II, Theaterstücke 8, Freiwild. Schauspiel in 3 Akten, Seite 183

8. Freiwil
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Ausschnitt aus: Hamburgicher Correspondent
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vom
Freiwild.
Schauspiel in drei Akten von Arthur Schnitzler.
Berlin, S. Fischer Verlag.
Das bereits viel aufgeführte neue Schauspiel Schnitzlers
ist nun im Druck erschienen und fordert somit doppelt ernste
litterarische Schätzung heraus. Leider hält es einer solchen in
nur wenigen Beziehungen stand. Gewiß läßt der Dialog mit
einer angenehmen Frische Töne des Lebens durchklingen, be¬
sonders auch in discreter Anlehnung an die Wiener Mundart,
Und auch die Richtung des Stückes gegen das Duell fordert
unsere Sympathie heraus. Im übrigen freilich ist die Hand¬
lung recht leer und banal. Nicht daß es ihr an Wahrscheinlich¬
keit fehlte: sie ist nur zu wahrscheinlich, es liegt alles so one
weiteres auf der Hand, daß tiefer greifende Empfindungen kaum
irgendwo wachgerufen werden. Ein reicher junger Mann ver¬
liebt sich in eine Schauspielerin, die ihre theatralische Laufbahn
soeben erst aus Noth und reiner Begeisterung für die Kunst
begonnen. Während er entschlossen ist, das unschuldige Geschöpf
zu seiner Gattin zu wählen, bewirbt sich ein Lieutenant
Kowinski, der sich durch wüstes Spielen und Raufen ohne¬
dies dem unfreiwilligen Abschluß seiner Officierslaufbahn
nahegebracht hat, in üblichem Leichtsinn um den flüchtigen
Genuß ihrer Gunst. Eine wörtliche und thätliche Beleidigung
durch den ernstlichen Bewerber Paul Röming ist die Folge.
Die Herausforderung des also Gezüchtigten lehnt der Beleidiger
ab. Dadurch ist Kowinski das Verbleiben im Officiersstande
endgültig unmöglich gemacht, und außerhalb desselben vermeint
er nicht leben zu können. So sucht er durch Zwang oder
Rache zu seiner Genugthuung zu kommen. Paul Röming
hält es für feige, vor der ihm angedrohten Gewaltthat zu fliehen;
so schießt ihn Kowinski nieder. Man sieht, alles liegt in diesem
Für 50 Fall typisch, nichts originell. Bezeichnend wählt der Verfasser
100 in richtiger Erkenntniß der halbschlächtigen Handlung den Titel
„Schauspiel. Zu einem echten Trauerspiel fehlt eben schon
500 die bedeutsame, tragisch erschütternde Katastrophe, nichts aber
„ 1000 hebt hier den Stoff aus der Alltäglichkeit. Am wenigsten die
Hauptgur — denn den Helden des Stückes kann man ihn
bonne kaum nennen. Paul Röming's Wesen bleibt von Anfang
Abonne bis zu Ende völlig unbedeutend. Ein anständiger
und ziemlich vernünftiger Mensch zu sein, erscheint gewiß sehr
ehrenwerth, bedeutet aber im Leben und gar in der Dichtung
noch nicht allzu viel. Ist doch Paul Röming sogar erheblich
schattenhafter als die meisten übrigen Figuren gezeichnet. Da
fallen wenigstens ein paar Typen aus dem Officiers= und dem
Schauspielerstand auf. Aber über das Typische, Durchschnitt¬
liche geht allerdings keine Rolle des Schnitzler'schen Schauspiels
hinaus. Es sind Zeichnungen, wie man sie sonst im — Schwank
zu finden gewohnt ist; und in der That hält Referent nicht
mit seiner Meinung zurück, daß fast alles, was sich heut
„Schauspiel“ nennt, im ernsten Drama die Stelle einnimmt,
die im komischen der Schwank gewonnen hat: flache Ansätze,
leichte Striche an Stelle des großen Stils und der künstlerischen
Vertiefung. Als Schwankfiguren wären sie alle gar nicht übel,
besonders der melancholische, eifersüchtige Komiker und der
Director, der nicht dazu da ist, „seine Schauspielerinnen zu
ernähren, sondern mehr auf ihren ..... „Anhang als auf
die Fähigkeiten sieht.