II, Theaterstücke 8, Freiwild. Schauspiel in 3 Akten, Seite 228

8.
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Freiwild
Taan 1929.
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
und
Nr.
OBSERVER
detur, hombre, conces, Bureau für Zeitungsberichte und Personalnachrichten
Wien, IX. Türkenstrasse 17.
Filiale in Budapest. Pleyel, VIII. Josefaring 312.
Ausschnitt aus
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Der Kampf Aller gegen Alle hat somit am längsten
gedauert. Aber auch dem sündhaften und in seinem
Ausgange stets so ungewissen Zweikampf ist ein gewal¬
tiger Dämpfer erstanden. Das unvergleichliche Mittel,
die leidige Losgeherei aus der Welt zu schaffen oder
wenigstens die mitunter lebensgefährlichen Ergebnisse des
Schießen zu verhindern, ist so ungeheuer einfach, daß
in dramatischer Schriftsteller kommen mußte, um
uns mit ihm bekannt zu machen. Herr Arthur Schnitzler
aber hat mit dem genial gefundenen Mittel nicht allein
seinem Schauspiele Freiwild eine fesselnde, inhaltsreiche
Handlung gegeben, sondern auch den kämpfenden und
darum leidenden Menschen einen kaum zu schätzenden
Dienst erwiesen. Wenn man, so lehrt Herr Arthur
Schnitzler, das Unglück hat oder die Ungeschicklichkeit
begeht, mit einem durch Standesverhältnisse zum
Kämpfen verpflichteten Manne derart zusammenzustoßen, daß
eine Versöhnung ausgeschlossen erscheint, dann verweigert
man entweder grundsätzlich den Zweikampf oder besser,
man geht schanden, d. h. ehrenhalber auf ein Schein¬
gefecht ein. Für den letzteren Fall ist dem Duell oder
Schnitzler zufolge stets ein ehrenwerther und friedliebender
Kartellträger (am zweckmäßigsten ein Offizier) bereit,
sowohl die nöthigen Vorschläge zu erstatten, als auch die
Vorbereitungen für das unblutige Verfahren zu treffen.
Probatum est in Freiwild wird zwar der grund¬
10 sale Zweikampfleugner von dem bis zum Aeußersten
20 gereizten Gegner mechlings von der Höhe seiner sitt¬
lichen Ueberzeugung herabgeschossen; des beweist doch
nur die Unentbehrlichkeit des im Roder Schnitzten ge¬
gebenen Auskunftsmitteln. Nach dem Beifall zu schlichen
Abonn welchen die Schnitzlerische Ehrenheitslehre bei ihren
Verkündigung im Carltheater gefunden, steht ihrer
gemeinen Einführung sein besonderes Hinderniß
gegen. Die Hoffnungen der Friedensfreunde ge¬
Die Naturae lo¬
inclusive
Porto.
Zahlbar
im Voraus.
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Wien, IX. Türkenstra
— Filiale la Budapest, eli, VII. Josefstieg 32.
schnitt aus Venerabundat,
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„Freiwild.
Schauspiel in 3 Akten von Arthur Schnitzler. — Zum ersten Male aus¬
geführt im Carl-Theater um 4. Februar.
An erster Stelle constatiren wir, daß ein entschiedener
Erfolg vorhanden war, das Schauspiel hat gefallen, ob mit Recht
oder Unrecht, darüber wurde debattirt und läßt sich debattiren.
Vorerst die Handlung in kurzen Worten. Lieutenant Karinski
stellt einer Theaternaiven nach, die auch im Leben noch naiv ist
und bleiben will. Paul Rönning liebt dieses Mädchen, ihr Schicksal
liegt ihm am Herzen, ihretwegen verschiebt er seine Abreise aus
dem kleinen Badeorte von Tag zu Tag. Und die gewissenlosen
jungen Herren, voran Lieutenant Karinski, machen flott weiter
Jagd auf die schöne Naive. Darin liegt eigentlich begründeter¬
weise der Titel des Stückes, die Schauspielerin ist das „Frei¬
wild, das junge Mädchen, das ängstlich und zitternd flieht
vor den Jägern, die sie verfolgen, bis sie sich nicht mehr zu
helfen wissen wird, um dann zusammenzubrechen, sich zu ergeben.
Das ist das eigentliche „Freiwild". Doch der Autor meinte
auch leider etwas anderes damit. Karinski kommt eben von einer
Niederlage, die er erlitten, zurück; die schöne kleine Schau¬
spielerin hatte seine Einladung zum Souper keiner Antwort ge¬
würdigt; als er sich dieselbe persönlich holen gewollt, waren die
Thüren von innen versperrt. Nun findet er im Freundeskreise,
wo er um Champagner gewettet, daß er siegen werde, seinen
vermeintlichen und eigentlich auch thatsächlichen Nebenbuhler. Als
er seine Niederlage erzählt, lächelt Rönning, und lächelt weiter,
als er auch sieht, daß Karinski auf ihn aufmerksam wird; sehr
aufmerksam. Indem dann der Lieutenant um den Grund des
Lachens frägt, und, als ihm eine ausweichende Antwort zu Theil
wird, die keinen Hait gibt „Ich pflege hie und da zu lächeln,
starke Saiten aufzieht und Dinge über das Mädchen sagt, die
er ja selbst wohl nicht glaubt — hat er provocirt, gut, aber
was war dann Rönning's Lächeln, was die Antwort „Ich pflege
so hie und da zu lächeln?" Was war denn das
Und weiter. Könning schlägt Karinski in's Antlitz, Rönning
will aber dann nicht Genugthuung geben, „er hat sich wie ein
Bube benommen, ich habe ihn wie einen Buben gezüchtigt",
„er ist mir über den Weg gelaufen — weiter nichts, sein ferneres
Schicksal geht mich nichts an."
Oho, Herr Rönning, Sie begehen da einen gewaltigen
Irrthum. Gut, er hat sich wie ein Bube benommen; aber dem
Mädchen gegenüber, ihnen gegenüber nicht
Sie haben ihn aber wie einen Buben behandelt, ihn in's
Gesicht geschlagen! — Wer gab ihnen das Recht, so zu handeln?
Ihre Liebe zu dem Mädchen! Zugegeben; dann haben sie aber
ein Amt übernommen, das nicht ganz so leicht ist, das nicht nur
heißt handeln, sondern auch für seine Handlungen einstehen.
Strafen ist leicht, man muß aber ein Recht zum strafen haben,
eine Autorität muß hinter dem Bestrafer stehen. Wenn es ihnen
nur darum zu thun gewesen wäre, Herr Rönning, daß Karinski
seine Strafe erhält, so gibt es ja Gerichtsbehörden, gibt einen
militärischen Ehrenrath. Sie wollten aber den kürzesten Weg
gehen, sie wollten strafen, sie wollten sogar gleich strafen, und
wer gibt ihnen das Recht hiezu, der mittelalterliche Glaube des
Gottesgerichtes, der Zweikampf, der hierauf folgen muß, der
Glaube, ich stehe für meine gerechte That mit meinem Leben ein,
und Gott hilft der gerechten Sache. Wie durften sie nun Genug-
thuung verweigern? — Erst so heiß und dann so kalt? — Wären
sie von allem Anbeginne an lau gewesen, es würde ihnen jetzt
besser stehen.
Wo bleibt aber dann die Logik ihres Benehmens? Sie
erfahren, daß Karinski verloren ist durch ihre Weigerung, daß
Karinski den Weg gehen wird, der ihm nothwendig vorgezeichnet
ist, daß er sie mit der Waffe in der Hand angreifen wird, wo
immer er sie findet — daß ihnen kein anderes Mittel bleibt, um
consequent zu sein, als abreisen, schleunigst abreisen, fliehen. Jetzt
werden sie wieder heiß, und bleiben. Stecken einen Revolver zu
sich in der Erwartung ihres Gegners. Werfen sie da nicht ihre
eigene Theorie über den Haufen? — Statt eines festgesetzten
Duells haben sie jetzt ein permanentes, eines, das nicht mehr
auf gesellschaft gesetzlichem Boden steht, aber trotzdem noch immer
ein Duell ist. Also schlagen sie sich ja de