II, Theaterstücke 8, Freiwild. Schauspiel in 3 Akten, Seite 283

8. Freiwil¬
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Die Bühnen.
Schiller=Theater.
Aus dem älteren Bestande des Deutschen Theaters hat
das Schiller=Theater Arthur Schnitzlers wohlbekanntes
Schauspiel „Freiwild“ übernommen und gestern zum ersten
Mal zur Darstellung gebracht. Man schlug einen ruhigen Ton
des bürgerlichen Lebens an, wie denn auch Schnitzler in präciser
Kürze und ohne den Kraftverbrauch des üblichen Ueberzeugungspathos
das kniffliche Duell=Thema den Zuschauern zurecht legte. Nicht
auf eine Sensation, sondern auf die nüchterne Klarheit
des besten Lebens sind die dichterischen Absichten dirigirt
und in diesem Sinne ging die gestrige Darstellung auf richtigem
„Wege, wenn auch nicht überall die Gestalten und feingezeichneten clusive
Porto.
„Charakter ihrem vollen Inhalt nach erschöpft wurden. So wenig aber
„laut und aufdringlich Schnitzler operirt, so sehr eindringlich
Voraus.
und haarscharf beobachtend betreibt er seine Aufgaben,
ist das
Abonund dazu bedarf es stellenweise eines intensiveren Stu¬
Abondiums, als es in diesem Falle aufgewandt wurde. Das Frei¬ t es den
wild sind bekanntlich die Damen einer Sommerschmiere, auf.
welche die Herren Offiziere Jagd machen. Die neuangeworbene
Inha jugendliche Naive will sich nun nicht mit auf die leichtlebige Altend die
du Seite legen, der Korpsgeist hat sie noch nicht angesteckt, weil eine Orgen¬
ernsthafte Liebe in ihrem Herzen keimt. Natürlich, je spröder sie Zeitung")
thut, um so eifriger wird sie aufs Korn genommen und da geschieht die Leben
heilungen
der Zusammenstoß des frech pürschenden Offiziers und des
Beschützers der naiven Dame. Der Civilist verweigert dem Offizier
das Duell, auch dann noch, als ihm in einer merkwürdigen Szene
dargethan wird, daß seine Weigerung eine Cavalier=Existenz total
vernichte. Es kommt kein Kompromiß zu Stande, so muß denn die
fatale Situation gewaltsam explodiren, der Civilist bleibt als
schmählich todtgeschossener Mann auf dem Platze. Das ist ein
wenig hart gebüßt, aber er wollte auf die Warnungen nicht hören.
Herr Peschke stellte diesen starrsinnigen und querköpfigen Todes¬
kandidaten als einen bläßlich abgedämpften und unartikulirten
Schemen auf die Bretter. Man hat bei ihm das Gefühl,
als ob er aus bornirter Indolenz zu keinem klaren Gedanken
hatte
komme. Marianne Wulf, die spröde Naive,
sichtbarlich eine Ahnung, mit wie diskret zarter
und zierlicher Feinheit eine Schnitzler Figur zu
erfassen ist, aber auch sie blieb auf halbem Wege stecken, weil sie
vielleicht nicht in die Rolle hineinkünsteln möchte, was ihr von
Natur aus nicht bequem liegt. So ein halbes Spielen
und Andeuten ist auf jeden Fall klüger und künst¬
lerischer als ein eigensinniges Erzwingenwollen. Ferdinand
Gregori dürfte an der interessanten und vom Dichter
tieferfaßten Persönlichkeit des Oberleutnant Karinski
nichts schuldig geblieben sein. Der vulkanische, dämonisch¬
soldatische Untergrund, der in der faulen Friedenszeit mangels
kriegerischer Bethätigung allerlei Eruptionen und Unarten hoch¬
stößt, war an dem gestrigen Karinski ausgiebig vorhanden, aus
diesem nicht unedel talentirten Naturell ging der leidenschaftlich
gewaltsame Ausgang der Affaire ganz natürlich und zwanglos
hervor. Unter den übrigen Darstellern mag noch der dreifach in
Nichtswürdigkeit gesalbte Sommertheater=Direktor des Herrn
Pategg und der trottelhaft gemüthliche Husarenleutnant des
Herrn Patry erwähnt werden, in beiden Gestalten pulsirte das
M.
echte Leben, gesehen durch das Prisma des Humors.
Theater, Kunst u. Wissenschaft.

Berlin, Dienstag, 15. Januar.
el. Die Duelfrage, die heute die Herren im stolzen
Reichstagsbau beschäftigt, wurde gestern im Schiller¬
Theater behandelt, wo man Arthur Schnitzlers
„Freiwild“ zum ersten Male aufführte. Vermochte
man auch auf der Bühne in der Wallnertheaterstraße

nicht die seinen intimen Wirkungen herauszubringen, wie
Für 50f. Z. im Deutschen Theater, so war die zahlreiche Zu¬
inclusivo
100schauerschaar nicht minder gefesselt. Der chen Maler
Porto.
„ 200 Paul Rönning, der wegen eines von ihm als falsch ge¬
Zahlbar
„ 500 haltenen Ehrbegriffs sein Leben nicht aufs Spiel setzen
im Voraus.
„ 1000 will und doch voller Muth und Entschlossenheit ist, gab
Im Herr Georg Paschke. Es lag etwas Verträumtes in mitte ist das
Abonneme, einem Wesen, so daß man an seinen Kampf gegen steht es den
dern.
Abonnent, Standesehre nicht recht glauben kann. Frei¬
lich fällt dieser Fehler der Darstellung wesent
Inhaltsanlich auch dem Dichter zur Last, der seinen Duellenthaltend die
Morgen-
blütte gegner mit einer gewissen Halbheit belastete. Der Ober¬
ner Zeitung
wodurch eleutnant Karinski des Herrn Ferdinand Gregori sah aftliche Leben
des In- gar zu sehr nach einem theatermäßigen Intriganten aus; Mittheilungen
werden in man vermißte das unüberlegte, aber im Grunde nicht
bösartige Draufgängerthum, das seine Kameraden an ihm
rühmen. Frl. Marianne Wulf war als die Naive Anna
Riedel, die dem anmaßenden Oberleutnant als Freiwild
gilt, in ihrer sprüchen Tugend von einer Zurückhaltung,
die an Beklommenheit grenzte. Auch ihre Liebe für
Rönning, der ja schließlich um ihretwillen erschossen wird,
wagt sich nur sehr schüchtern hervor. Nicht übel waren
die Nebenfiguren, so Herr Erich Kaiser als Ober¬
leutnant Rohnstedt und Herr Albert Patry, in dessen
Händen auch die treffliche Regie lag, als Husarenleutnant
Vogel. Seinen Sommertheaterdirektor Schneider stattete
Herr Pategg mit drolligem Humor aus. Die Kollegen
von der Bühne — die Herren Schmasow, Zollin
und die Damen Ernst und Storm - waren von herz¬
erfrischender Natürlichkeit.