II, Theaterstücke 8, Freiwild. Schauspiel in 3 Akten, Seite 266

8.
Freiwild
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erweist, streiten allendlich an
Palme und halten das Interesse rege.
Das Carl-Theater, welches in dieser Saison von unleugbarem Glücke
getragen ist, hat mit Arthur Schnitzlers interessantem und wirksamem Schau¬
spiel „Freiwild“ neuerdings einen starken und nachhaltigen Erfolg zu ver¬
zeichnen. Was uns Arthur Schnitzler in kräftigen Strichen vom Theater hinter
den Coulissen und auf der Straße zeigt, ist ja wahr, aber nicht neu. Ob es gut
ist, den Schauspielerstand noch mehr zu discreditieren, als er es in der That ist,
kann dem Dichter gleichgiltig sein. Er zeigt uns die moralischen Defecte und
entblößt die Wunden dieses vielverlästerten Standes. So sind sie, so leben
und weben sie wirklich, diese armen Provinzkomödianten! Directoren, wie sie
Arthur Schnitzler auf die Scene bringt, existieren thatsächlich und treiben
ihr zweifelhaftes Handwerk ruhig weiter. Wir kennen solche Ehrenmänner und
könnten sie der Reihe nach beim Namen nennen. Was uns nun der Dichter
weiterhin als Tendenzfrage aufrollt, ist das Duell, welches so vielfach erörtert
und durch die akademischen Ausführungen Schnitzlers gewiss nicht aus der Welt
geschaffen werden wird. Wie unerquicklich auch einzelne Scenen sein mögen und
wie zweifelhaft die Gestalt seines Titelhelden auch erscheinen mag, der „versöhnende
Schluss des Tendenzdramas ist die einzig mögliche Lösung und mit derselben
capituliert Arthur Schnitzler vor seiner ehrlichen Überzeugung, da sie nie zum
Durchbruche gelangen wird. Die Darstellung der Novität war ganz und gar
mittelmäßig, was wir sonst an dieser Bühne nicht gewöhnt sind.
Wenn man nach der Generalprobe schließen darf, die gestern im
Raimund-Theater stattfand, dann darf dem Zeitbid: „Die lieben Kinder
Ritter / ein starker und nachhaltiger Erfolg prognosticiert werden.
Carl-Theater. Diese jetzt so rührige Bühne hat Freitag, den
4. Februar, dem Wiener Theaterpublicum die Kenntnis von Arthur
Schnitzler's „Freiwild“ vermittelt. Den Dichter der subtilen
psychischen Vorgänge in der „Liebelei" hat eine laute und äußerliche
Tagesfrage in ihren Bann gezogen, und die mit dem bezeichnenden Worte
„Ehrenhandel“ über manches Menschenschicksal jäh entscheidende Katastrophe,
deren Erörterung dann wie ein breiter Strom durch die Oeffentlich¬
keit fließt, hat ihn menschlich und künstlerisch angeregt. Auf dem Wege
jedoch, den ein solcher Anreiz aus dem unbewußt reagirenden Empfinden
bis zu der dramatischen Gestaltung zurücklegte, hat sich in der Ver¬
standessphäre eine zuerst zersetzende und dann aufbauende Arbeit voll¬
zogen, deren Resultat eine kalte und berechnete Behandlung des Stoffes
ist. Durch wohlabgewogene, stark in die Erscheinung tretende Bühnen¬
effecte übt das Stück eine lebhafte äußere Wirkung, die das Interesse
erregt und festhält, also ein kräftiges Spielstück, allein der Knall des
Schlußschusses ruft kein Echo im Innern des Hörers wach, er hat das
Spiel da droben auf den Brettern mitangesehen und mitangehört, und
wenn er geht, nimmt er keine Theilnahme für das Schicksal der
Menschen mit, die auf der Bühne gerungen, gekämpft haben. Und
dennoch hat sich fast Jeder einmal, wenn auch nur vorstellung weise,
mit den drei Personen beschäftigt, die im „Freiwild“ die Haupthand¬
lung tragen und die da sind: die junge, auf ein reinliches Leben be¬
dachte Schauspielerin, die verwirrt vor ihren zertrümmerten Kunst¬
idealen steht; der übermüthige, von leichter Frauengunst verwöhnte
Reiterofficier, den diese unabsichtliche Sprödigkeit reizt und der der
Ehre der Abwesenden, die seine Bewerbung abgewiesen hat, nahetritt;
endlich der andere Mann, den eine reine Neigung mit der jungen
Dame eint, und der im zornigen Impulse seines Herzens auf die dem
jungen Mädchen angethane Schmach mit der Faust erwiedert. Diese
Vorgänge ergeben eine typische Prämisse, die sich im ersten
Acte entwickelt, zu einer Zeit, wo uns die handelnden Personen, trotz¬
dem sie durch eine ermüdend lange Exposition gehen, nur rein äußer¬
lich vorgestellt werden. Aber aus dieser typischen Voraussetzung ent¬