II, Theaterstücke 8, Freiwild. Schauspiel in 3 Akten, Seite 198

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Freiwild
8.
a europäische Konzert
sonderte Herr v. Burow meine, es liege ja Das hat dabei gar nichts zu thun, Deutschland
n
Aus schwerer Krankheit genesen, ist in ihm der Wille zum
seine Umgebung verwickelt wird, für den aufmerksamer
„Freiwild.
Leben in aller Freudigkeit erstarkt. „Mein lieber Freund,"
Beobachter gestalten.
piel in drei Akten von Arthur Schnitzler. Erste Aufführung
Es ist in der Natur der Sache begründet, daß die
sagt er zum Badearzte Wellner, „lieg' Du nur einmal
im Carl-Theater am 4. Februar 1898.)
Dichter, die alles Leben nachzugestalten beflissen sind, sich
wochenlang da, wie ich, schon ganz bereit, mit Allem
immer wieder angeregt fühlen, gerade diese beiden Themata
abzuschließen, und wache dann auf wie ich — und sieh,
insere Gesellschaftsmoral hat von altersher einige
ob Du noch was anderes empfinden kannst, als die
auf die Bühne zu bringen — sie umfassen ja so viel, daß
se aufgestellt, gegen deren Berechtigung sich der klare,
sie in jeder Beleuchtung blendende Facetten zeigen, und sie
Seligkeit, wieder da zu sein, wieder dazuzugehören, zu
de Menschenverstand sträubt, die aber so lange als
Allem, was a met, was blüht, wieder von einem nächsten
ltig betrachtet wurden, daß sie dem Allgemein- bieten einen ungemein dankbaren Stoff, da sie in Jedem,
so oder so, eine versönliche Saite mitschwingen machen.
Tag reden zu dürfen, wie die anderen Menschen. Ich will
den als unantastbare Wahrheiten erscheinen, im
So haben wir mit der Zeit eine ganze, stetig weiter an¬
jetzt nur leben, gar nichts anderes, und spüren, daß ich
n Sinne unhaltbare Axiome, unter welche sich jedoch
wachsende Kameliendamenliteratur zusammenbekommen, die
lebe, das ist mir genug." Diese Stimmung, die den
beugen muß, und wider die der Einzelne nicht verstoßen
jede Möglichkeit einer Lösung zeigt, vom tragischen Aus¬
Schlüssel für sein späteres Handeln bietet, wird noch
wenn er innerhalb seiner Klassengemeinschaft ein voll¬
gang bis zur rosenrothen Heirat mit nachfolgendem haus¬
erhöht durch die halb unbewußte Neigung zu einem
ges Mitglied bleiben will. Dazu gehört für den
backenen Glücke, und die Zahl der bereits vorhandenen
lungen, reinen Menschenkinde, der naiven Naiven Anna
unter Anderem das Verbot, eine Gestrauchelte zur
Säbel= und Pistolenstücke wird alljährlich erheblich ver¬
Riedel. Es ist wie der Frühling, so klar und schön und
zu nehmen, und die Verpflichtung, mit der Waffe in
mehrt. Und das wird so lange der Fall sein, bis die voll¬
gedankenlos. Aber nicht lang . . . Lieutenant Karinsky ist
und die persönliche Ehre zu vertheidigen und der
ständige Umwerthung unserer Moralbegriffe vollzogen
da, von dem es heißt, er ist au fond ein guter Kerl, ein
kten fremden Genugthuung zu geben. Die Auf¬
sein wird.
famoser Kamerad, es muß nur halt Alles geben, wie er
ben von heute, einer besseren Einsicht folgend und
Arthur Schnitzler, dessen Schauspiel „Liebelei
will, sonst ist der Teufel los" und „Was fängt so ein
durch Kontroversen und Erfahrungen, sind in
das erstere Thema in der leichten Spielart des „süßen
Mensch in ewiger Friedenszeit mit seinem Temperament
Fällen über manch Unsinniges schon hinaus, dem
an? Es ist ja wahr, solche Leute, wie der Karinsky sollen
und der Theorie nach und soweit es die eigene Mädels" gestreift hat, wählte sich die Duellfrage zum
Vorwurf für sein neues Bühnenwerk. Er trat seiner heiklen Soldaten sein, aber für solche Soldaten gehört der Krieg,
betrifft. Allein, wenn Einer sich allzu schroff gegen
Aufgabe als Poet gegenüber, in ruhiger Objektivität, jeder
sonst haben sie überhaupt keine Existenzberechtigung." Er
hergebrachte auflehnt, nach freiem Gutdünken handelt
Parteinahme fern, und schuf so tendenzlos nach, was ihm
kaprizirt sich auf die Riedel. und da diese standhaft seine
verschmäht, die tolerirten Mäntelchen zu benützen,
Einladung zu einem Souper ausschlägt, wendet er, in
sind Alle entrüstet, denn neben der beschränkten, die Wirklichkeit zeigte und wie unter den gegebenen Be¬
dingungen die Ereignisse ja thatsächlich kommen mußten.
seinem Selbstbewußtsein verletzt und durch eine provokante
rlichen Ueberzeugung erheben sich die Stimme
Wenn trotz der ehrlichen künstlerischen Absichten „Freiwild
Bemerkung des spöttisch vergnügten Paul aufgestachelt, auf
die aus bewußter oder unbewußter Heuchelei an
blos ein Theaterstück und keine Dichtung geworden ist, so
sie ein unzulässiges Wort an. Paul schlägt ihn ins Gesicht
en das verdammen, was sie unter ähnlichen Um¬
in vielleicht selbst gethan hätten. Und je verständ¬ mag die Ursache vielleicht darin liegen, daß es ihm durch
und da Karinsky, auf Urlaub im Badeorte, keinen Säbel
Anlage und Temperament versagt war, gerade hier mit
trägt, und die Freunde sich dazwischen werfen, ist die
je menschlich einfacher das Vorgehen des kühnen
verächters ist, um so größer wird der Gegensatz sein, den Augen der Seele zu schauen, vielleicht aber auch im
Affaire vorläufig abgethan.
chem er sich zu den Uebrigen seiner Schichte befindet, Stoffe selbst, den ohne Rest zu bezwingen, noch Keinem
Von einem Duell wie Paul nichts wissen. Den Se¬
kundanten Karinsky's sagt er: „Er hat sich benommen wie
esto merkwürdiger und interessanter werden sich die gelungen ist.
Paul Rönning ist der sogenannte Held des Stückes, ein Bube und ich habe ihn behandelt wie einen Buben,
in und die seelischen Konflikte, in welche er und
Hiezu Nr. 40 des „Wiener Familien Journal als Gratisbeilage.