so muß diese Ohrfeige gestrichen werden. Warum
lichen Hause einst kennen lernte und nun ohne jede
Wahrheit.
- Solche höchst auffallende Urtheile sind uns mehrere
Nebenabsicht, aber mit warmer Theilnahme ihren Flu¬
Nach Tagen eines nätin Zustandes, un
begegnet. Mit der Zensur läßt das Stück die Frage
ins Leben verfolgt. Dieses reine Mädchen glaubt der
einer Bühne, die der Kunst
nicht dem Si¬
übrig: Kann nur der gewöhnliche Mann ordinär Offizier mürbe zu machen, dieses will er zum Spiel
rausch der Karnevalsorgien dienen
das gester
reden und ist das Ordinäre, das der Offizier ausspricht, zeuge wie so viele anderen — und hier prallter Deutsche Theat einen in seiner Geschicht¬
vielleicht nicht ordinär? Wir stehen hier auf dem
ab. Und den in einem Cafegarten anwesenden, über
losen Erfolg gehabt. Das Stück und
Standpunkt: entweder das Stück so, wie der allein
seine verdemüthigte Wiederkehr von der verschlossenen Thür vorzügliche Aufführung wurden mehrmals mit
berechtigte Wille, nämlich der des Autors, es will
der Künstlerin lächelnden Freund des Mädchens fordert er
endenwollendem Beifall aufgenommen. In der
oder das österreichische Verbot. In unserem Fall¬
mit heftigem Wort heraus und nennt das um ihr
führung offenbarte sich ein gefestigte Kunstanschat
muthet die Censur den Schauspielern mehrmals zu ihren
sittliche Achtung kämpfende Weib mit einem gemeinen Wir fühlten Herrn Victor
manns Verstän¬
Stand geradezu feig beschimpfen, ihr eigenes Ehrgefühl
Namen. Da wird der erregte Civilist thätlich — und
heraus. Die Regie des Herrn Stolberg funkti¬
verleugnen zu müssen. Und dieß that uns leid, sehr
die Katastrophe ist gegeben. Es kommt zur Forderung
wie am Schnürchen. Von den Darstellern erreg
sehr leid. Denn der Klassenverhetzung rede der Civilist nimmt sie nicht an, er will die Züchtig¬
der Rolle der Anna als Debutantin Fräulein
Schnitzler nicht das Wort: sondern er bra¬
ung, die er einem solchen Schänder weiblicher Ehr¬
Behrens besonderes Interesse. Die Dame b
die Auswüchse jeglicher Klassen=Vorurth,
angethan, das bleiben lassen, was sie ist. Und Anna
von Leipzig und Kassel Routine mit, die nie ver
falschen Ehrbegriffe, und wenn dabei der ihren
die Schauspielerin, kann seiner Liebe ihre Liebe
Aber sie ist auch eine ganze Künstlerin, sie hat
koder seine Hiebe bekommt, so ist Schnitzler an de
nimmer verbergen. Sie thut Alles, um ein Duell zu
Ein starkes Talent, eine bescheidene Künstlerin
Ursache ebenso unschuldig, wie die
Censur vermeiden. Sie will mit dem Geliebten fort als sein¬
spielte vortrefflich. Herr Schmidt-Häßler a
„Freiwild“ bekommt eine acute Bedeutung durch
Braut — zum Leibesen der Schmiere, für die sie jetzt
kritische Held des Stückes, als Oberlieute¬
den vielberufenen Fall Brüsewitz, dessen ganze Ehren¬
eine „Zugkraft“ wäre... Beide wollen fort. Doch
Karinski, war wieder ganz an seinem Platze.
moral hereinspielt aber es gibt eine erschütternde
nun beginnt die Hetze gegen Paul Roenning — der
lernte ihn von einer neuen Seite kennen. Und
Lehre. Und diese Lehre sagt: Muß es denn so sein
Civilist wird zum Freiwild. Allen Vorstellungen zun
sehr glücklichen Abend hatte Herr von Lenor,
und wäre hier nicht die Mahnung, di
Trotze, nichtachtend die ergreifenden Darlegungen der
nicht nur prächtig spielte, der überzeugte
edle Vorschrift des Erlösers am Platze
als Kartellträger fungirenden, endlich als Mensch zum Offizier von Ehre, Gefühl, Herz. Und flott und
von Nächstenliebe, Demuth und Er¬
Menschen redenden und die Ehrenfrage zur Daseins¬
gab Herr Kirsch den Husarenlieutenant: für
barmen? Das ist wenigstens die Moral, die de
frage erhebenden Offiziers Rohnstedt, verweiger
Rollen ist er geschaffen mit Gestalt, Spiel und O¬
Dichter dem Zuhörer freistellt, zu seinem Bekenntniß Rönning auch selbst die Schein=Satisfaktion.
Die bedeutungsvolle Gestalt des Paul Roenn
zu machen.
Er will keine Komödie, ihn kümmert die Existenz und verkörperte Herr Pahlau in einer so vollen

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